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Politik

Malis verspielte Chance

DW Kommentatorenbild Katrin Gänsler ***PROVISORISCH***
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Katrin Gänsler
13. August 2018

In Mali ist am Sonntag über das Präsidentenamt entschieden worden. Von Anfang an war Amtsinhaber Keïta trotz aller Unzufriedenheit im Land großer Favorit. Die Opposition hat ihre Chance verspielt, meint Katrin Gänsler.

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Mali Bamako - Wahl: Stichwahl des Präsidenten
Bild: Reuters/L. Gnago

Nirgendwo lange Schlangen, nirgendwo Gedränge, aber vor allem nirgendwo Enthusiasmus. In Mali ist die Stichwahl zwischen Amtsinhaber Ibrahim Boubacar Keïta und Herausforderer Soumaïla Cissé auf wenig Interesse gestoßen. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich das absehbarer Zeit ändert. Schon vor dem ersten Wahlgang waren im ganzen Land potenzielle Wähler unzufrieden. Im Norden und im Zentrum klagten sie über die anhaltend schlechte Sicherheitslage; zurecht, wie die Ermordung eines Wahlleiters in der Region Niafunké, Cissés Heimatregion, sowie der Überfall auf einen Konvoi nur zwei Tage nach dem ersten Wahlgang in der Nähe von Ségou zeigen. Dort starben vier Soldaten.

Frust herrschte aber auch im Süden und Westen über schlechte Arbeitsperspektiven und mangelnde Infrastruktur. Das zeigte bereits die geringe Wahlbeteiligung von lediglich 42,7 Prozent vor zwei Wochen, aktuelle Zahlen aus der Stichwahl stehen noch aus. Als vor fünf Jahren noch Aufbruchstimmung da war, gingen fast 49 Prozent wählen, so viele Menschen wie nie zuvor in der einstigen französischen Kolonie.

Eigentlich ein leichtes Spiel für die Opposition

Für die Opposition hätte diese Wahl ein leichteres Spiel sein müssen. Doch sie konnte sich von Anfang an nicht auf einen Kandidaten einigen, weshalb auf dem langen Stimmzettel neben Keïta 23 weitere Namen standen. Zwar gab es anfangs Beteuerungen, dass man bei einer Stichwahl den Zweitplatzierten unterstützen wolle. Doch Bündnisse mit Dutzenden Kandidaten gehen selten gut. Das haben schon die Tage vor der Stichwahl gezeigt, als weder der Drittplatzierte Aliou Diallo, noch der Vierte, Cheick Modibo Diarra, eine Wahlempfehlung abgaben und damit deutlich machten: Diese Wahl ist längst gelaufen. Denn letztendlich zählen persönliche Interessen. Wäre es anders und würde es um die Zukunft Malis gehen, hätten sie sich im Vorfeld auf einen Bewerber einigen können.

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DW-Korrespondentin Katrin GänslerBild: privat

Das ist jedoch nicht der einzige Grund, weshalb Keïtas Kontrahenten ihre Chancen verspielt haben. Zwar geht es in Westafrika im Wahlkampf selten um Programme, konkrete Vorhaben oder gar deren Finanzierung. Die malische Opposition, allen voran Cissé und dessen Union für die Republik und die Demokratie (URD), fiel seit Wochen aber nur mit Regierungskritik auf. Schon vor der Wahl prangerten Cissés Leute ein möglicherweise falsches Wählerverzeichnis an. Die Klagen über massive Manipulation wurden anschließend noch lauter. Auf Nachfragen bei Wahlkampf-Mitarbeitern wurde allerdings nie ein konkretes Beispiel, nie nur eine Zahl genannt.

Müder Wahlkampf

Natürlich ist es wichtig und richtig, auf Unregelmäßigkeiten aufmerksam zu machen, über die auch malische Wähler und nationale Beobachter klagten. Schon im Vorfeld hatte es organisatorische Probleme gegeben. Aber bloß mit Gejammer und Schuldzuweisungen lassen sich keine Unterstützer gewinnen. Gerade Cissé hat damit eine weitere Möglichkeit vertan. Als klar war, dass er in der Stichwahl steht, hätte er mit seinen Ideen, vor allem aber mit Zuversicht und einem "wir schaffen das" werben sollen. Doch bei Auftritten, von denen es einige gab, demonstrierte er Unzufriedenheit und Enttäuschung. Erst Freitagnachmittag und somit wenige Stunden vor dem offiziellen Ende des Wahlkampfs versuchte er ein einziges Mal, doch noch Wähler für sich zu gewinnen, ein müdes und kaum überzeugendes Unterfangen. 

Letztendlich hätte schon vor der Wahl klar sein müssen, dass der von der Opposition propagierte Wandel und der Bruch mit dem alten Regime nicht zu ihren Personen passt. Gerade Cissé war bereits zweimal erfolgloser Kandidat. Seit der Demokratisierung Anfang der 1990er Jahre hatte er unterschiedliche Ministerposten inne und arbeitete sogar mit Keïta zusammen. Cissé ist selbst 68 Jahre alt in einem Land, in dem 67 Prozent der Einwohner jünger als 25 Jahre alt sind. Natürlich braucht ein Staatschef Erfahrung und Wissen. Doch bei zu vielen erfolglosen Versuchen wirkt das irgendwann abgenutzt.

Amtsinhaber Keïta steht indes vor riesigen Aufgaben. Er muss vor allem dafür sorgen, dass das Land nicht noch weiter auseinander driftet. Das gelingt nur, wenn der Staat in allen Landesteilen, vor allem aber Kidal und Zentralmali, wieder präsent ist. Nach den massiven Vorwürfen von Fälschungen gilt es außerdem, die Politik wieder zu einen. Neue Impulse sind nach der mageren Bilanz seiner ersten Amtszeit allerdings kaum zu erwarten.

Für viele der 18 Millionen Malier heißt das allerdings: Nach der verspielten Chance müssen sie fünf weitere Jahre warten, falls es nicht vorher zu einem Staatsstreich kommt. Vielleicht tritt die alte Garde, die seit Jahrzehnten Malis Politik dominiert, dann tatsächlich nicht mehr an und macht Platz, damit es zu einem wirklichen Bruch und einem Wandel in dem Sahel-Staat kommen kann.