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Vergessen und verkannt: Frauen am Bauhaus

Sabine Oelze
12. April 2019

Mehr Frauen als Männer schrieben sich 1919 am Bauhaus in Weimar ein. Berühmt wurden die wenigsten. Eine Ausstellung in Köln erzählt die Geschichte von zwei Kölnerinnen, deren Schicksal exemplarisch ist.

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Frauen am Bauhaus: Gunta Stölzl und ihre Weberei-Klasse um 1927
Bild: picture-alliance/akg-images

"Wo Wolle ist, ist auch ein Weib, das webt, und sei es nur zum Zeitvertreib", dichtete der Maler Oskar Schlemmer, der ab 1920 am Bauhaus als Meister tätig war. Dieser herablassende Blick auf die Frau als minderwertiges künstlerisches Wesen am Bauhaus spiegelt sich auch in der von Johannes Itten überlieferten Bemerkung, dass Frauen nur "zweidimensional sehen" könnten und daher besser "in der Fläche arbeiten" sollten. Itten leitete den sogenannten Vorkurs, eine Art Eignungslehre, am Bauhaus, den alle Studierenden durchlaufen mussten.

Erst jetzt, 100 Jahre nach der Gründung der berühmten Schule für Gestaltung durch Walter Gropius in Weimar, tauchen die Bauhäuslerinnen an der Oberfläche der Geschichte auf. Mehrere Publikationen, alle von Frauen geschrieben, sind anlässlich des Jubiläums neu erschienen. Ursula Muscheler beschäftigt sich in "Mutter, Muse und Frau Bauhaus" mit der Rolle der Frauen um Walter Gropius. Jana Revedin und Theresa Enzensberger haben mit "Jeder hier nennt mich Frau Bauhaus" und "Blaupause" Romane über Bauhaus-Frauen geschrieben. 

Museen zeigen Ausstellungen von Bauhaus-Frauen

Das Programm des Staatlichen Bauhauses versprach 1919 eine moderne Ausbildung für Begabte, unabhängig von Alter und Geschlecht. Im Sommersemester 1919 schrieben sich vierundachtzig weibliche und neunundsiebzig männliche Studierende am Bauhaus in Weimar ein. Gleich mehrere Ausstellungen zeigen nun erstmals die Werke von Frauen: "4 Bauhausmädels" heißt eine von ihnen in Erfurt, die Tate Gallery in London und die Kunstsammlung K20 in Düsseldorf haben die Malerin Anni Albers mit einer Retrospektive geehrt.

Die Kölner Ausstellung "2 von 14" im Museum für Angewandte Kunst beleuchtet nun exemplarisch den Werdegang zweier Kölnerinnen. Wahrscheinlich mussten die Eltern von Margarete Heymann für die damals 19-Jährige eine Einverständniserklärung unterzeichnen, als sie sich in Weimar einschrieb. Während des obligatorischen Vorkurses bei Johannes Itten absolvierte die Kölnerin ein halbes Jahr in der Keramikwerkstatt. Zur Probe.

Schicksal der Margarete Heymann

Der Meister der Keramikwerkstatt, Gerhard Marcks, sowie sein Werkmeister Max Krehan müssen der ehrgeizigen und talentierten Frau dort das Leben schwer gemacht haben – allein aus dem Grund, dass sie eine Frau war. Die Keramikwerkstatt in Dornburg war ein reiner Männerclub und damit das so bleiben konnte, wurde Margarete Heymann nach ihrer Probezeit bescheinigt, sie sei zwar "künstlerisch begabt, aber nicht für die Werkstatt geeignet". Heute würde man so etwas als "Mobbing" bezeichnen, sagt Kuratorin Romana Rebbelmund.

Margarete Heymann-Loebenstein im Porträt fotografiert
Marianne Heymann-Loebenstein um 1925Bild: Gemeinfrei

Margarete Heymann schloss ihre Ausbildung am Bauhaus nicht ab und gehört damit zu den vielen Frauen, die ihr Studium in Weimar bzw. Dessau nicht zu Ende brachten. Nur 36 Frauen der insgesamt 186 Absolventen hätten überhaupt einen Abschluss gemacht, erzählt Rebbelmund. Die meisten waren in der Weberei untergekommen, die man auch damals despektierlich "Frauen-Klasse" nannte.

