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Keine Kraft, kein Vertrauen

4. Dezember 2018

Die Einigung der Euro-Finanzminister ist keine große Reform. Aber zu mehr ist die Währungsunion derzeit nicht in der Lage, weil sich die nächste Krise nämlich bereits abzeichnet, meint Andreas Becker.

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Symbolbild Eurobonds
Bild: picture alliance/dpa/Bildagentur-online/HRI-McPhoto

Die Eurozone gleicht einer zerrütteten Familie: Kaum jemand hält sich an die Regeln. Verstöße werden nicht geahndet. Keiner traut dem anderen. Und niemand will mehr Verantwortung übernehmen, als er unbedingt muss.

In der Finanz- und Schuldenkrise haben die Finanzmärkte die Sollbruchstellen dieser Beziehung schmerzhaft deutlich gemacht. Seither haben die Mitglieder der Eurozone immer nur reagiert, Löcher gestopft und Brände gelöscht.

Mit der lang erwarteten "Reform der Eurozone" wollten sie endlich aktiv werden, ohne durch unmittelbaren Druck von außen dazu gezwungen zu sein. Sicher, mit dem Streit über den italienischen Haushalt und der desolaten Lage der dortigen Banken zeigen sich schon wieder dunkle Wolken am Horizont. Aber die Situation ist nicht vergleichbar mit dem ständigen Krisenmodus, der die Jahre von 2010 bis 2015 bestimmte.

Kraftloser Kompromiss

Das Ergebnis, das die Finanzminister der Eurozone jetzt nach 16-stündigen Verhandlungen in Brüssel erzielt haben, zeigt zweierlei: Erstens - und das ist die gute Nachricht - sind die Mitglieder der Eurozone zumindest noch zu Kompromissen fähig. Zweitens: Zu wirklichen Reformen fehlt ihnen die Kraft.

Becker Andreas Kommentarbild App
Andreas Becker, DW-Wirtschaftsredaktion

Die Ideen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sind vorerst vom Tisch. Es wird keinen Finanzminister für die Eurozone geben, kein richtiges Eurozonen-Budget, keine gemeinsame Einlagensicherung für Sparguthaben und keinen Europäischen Währungsfonds, der in zukünftigen Krisen die Rolle übernehmen könnte, die bisher der Internationale Währungsfonds (IWF) spielt.

Statt um die großen Linien kümmerten sich die Finanzminister um Details. Der Hauptteil des bisherigen "Rettungsschirms", der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM), wird aufgewertet. In Zukunft soll er als Mittel der letzten Wahl bei großen Bankenpleiten einspringen, weil die von den Banken selbst in einen Nottopf eingezahlten Mittel nicht reichen.

Außerdem soll der ESM künftig finanziell angeschlagenen Euroländern schon früher unter die Arme greifen können, nämlich dann, wenn sich Probleme bei der Kreditaufnahme abzeichnen. Ob das die Märkte davon abhält, gegen einzelne Länder zu wetten, ist allerdings fraglich.

Vorbereitung auf Italien

Der Kompromiss zeigt, dass die Währungsunion nach alten Mustern handelt - nämlich nur in den Bereichen, in denen Probleme unmittelbar bevorstehen. Letztlich ist die Reform eine Vorbereitung auf das, was in Italien droht: höhere Zinsen bei der Refinanzierung, taumelnde Banken.

Für alles, was darüber hinausgeht, fehlt es derzeit an Kraft und Vertrauen.

Die Familie der Euroländer laboriert damit weiter an ihrem grundsätzlichen Problem: Eine Währungsunion kann nur funktionieren, wenn ihre Mitglieder Souveränität abgeben - sei es, indem sie sich an gemeinsame Regeln halten, sei es, indem sie füreinander haften. Im besten Falle sogar beides.

Andreas Becker
Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.