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Politik

Kopftuchstreit an der Uni? Unbedingt!

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp
28. April 2019

In Frankfurt fordern Studenten die Entlassung der Ethnologin Susanne Schröter, weil diese "rassistisch" sei. Solchen Kampagnen gilt es entgegenzutreten, meint Kersten Knipp. Sie zerstören den Geist der Universität.

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Deutschland Bildung l Eine Schülerin mit Kopftuch
Bild: picture alliance/dpa/F. Rumpenhorst

Kürzer, verächtlicher, brutaler lassen sich Forderungen nicht auf den Punkt bringen: "Schröter raus". Zwei Sätze, eine eindeutige Forderung. Und ihre kurze Begründung: "Kein Platz für Rassisten!", wahlweise: "Null Toleranz für Rassisten". Darum also: "Schröter raus."

Es mag an den sozialen Netzwerken und ihrer Tendenz zu prägnanten Formeln liegen, der sich einige junge Studierende der Frankfurter Goethe-Universität mit ihrer Rausschmiss-Forderung gebeugt haben. Ihrem akademischen Status nach hätten sie sich der Einladung zur Kürze allerdings verweigern müssen. Das Urteil "Rassismus" fällt man nicht eben einfach mal auf einem Stück Papier, mit dem man sich ablichten lässt. Auch die Forderung wie "Schröter raus" ist viel zu weitreichend, um sie auf einem DINA-4-Blatt zu erheben. Wer dergleichen tut, lässt nicht nur zivile Umgangsformen vermissen. Er dokumentiert auch, dass er vom Geist der Universität nicht ansatzweise etwas verstanden hat.

Die Massivität des Angriffs, der Willen der Protestierenden zur absoluten, unversöhnlichen Eskalation ist ohnehin verstörend. Noch verstörender wirkt er, wenn er auf einem Campus erhoben wird - an eben jenem Ort, an dem das einerseits freie, zum anderen aber auch begründete Wort seinen vornehmsten Schutzraum hat.

Das Argument als Prinzip

An einer Universität darf alles gesagt werden - vorausgesetzt, es findet in ziviler Form und als Austausch von Argumenten statt. Wer etwas behauptet, muss es begründen. An beidem fehlt es den Studenten, die Susanne Schröter attackieren. Ihre Maximal-Eskalation bleibt jede Rechtfertigung schuldig.

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DW-Autor Kersten KnippBild: W. Knipp

Irritierend ist der Anlass: eine Konferenz zum Kopftuch. "Symbol der Würde oder der Unterdrückung" ist sie überschrieben und eröffnet schon im Titel jenen Anspruch, dem sich Universitäten zu stellen haben und aus dem sie ihre vornehmste Legitimität beziehen: Stätten des Austauschs und der allein dem besseren Argumenten verpflichteten Diskussion zu sein. Vorhalten kann man Susanne Schröter allerdings mit Blick auf die Teilnehmer einen tendenziösen Einschlag: Vier der eingeladenen Diskutanten sind als entschiedene und zum Teil provokante Kritiker des Kopftuchs bekannt. Zur Verteidigung treten aller Voraussicht nach nur zwei der Eingeladenen an. Durch eine ausgeglichenere Auswahl hätte Schröter den Kritikern von vornherein einigen Wind aus den Segeln nehmen können.

Semantik des Kopftuchs

Es stimmt ja: Kopftuchträgerinnen haben derzeit einen im Zweifel schweren Stand: Sie tragen ein Kleidungsstück, das umstritten ist wie kein anderes sonst. Es ist umstritten, weil es so vielfältig ausdeutbar ist: Es kann - um nur ein paar Beispiele zu nennen - ein Bekenntnis zur Tradition sein, eine hübsche Geste persönlicher Bescheidenheit, es kann den Willen ausdrücken, in erster Linie als Mensch und nicht als Frau wahrgenommen zu werden. Allesamt respektable Gründe.

Aber darin erschöpft sich die Bedeutung des Kopftuchs nicht. Es ist eben auch das Identitätszeichen totalitärer Regime wie des Iran oder Saudi-Arabiens, in denen Zwang zum Kopftuch herrscht, mit fatalen Folgen bei Zuwiderhandlung. Das Kopftuch ist kein rein persönliches Accessoire. Es ist auch ein politisches Symbol. Damit ist es legitim, es konträr zu diskutieren.

Diese Diskussion mit dem Hinweis unterbinden zu wollen, die Entscheidung für oder gegen ein Kopftuch sei eine rein private Angelegenheit, greift angesichts der aufgeladenen Symbolik um das Kopftuch um ein Vielfaches zu kurz. Vor allem ist ein solcher Versuch ein massiver Angriff auf die Universität. Denn diese ist keine Bekenntnisgemeinschaft. Sie ist ein Ort des - zivil ausgetragenen - Streits auf Grundlage von Argumenten. Für alle, die sie betreten, heißt das, sie müssen auch Argumente zur Kenntnis nehmen, die ihnen nicht behagen. Alles andere wäre das Ende der Universität. Wer dort etwas anderes verlangt oder gar gegen ihm nicht genehme Personen vorgeht, ist am falschen Ort.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika