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Politik

Mörderischer Wahlkampf in Mexiko

Enrique Anarte
26. Juni 2018

130 Politiker sind im Laufe des Wahlkampfes in Mexiko schon ermordet worden. Experten bezweifeln, dass die Spirale der Gewalt nach den Wahlen enden wird und sprechen vom gewalttätigsten Wahlkampf seit mehr als 20 Jahren.

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Mexiko Symbolbild Politikermorde
Bild: Imago/ZUMA Press

"Er war jemand, der die Armut, die soziale Ungerechtigkeit und die Korruption im Land nicht ertragen konnte", sagte einer seiner engsten Freunde über Fernando Ángeles Juárez. Aus diesem Grund ließ sich der 64-jährige Lokalpolitiker als Kandidat für das Amt des Bürgermeisters der Kleinstadt Ocampo, 40 Kilometer nördlich von Mexiko-City, aufstellen. Am vergangenen Donnerstag (21.06.) wurde er vor seiner eigenen Haustür erschossen. Nur drei Tage später verhaftete die mexikanische Bundespolizei alle Beamten der örtlichen Polizei wegen des Verdachts der Mittäterschaft. Vorfälle wie diese sind mittlerweile zur Normalität geworden in einem Wahlkampf, den man als den blutigsten in der Geschichte der mexikanischen Demokratie bezeichnen kann.

Mexiko - Tödliche Wahlkampf - Trauerzug um Maldonado
Trauerzug für die beiden Anfang Juni erschossenen Kandidaten Maldonado und CazaresBild: Reuers/I. Medina

In Mexiko wird am Sonntag, den 1. Juli, ein neuer Präsident als Nachfolger von Enrique Peña Nieto gewählt. Gleichzeitig finden auch Wahlen auf föderaler, regionaler und kommunaler Ebene statt. Dabei sind gerade die lokalen Kandidaten diejenigen, die am stärksten von der politischen Gewalt betroffen sind.

Edgar Cortez, Forscher am Mexikanischen Institut für Menschenrechte und Demokratie (IMDHD), erklärt, dass gerade in diesem lokalen Umfeld die organisierte Kriminalität den größten Einfluss hat. Im Gegensatz zur relativen Reife der föderalen und staatlichen Institutionen, gebe es in manchen Regionen immer noch ein ausgeprägtes "Kazikentum", also ein oligarchisch organisiertes Klientelsystem in der Individuen oder Familien die Kontrolle über die Politik, Verwaltung und Wirtschaft übernommen hätten, so Cortez.

"Leider haben sich im Laufe der Zeit viele dieser lokalen oligarchischen Strukturen zu kriminellen Vereinigungen entwickelt, die sich über den Drogen- und Menschenhandel finanzieren", sagt Cortez im Gespräch mit der DW. Lokale Amtsträger und Polizeikräfte seien in diese Strukturen eingebunden und würden ihre Machtpositionen nicht so schnell wieder aufgeben, so der Experte.

Die Wahl wird nicht nur an der Urne entschieden

Seit dem Beginn des Wahlkampfes im vergangenen September hat es in Mexiko 130 Morde an Politikern und Kandidaten im Land gegeben, berichtet Etellekt, das mexikanische Beratungsinstitut für Politik und Sicherheitsfragen, das diese Fälle überwacht. Das heißt, dass es im Durchschnitt etwa alle drei Tage einen neuen Mord gibt. Zum vergleich: Im Präsidentschaftswahlkampf von 2012 gab es in Mexiko "nur" neun Morde.

Aber die außergewöhnliche Gewalt im mexikanischen Wahlkampf manifestiert sich nicht nur in der Zahl der Morde, sondern auch in den über 500 Anschlägen ohne tödlichen Ausgang, die von dem Institut registriert wurden. Nach Angaben des Direktors von Etellekt, Rubén Salazar, richten sich 75 Prozent dieser Angriffe gegen Vertreter der Oppositionsparteien.

Mexiko Andrés Manuel López Obrador in Mexiko-Stadt
Präsidentschaftskandidat Andrés Manuel López ObradorBild: picture-alliance/AP Images/The Yomiuri Shimbun

"Die Gewaltakte werden als Mittel des Wahlkampfes eingesetzt", sagt Salazar der DW. "Viele Wahlergebnisse werden nicht an der Urne entschieden, sondern schon im Vorfeld auf der Grundlage von Drohungen, Einschüchterungen, bewaffneter Gewalt, usw.". Die Tatsache, dass die Linkskoalition "Moreno" des aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten López Obrador auf kommunaler Ebene in den Meinungsumfragen führt, hat bei vielen lokalen Mafiastrukturen Nervosität ausgelöst.

Wird die Gewalt auch nach dem 1. Juli anhalten?

"Ich glaube, dass die Gewalt kein Ende finden wird, denn letztendlich geht es um viel Geld und Marktanteile am Drogengeschäft und da wird sich nichts ändern, egal wer gewinnt", beklagt der Forscher Edgar Cortez. Auch Rúben Salazar von Etellekt äußert sich skeptisch: "Diese Art von Gewalt wird mindestens weitergehen, bis die gewählten Kandidaten ihr Amt antreten, wahrscheinlich auch darüber hinaus."

Es bleibt die Frage, ob die politische Klasse Mexikos auf bundesstaatlicher und auch auf regionaler Ebene in der Lage ist, die Herausforderung anzunehmen und eine Antwort auf die grassierende Gewalt im Land zu finden - damit Lokalpolitiker wie Fernando Ángeles Juarez ihr Engagement nicht mit dem Leben bezahlen müssen.