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Politik

Weltpolizei-Anwärter

28. Dezember 2018

US-Präsident Trump hat gesagt, die USA würden nicht länger den Weltpolizisten spielen. Doch niemand kann Washington ersetzen, auch nicht die EU, meint DW-Redakteur Christoph Hasselbach.

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USA Trump l USA nicht länger Weltpolizist - Filmstill mit Lee Ermey
Bild: picture-alliance/Zumapress/New Line Cinema

Das Wort Weltpolizist löst negative Reaktionen aus, auch wenn kaum jemand bestreitet, dass Polizisten gebraucht werden. Das liegt wohl daran, dass sich kein Land je um den Posten des Weltpolizisten beworben hat und von einer Mehrheit gewählt wurde. Wie andere Staaten vor ihr haben die USA einfach selbst die Rolle einer globalen Ordnungsmacht übernommen und sie im eigenen Interesse gespielt.

Sollten sich die Amerikaner nach Jahrzehnten tatsächlich von dieser selbstgestellten Aufgabe zurückziehen, stellt sich die Frage der Nachfolge. Eine naheliegende Antwort lautet: Wenn schon Weltpolizist, dann sollten die Vereinten Nationen für Ordnung sorgen. Doch so wenig das in der Vergangenheit funktioniert hat, wird es in Zukunft funktionieren. Uneinigkeit und Interessensgegensätze ihrer fast 200 Mitglieder haben solche Kollektivlösungen be- und häufig verhindert. Es waren in aller Regel mächtige Einzelstaaten, die der Welt ihren Stempel aufgedrückt haben, im Guten wie im Schlechten.

Deshalb wird der Posten des Weltpolizisten aber auch nicht vakant bleiben, was an sich eine schöne Vorstellung wäre. Jedes Vakuum füllt sich, sobald es entsteht. Ziehen sich die USA zurück, stoßen andere in die Lücke. Man sieht es schon jetzt in Syrien: Russland, die Türkei und der Iran werden dort die Nachkriegsordnung bestimmen. In Asien wird vor allem China seinen Einfluss ausdehnen. Die Europäer mögen über die oft anmaßende, manchmal auch naive weltpolitische Rolle der Amerikaner gestöhnt haben. Aber die Aussicht, es in Zukunft mit China, Russland oder der Türkei als Polizisten zu tun zu haben, bedeutet keine Verbesserung.

In Deutschland fehlen die Voraussetzungen

Doch wie steht es um die Europäer selbst, um ihre Eignung und ihren Willen zur Ordnungsmacht? Weltpolizisten wollen sie nicht sein. Aber "mehr Verantwortung übernehmen" ist zu einem populären Slogan geworden, besonders in Deutschland, dem die Amerikaner seit langem vorwerfen, Trittbrettfahrer zu sein. Die Tragweite von "mehr Verantwortung" ist allerdings nicht jedem klar.

Christoph Hasselbach
DW-Redakteur Christoph HasselbachBild: DW/M.Müller

Wer auch nur annähernd die bisherige Rolle der USA spielen will, müsste zum Beispiel deutlich höhere Militärausgaben akzeptieren, Geld, das woanders fehlen würde. Er müsste bereit sein, die eigenen Soldaten zu Kampfeinsätzen überall auf der Erde zu schicken und die erwartbaren Opfer hinzunehmen. Er müsste es ertragen, in vielen Teilen der Welt Feindbild zu sein. Er müsste auch ein Stück weit vom globalen Vorbildcharakter der eigenen Ordnung überzeugt sein und versuchen, diese durchzusetzen. In Deutschland jedenfalls wird keine dieser politisch-gesellschaftlichen Voraussetzungen erfüllt.

Die EU als Weltpolizist: reines Wunschdenken

Bleibt der Gedanke, die Europäische Union als Ganze könne die Aufgabe übernehmen. Als Bündnis demokratischer Staaten mit viel wirtschaftlichem und militärischem Gewicht, dazu mit einer Menge "soft power", wäre sie theoretisch dafür wie geschaffen. Aber eben nur theoretisch. Wenn die EU als Ordnungsmacht gefordert ist, sind es einzelne Länder, die in die Bresche springen, meist die früheren Großmächte Großbritannien und Frankreich. Großbritannien tritt bald aus der EU aus. Doch schon Frankreich und Deutschland sind zu unterschiedlich, um ein gutes Polizistenpaar abzugeben, wie sich etwa bei der Frage von Militäreinsätzen in Libyen oder Syrien gezeigt hat. Eine weltweit ordnende EU der 27 wiederum ist reines Wunschdenken.

Was sich stattdessen abzeichnet, ist eine Vielfalt regionaler Machtzentren und, je nach Krise, wechselnder Kooperationen. Die Amerikaner werden dabei vielleicht nicht mehr die beherrschende, aber doch weiter eine sehr wichtige Rolle spielen. Die Europäer ihrerseits dürften auf absehbare Zeit über eine Regionalmacht ohne wirklichen militärischen Interventionswillen nicht hinauskommen. Gerade deswegen und weil sie letztlich die gleichen Werte teilen - das gerät im Moment in Vergessenheit -, sollten Europäer und Amerikaner aber weiter eine enge Verbindung in weltpolitischen Fragen suchen. Die USA sind mehr als Donald Trump. 

Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik