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Gesellschaft

Und plötzlich war es rot – 150 Jahre Ampel

Marco Müller
10. Dezember 2018

Jeder hat schon mal vor ihr gestanden, sie angestarrt - und auch angefeindet. Jetzt feiert sie ihren 150. Geburtstag: die Ampel. Obwohl wir so oft vor ihr stehen, wissen wir doch so wenig über sie.

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BdTD Deutschland Ampel-Elvis
Hommage an Elvis Presley: Er war von Oktober 1958 bis März 1960 als Soldat mit den US-Streitkräften in Friedberg. Die Stadt erinnert unter anderem mit ihren Ampeln an ihnBild: picture-alliance/dpa/F. Rumpenhorst

"Bloß eine weitere Erfindung, um uns Taxifahrer fertig zu machen" - dieser Ausspruch könnte sich auf eine der vielen neuen Taxi-Apps beziehen und aus diesem Jahr stammen. Doch er ist fast 150 Jahre alt und bezieht sich auf eine Ampel, genauer gesagt die erste Ampel der Welt.

Und er zeigt, dass Taxifahrer schon damals Probleme mit einigen neuen Entwicklungen hatten. Heute regen sie sich über Taxi-Apps und digitale Unternehmen wie Uber auf, die Mietwagen mit Fahrer vermitteln. Vor 150 Jahren machte die erste Ampel der Welt ihnen zu schaffen. Der Ausspruch stammt übrigens von einem Fahrer, der damals in London mit seiner Kutsche Fahrgäste beförderte.

Ein britisches Vermächtnis

BG Die Ampel wird 150 Jahre alt | Die Ampel wird 150 Jahre alt
Heute erinnert eine grüne Plakette an die erste AmpelBild: picture-alliance/dpa/C. Neumeyer

Aber der Reihe nach. Die Abgeordneten in London kamen nicht schnell und sicher genug über die Straße ins Parlament. Es musste etwas passieren. Also stellt der damalige Chef von Scotland Yard die erste Ampel überhaupt auf, erfunden von John Peake Knight. Das war am 10. Dezember 1868. Die Ampel war rund sechs bis acht Meter hoch, gusseisern und gasbetrieben. Sie hatte zwei Arme - wie ein Polizist eben. Waren die Arme unten, durfte man los, waren sie ausgestreckt, musste man anhalten. Im Nachtbetrieb gab es für die bessere Sichtbarkeit eine Gaslaterne mit rotem und grünem Licht. 

Abgesehen vom Maulen der Taxi-Kutscher eine tolle Sache, könnte man meinen. Naja. Es lief soweit auch alles ganz gut, bis sie dann nach drei Wochen plötzlich explodierte. Eine defekte Gasleitung war die Ursache. Es gab nun mehrere Möglichkeiten, wie man darauf reagieren konnte. Man konnte versuchen, die Gasleitungen sicherer zu machen. Man konnte versuchen, eine Ampel ohne Gas zu entwickeln. Oder man konnte die Ampel einfach wieder abschalten und abschaffen. In London entschied man sich für letzteres. Daraufhin blieb London 50 Jahre ampelfrei.

"Grüne Welle"

BG Die Ampel wird 150 Jahre alt | Ampelturm mit Kabine auf dem Potsdamer Platz
Eine Straßenszene mit dem Ampelturm am Potsdamer Platz in Berlin in den 1930er JahrenBild: picture-alliance/dpa/Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin/Historisches Archiv

Die Zeit zog ins Land und die Autos starteten ihren Eroberungsfeldzug. Der Verkehr nahm zu. Und man musste etwas tun. Und so stellte man am 5. August 1914 in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio die erste elektrische Ampel der Welt auf. Zehn Jahre später kam die Ampel dann auch nach Deutschland.

Die erste wurde auf dem Potsdamer Platz in Berlin, dem damals verkehrsreichsten Platz Europas, aufgestellt. Sie hatte auf Grund ihrer Ausmaße und ihres Designs aber wenig Ähnlichkeit mit heutigen Ampeln. Acht Meter war sie hoch und fünfeckig. Ach ja, und ein Polizist saß auf ihr und steuerte sie.

