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Moorbrandgebiet vor Räumung?

21. September 2018

Was als Moorbrand begann, weitet sich nun aus. Der Brand, der auf einem Bundeswehr-Testgelände seinen Ursprung hat, ist vom  Landkreis Emsland zum Katastrophenfall hochgestuft worden. Für die dortigen Dörfer wird es eng.

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Deutschland Moorbrand in Meppen
Bild: picture-alliance/dpa/L.-J. Klemmer

Eine Evakuierung der Gemeinden Groß Stavern und Klein Stavern mit rund 1000 Einwohnern könne nicht mehr ausgeschlossen werden, teilte Landrat Reinhard Winter mit. "Eine ganz konkrete Prognose ist derzeit nicht möglich, dennoch ist zu erwarten, dass sich Rauchbelästigung und Funkenflug verschärfen."

Der aufkommende Sturm facht das Brandgelände immer wieder an. Der großflächige Moorbrand war vor mehr als zwei Wochen infolge von Raketentests der Bundeswehr ausgebrochen. Rauch zog zeitweise zu Orten, die mehr als 100 Kilometer von dem Brand entfernt liegen. Der Landkreis sei gut vorbereitet und wolle keine Unruhe erzeugen. "Da der Schutz der Bevölkerung für uns an erster Stelle steht, möchten wir aber die Staverner frühzeitig darauf aufmerksam machen, dass eine Evakuierung nicht mehr undenkbar ist", so Winter.

Deutschland Moorbrand in Meppen
Rauchschwaden über dem EmslandBild: picture-alliance/dpa/L. Schröer

Mit 500 zusätzlich angeforderten Einsatzkräften will die Feuerwehr nun ein Übergreifen des Moorbrandes auf zivile Flächen außerhalb des betroffenen Bundeswehrgeländes verhindern. Vier Kreisfeuerwehren mit insgesamt 500 Mann seien angefordert worden, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Hannover. Die Feuerwehrmänner würden in der Nähe des Bundeswehrgeländes postiert, um sofort reagieren zu können, sollte der Brand auf die zivilen Flächen übergreifen.

Krisenstab und überregionale Einsatzkräfte

Treten Unwetter, Überschwemmungen oder andere Naturgewalten auf, ist das nicht automatisch ein Katastrophenfall. Von einer Katastrophe sprechen Behörden erst, wenn die Bedrohung von vielen Menschen, umfangreichen Sachwerten oder natürlichen Lebensgrundlagen so gravierend ist, dass die betroffene Kommune überfordert ist. Das bedeutet, dass die Lage nur beherrscht werden kann, indem überregional Einsatzkräfte alarmiert werden und ein Krisenstab eingerichtet wird. Ist das der Fall, wird der Katastrophenfall ausgerufen. Der Katastrophenfall ist dabei gleichlautend mit Katastrophenalarm.

Ärzte haben angesichts des Moorbrandes für eine Ausweitung der Schadstoffmessungen in angrenzenden Ortschaften plädiert. "Es wäre aus meiner Sicht wichtig, in Gemeinden nahe dem Brandherd die Schadstoffkonzentration zu messen, um entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zu treffen", sagte die Umweltmedizinerin Barbara Hoffmann der Deutschen Presse-Agentur. Ihr seien bisher keine Messungen aus diesen Orten bekannt.

Deutschland Moorbrand in Meppen
Eine Löschraupe ist beim Moorbrand auf dem Gelände der Wehrtechnischen Dienststelle der Bundeswehr im EinsatzBild: picture-alliance/dpa/WTD 91/Bundeswehr

Nach Angaben des niedersächsischen Umweltministeriums hat das Feuer auf dem Übungsgelände der Bundeswehr vorübergehend zu höheren Feinstaubwerten etwa in Süd-Oldenburg geführt. Dass die Messwerte bisher nicht deutlich verändert seien, könne daran liegen, dass die Messstationen nicht genau in der Abgasfahne liegen oder schon zu weit weg sind, erklärte die Expertin, die am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Düsseldorf forscht.

Steigende Gesundheitsverfahren

Patienten mit einer Lungenerkrankung könnten jedoch vermehrt Beschwerden bekommen, wenn sie höheren Feinstaub- oder NO2-Konzentrationen ausgesetzt seien, betonte Hoffmann.

Auch das Risiko für Herz-Kreislaufbeschwerden steige. Weitere sensible Gruppen seien Säuglinge und kleine Kinder. Auch der Bundesverband der Pneumologen warnte vor Gesundheitsgefahren und widersprach damit der Bundeswehr. Schleimhäute würden auf die Feinstaubbelastung reagieren, ein Kratzen im Hals oder ein Hüsteln seien die Folge, sagte Verbandssprecher Michael Barczok der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Für junge und gesunde Menschen sei dies unschädlich, für Menschen mit chronischen Lungenerkrankungen aber ein "echtes Problem". Bei dem Moorbrand werden Experten zufolge vor allem feine und ultrafeine Partikel, Stickoxide und verschiedene weitere Verbrennungsprodukte wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe freigesetzt.

Die Grünen im niedersächsischen Landtag forderten vom Land, Messdaten zu veröffentlichen und weitere Analysen zu machen. Die Regierung müsse "Verantwortung" übernehmen, sagte deren Expertin Meta Janssen-Kucz der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Es müsse dringend geklärt werden, ob Schul- und Kindergartenkinder sowie Arbeitnehmer sich unbedenklich im Freien aufhalten könnten.

Boris Pistorius SPD
Boris Pistorius (SPD), Innenminister von NiedersachsenBild: picture-alliance/dpa/dpa-Zentralbild/B. Pedersen

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) hatte sich noch am Donnerstag vor Ort ein Bild von der Lage verschafft und dabei betont, dass aktuell keine Gesundheitsgefahr für irgendjemanden bestehe. Er kündigte am Freitag im Norddeutschen Rundfunk an, das Land werde die Lage selbst untersuchen. Zur Begründung verwies er darauf, dass der Kreis Emsland und die Bundeswehr etwas abweichende Angaben zur Belastung gemacht hätten. Laut Bundeswehr gebe es keine Gefahr, der Kreis spreche zumindest von einer "Gesundheitsbelastung", sagte der Minister. "Wir werden sehen, dass wir eigene Erkenntnisse bekommen."

Ermittlungen aufgenommen

Derzeit sind nach Bundeswehr-Angaben rund 1000 Soldaten sowie Helfer von THW, Feuerwehr und Polizei im Einsatz, um das Feuer zu löschen. Die Kosten trägt die Bundeswehr. Moorbrände sind besonders gefährlich, da sie sich unterirdisch ausbreiten. Die Bundeswehr prüft, ob bei den Schießversuchen alle Regeln eingehalten wurden. Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt. Die Bundeswehr nutzt den mit 200 Quadratkilometern größten Schießplatz Westeuropas in Meppen seit 1957.

Um sich ein Bild von der Lage zu machen, besucht Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) das Bundeswehr-Testgelände. Sie komme am Samstag nach Meppen, sagte ein Sprecher ihres Ministeriums.

cgn/as (afp, dpa)