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Politik

Mehr NATO-Schiffe im Schwarzen Meer

Roman Goncharenko mo
28. Februar 2019

Die Nordatlantische Allianz verstärkt ihre Präsenz im Schwarzen Meer. Sie sendet damit Signale an Russland und an die Ukraine. Doch der Handlungsspielraum ist eingeschränkt - wegen eines fast 80 Jahre alten Vertrags.

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Donald Cook Zerstörer NATO Kriegsschiff
Bild: picture-alliance/dpa

Odessa grüßt die "Donald Cook". Der Zerstörer der US-Navy, der in Spanien stationiert und mit einem Raketenabwehrsystem ausgestattet ist, befindet sich inzwischen häufig im Schwarzen Meer. Im Januar weilte das Schiff in Batumi zu Übungen mit der georgischen Küstenwache. Jetzt liegt es im Hafen von Odessa. An Bord traf am 26. Februar der ukrainische Präsident Petro Poroschenko den US-Sonderbeauftragten für die Ukraine, Kurt Volker. Poroschenko sagte, das Treffen sei "symbolisch" und die Präsenz des Zerstörers in Odessa "ein wichtiges Signal an den Kreml", dass "die Krim ukrainisch ist" und dass "in der Region die freie Schifffahrt gewährleistet wird".

Ohne es groß an die Glocke zu hängen, aber unter genauer Beobachtung der russischen Schwarzmeerflotte, verstärkt die NATO ihre Präsenz im Schwarzen Meer. Gleichzeitig mit der USS Donald Cook hält sich in der Region die Standing NATO Response Force Mine Countermeasures Group 2 (SNMCMG 2) auf, unter Führung des deutschen Schiffes FSG Werra. Im Januar war das Landungsschiff USS Fort McHenry im Schwarzen Meer. Davor hielt sich im Dezember das britische Aufklärungsschiff HMS Echo in Odessa auf.

NATO reagiert auf Vorfall

Hintergrund sind die Vorfälle in der Straße von Kertsch Ende November. Russische Schiffe hatten vor der Küste der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim mit Waffengewalt zwei Boote und einen Schlepper der ukrainischen Marine beschlagnahmt. Deborah Sanders vom King's College in London sagte der DW, Europa habe "ziemlich langsam" auf den Vorfall in der Straße von Kertsch auf diplomatischem Wege reagiert. Daher habe man einen "eher militärischen" Ansatz gewählt, und zwar für eine verstärkte Präsenz von Schiffen. Die USA hätten dabei eine informelle Führungsrolle, so Sanders. Sie würden an Moskau das klare Signal senden, dass das Schwarze Meer kein russisches Gewässer ist. Die Expertin weist darauf hin, dass sich das Kräfteverhältnis im Schwarzen Meer zugunsten Russlands geändert und Kiew eine Blockade von Odessa fürchte, des wichtigsten Hafens des Landes, wo seit der Annexion der Krim auch die ukrainische Marine stationiert ist.

Konflikt zwischen Russland und der Ukraine
Bild aus einem Video der russischen Küstenwache. Ein russisches Schiff rammt ein ukrainisches in der Straße von Kertsch.Bild: picture-alliance/AP/Russia's Federal Security

Das NATO-Mitglied Türkei verhält sich mit seiner Flotte zurückhaltender. "Die Türkei muss ihre Kräfte auf das Schwarze und das Mittelmeer verteilen. Ankara hat entschieden, vor dem Hintergrund der Lage in Syrien und seiner sensiblen Energieabhängigkeit von Russland dem Schwarzen Meer keine Priorität einzuräumen", sagte Sanders. Außerdem, so die Expertin, bestehe angesichts der "Risse in den Beziehungen" zwischen den USA und der Türkei das Risiko einer "zunehmenden Entfremdung" im Verhältnis der Türkei zur NATO. Doch es gibt auch völlig entgegengesetzte Signale. Beispielsweise führte der Zerstörer USS Donald Cook Übungen mit einer türkischen Fregatte durch, bevor er nach Odessa kam.

Russland erhebt Anspruch

"Man kann schon sagen, dass das Schwarze Meer vor dem Hintergrund des russischen Verhaltens an Bedeutung gewonnen hat", sagte Hans-Joachim Stricker, Vizeadmiral a. D. der Deutschen Marine, der DW. Er war bis 2010 Befehlshaber der Flotte. Ihm zufolge hat Russland vermehrt deutlich gemacht, dass das Schwarze und Asowsche Meer für Moskau von besonderem Interesse sind und dass dort "niemand anderer herumfahren" solle. "Das ist ein Anspruch, den man überhaupt nicht akzeptieren kann", betonte Stricker.

Er erinnerte an den Begriff A2/AD (Anti Access/Area Denial). Hierbei handelt es sich um das Konzept, potenziellen Gegnern den Zugang zu einem bestimmten Gebiet durch die Erhöhung der eigenen militärischen Fähigkeiten zu verhindern. Gerade das hat Russland gemacht, indem es seine Gruppierung auf der Krim vergrößert und dort neue Raketen stationiert hat, darunter Lenkwaffen vom Typ "Kalibr". Stricker zufolge ist die verstärkte Präsenz von NATO-Schiffen im Schwarzen Meer ein "Gegensignal" zu Moskaus Anspruch.

Der Vertrag von Montreux

Mitte Februar erklärte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, das Bündnis ziehe eine "weitere Verstärkung" der Präsenz im Schwarzen Meer in Erwägung. Russische Politiker sprachen von einer "Provokation". Doch die Aktivitäten der NATO werden vom Vertrag von Montreux eingeschränkt. Das Meerengen-Abkommen aus dem Jahr 1936 gab der Türkei die volle Souveränität über den Bosporus zurück. Kriegsschiffe von Staaten, die nicht Anrainer des Schwarzen Meeres sind, dürfen sich nicht länger als 21 Tage im Schwarzen Meer aufhalten. Auch die Tonnage der Schiffe ist beschränkt.

"Wir meinen, dass die militärische Lage im Schwarzen Meer von der vor fast 100 Jahren weit entfernt ist, als der Vertrag unterzeichnet wurde", sagte der Ständige Vertreter der Ukraine bei der NATO, Wadym Prystajko. Er bedauert, dass wegen des Vertrags von Montreux große NATO-Schiffe wie das Flaggschiff der 6. US-Flotte Mount Whitney nur selten ins Schwarze Meer einlaufen können. Prystajko betonte, die Ukraine bitte ihre Partner als Reaktion auf den Vorfall in der Straße von Kertsch ihre Präsenz im Schwarzen Meer weiter zu verstärken. Das würde Russland zeigen, dass "Pläne, das Schwarze Meer zu erobern und die Ukraine von dort zu verdrängen, ganz zu schweigen vom Asowschen Meer, eine Reaktion der internationalen Gemeinschaft zur Folge haben wird", so Prystajko.