Margarete Heymann stellte ihre Keramik in Serie her

Dass Margarete Heymann nicht nur künstlerisch begabt, sondern außerdem auch noch den unternehmerischen Geist des Bauhauses verstanden hatte, zeigt der Weg, den sie nach ihrem nicht ganz freiwilligen Abschied aus Weimar einschlägt. Sie heiratet 1923 – in der Zwischenzeit stellte sie bereits erste Keramiken am Kunstgewerbemuseum Köln aus – den Ökonomen Gustav Loebenstein. Mit ihrem Gatten gründet sie in Marwitz in Brandenburg die berühmten Haël-Werkstätten, wo sie Keramiken in Serie herstellt. Alle Entwürfe, die damals schon halbindustriell produziert wurden, stammen allein aus ihrer Hand. Die Dekore ihrer Service wurden von sogenannten Malmädchen wie am Fließband aufgetragen. Die Materialien wurden teils in fertige Formen gegossen. Mit diesen modernen Produktionswegen überholte sie das Bauhaus, das damals noch davon träumte, die Entwürfe in größeren Auflagen herzustellen.

Fruchtschale von Margarete Heymann-Löbenstein in der Kölner Ausstellung „2 von 14“ im Museum für Angewandte Kunst
Fruchtschale aus den Haël-Werkstätten in Marwitz um 1930Bild: MAKK

Inspirationen holte sie bei Kandinsky

Margarete Heymann ließ sich von Wassily Kandinskys Formensprache inspirieren: Kreise, Linien, leere Flächen, mit feinem Pinsel aufgetragen, prägen das Dekor. Jedes Stück ist ein Unikat. Ihre Devise lautete: ein Dekor für alles. Egal ob Aschenbecher oder Teetasse, wer wollte, konnte sich im Heymann-Stil einrichten. Mit ihrem Scheibenhenkelservice, das durch einen konischen Körper und die markanten Scheiben als Henkel in vielen Museen zu finden ist, erlangte sie schließlich Berühmtheit. "Meistens wurde es nicht benutzt", sagt Romana Rebbelmund, "es war einfach unhandlich". Für die Kuratorin ist das zugleich ein Glücksfall, weil es in einem "außergewöhnlich guten Erhaltenszustand" sei.

Tête-à-Tête Mokkaservice aus den Haël-Werkstätten in Marwitz in der Kölner Ausstellung „2 von 14“ im Museum für Angewandte Kunst
Tête-à-Tête Mokkaservice aus den Haël-Werkstätten in Marwitz um 1929Bild: RBA Köln/Marion Mennicken

In einem zweiten Teil beleuchtet die Ausstellung die Geschichte von Marianne Heymann. Die ebenfalls aus Köln abstammende Cousine von Margarete probierte ebenfalls ihr Glück am Bauhaus und schrieb sich 1923 in Weimar ein. Nach dem Vorkurs gelingt ihr 1924 die Aufnahme in die Bauhaus-Werkstatt für Holzbildhauerei und Bühnenkunst unter der Leitung von Formmeister Oskar Schlemmer.

Karriere am Theater

Auch von ihm ist überliefert, dass er der Meinung war, Schöpfertum sei generell männlich. Marianne Heymann verließ das Bauhaus nach der Übersiedlung nach Dessau im Jahr 1925, weil die Holzbildhauerei geschlossen wurde. Sie kam nach Köln zurück, wo sie sich besonders für die Bühnenkunst unter anderem an der Oper Köln engagierte. In Zusammenarbeit mit dem Puppenspieler Jupp Herzog, der an der Kölner Universität bei dem Theaterwissenschaftler Carl Niessen (1890–1969) studiert hatte, schnitzte Marianne Heymann über 100 Handpuppen. Die drei Puppen aus dem Münchner Stadtmuseum sind bislang die einzig bekannten und erhaltenen Exemplare aus diesem Kontext.

Mit dem Erstarken des Nationalsozialismus in Deutschland ist es den Cousinen nicht möglich, weiter zu arbeiten. Marianne fällt durch Provokationen mit einer Hakenkreuz-Figurine sowie einem Hitler-Hampelmann in Ungnade. Ihre Cousine Margarete Heymann war nach 1933 gezwungen, ihren Betrieb in Marwitz unter Wert zu verkaufen. Die Jüdin emigrierte 1936 nach Großbritannien und gründete in London nochmals eine Firma, die "Greta Pottery". Das 100jährige Jubiläum bringt – wenn auch spät -  das Wirken dieser bedeutenden Künstlerinnen ans Licht.

Sabine Oelze Redakteurin und Autorin in der Kulturredaktion