Und auch hier sorgte sie für Skepsis. Diesmal regten sich primär nicht Taxi- oder Pferdedroschkenfahrer auf, sondern deren Kunden. Sie befürchteten, wegen der Haltezeiten würde der Fahrpreis teurer. Trotzdem starteten die Ampeln auch in Deutschland ihren Siegeszug, allerdings mit zeitlicher Verzögerung.

In Berlin gab es bald darauf die erste zentral gesteuerte Lichtsignalanlage. Allerdings stürzte diese technische Neuheit die Hauptstadt in ein riesiges Verkehrschaos, da alle Ampeln gleichzeitig umschalteten. Erst eine neue Ampelschaltung schaffte Abhilfe. Die "grüne Welle" war geboren: Bei "grün" zeigen mehrere Ampeln hintereinander grün an, so dass der Verkehr gut fließen konnte.

Und heute?

Bonn - Beethoven Ampel
Ludwig van Beethoven schaut die Verkehrsteilnehmer in Bonn anBild: Imago/Steinach

Nach dem Zweiten Weltkrieg blinkten auf Deutschlands Straßen dann auch immer öfter Ampeln. Trotzdem dauerte es, bis sie sich flächendeckend durchsetzten. So soll es beispielsweise im Landkreis Lüchow-Dannenberg bis 1982 keine einzige Ampel gegeben haben. Man brauchte sie einfach nicht. Die Aufsichtsbehörde soll dann aber Druck ausgeübt haben, so dass schließlich eine Ampel gebaut wurde. Wegen der Führerscheinanwärter brauche man eine Ampel, so die Begründung damals.

Erst in den 80er Jahren kamen in Deutschland dann auch Induktionsschleifen hinzu, die dazu führen, dass sich die Ampelschaltung dem Verkehr anpassen kann. Die Ampeln eroberten Deutschland im Sturm bis - ja, bis man merkte: Der Kreis ist heiß.

Der heißeste Trend in den Nachbarländern war schon seit einiger Zeit der Kreisverkehr, weil er zu flüssigerem Verkehr und oft zu weniger Unfällen führte. Er wurde dann vermehrt auch in Deutschland eingesetzt, so dass in den 1990er Jahren die "Amplifizierung" Deutschlands nachließ. Wo wenig Platz und viele Fußgänger sind, bleibt die Ampel aber nach wie vor das Mittel der Wahl.

BG Die Ampel wird 150 Jahre alt | Bergbau Ampelmännchen
Erinnerung an die goldene Kohlezeit im Ruhrgebiet: das Bergbau Ampelmännchen Bild: picture-alliance/dpa/C. Gateau

Zudem bietet die Ampel ja auch eine Möglichkeit, sich auszudrücken. Darum gibt es an einigen ausgewählten Orten Deutschlands Ampeln, auf denen nicht die Standardlichter mit roter, gelber und grüner Farbe für die Autofahrer und roten stehenden und grünen gehenden Männchen für Fußgänger installiert sind. Stattdessen gibt es beispielsweise in Bonn, der Geburtsstadt von Ludwig van Beethoven, Ampeln mit Beethoven-Konterfei, in Trier gibt es Karl Marx, in Frankfurt gleichgeschlechtliche Paare, in Mainz gibt es die "Mainzelmännchen", in Friedberg Elvis Presley, und jetzt gibt es neu in Duisburg Bergmänner mit Laterne - in Anlehnung an die Schließung der letzten Kohlezechen.

So geben Ampeln auch den Zeitgeist wieder und sind ein Ort der Erinnerung - und ja, auch ein Ort zum Fluchen und Aufregen. Denn statistisch gesehen verbringt jeder Deutsche im Laufe seines Lebens rund zwei Wochen mit dem Warten an einer roten Ampel.