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E-Zigaretten: Das kleinere Übel?

31. Mai 2019

Rauchen ist out, Dampfen ist in. Beides ist nicht gesund, aber was ist besser? Anhänger der angesagten Qualm-Alternativen verweisen auf die positiven Effekte gegenüber herkömmlichen Tabakzigaretten. Zu Recht?

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Wettbewerb Cloud chasing in Mexico Stadt
Bild: Reuters/V. R. Garcia

Am besten sollte man weder Dampfen noch Rauchen. Zumindest darin sind sich die meisten einig. Allerdings sorgen Berichte über fehlende Langzeitstudien und mögliche Gesundheitsrisiken in den Sozialen Netzwerken häufig für sehr angeregte Diskussionen. Anhänger des elektrischen Rauches verweisen auf Vorteile gegenüber dem Tabak-Konsum.

Stellen die Medien - stellen auch wir bei DW Wissenschaft - die E-Zigaretten und Verdampfer zu negativ dar? Welche Vorteile bringen die elektrischen Qualm-Alternativen im direkten Vergleich mit herkömmlichen Tabak-Zigaretten?

1. E-Zigaretten können bei der Raucherentwöhnung helfen

Während sich die Weltgesundheitsorganisation nach wie vor kritisch bis ablehnend gegenüber der E-Zigarette äußert, wird der Umstieg von Tabak- auf E-Zigaretten von der britischen Regierung aktiv als Mittel der Raucherentwöhnung (harm reduction) gefördert. 

Expertengespräch E-Zigaretten

Britische Mediziner des Royal College of Physician and Public Health England hatten 2016 in dem Artikel "Nicotine without smoke: tobacco harm reduction" auf positive Effekte gegenüber dem Tabak-Konsum hingewiesen. Diese britische Einschätzung wurde in vielen EU-Staaten zunächst kritisch gesehen, weil valide Daten aus Langzeitstudien fehlten.

Eindeutigere Zahlen präsentiert der Verband des E-Zigarettenhandels in Deutschland, also die Lobbyisten der E-Zigarette: "91 Prozent aller E-Zigarettennutzer sind ehemalige Tabakraucher. Acht Prozent nutzen sowohl die E-Zigarette als auch die Tabakzigarette und fallen damit in die Kategorie `Dual-User´. Nur ein Prozent der Befragten sind Neueinsteiger, die vorher nicht geraucht haben."

Mittlerweile verlautet auch vom Bundesgesundheitsministerium, für abhängige und/oder starke Rauchende könne "der Umstieg auf E-Zigaretten eine unter Harm-Reduktion Gesichtspunkten gesündere Alternative darstellen, zumal dann, wenn Rauchende nicht nikotinabstinent leben wollen und eine Alternative zum Tabakkonsum suchen".

2. E-Zigaretten sind weniger schädlich als Tabak-Zigaretten, aber…

Beim Verbrennungsprozess von Tabak-Zigaretten entstehen tausende Substanzen, von denen mehrere hundert als toxisch bis hin zu krebserregend gelten. Da die E-Zigarette ohne die Verbrennung von Tabak auskommt, kommen "charakteristische krebserzeugende Verbrennungsprodukte" bei E-Zigaretten nicht vor, schreibt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)

E-Zigaretten-Raucher atmen keinen Teer mehr ein, haben oftmals weniger Hals-oder Rachen-Entzündungen als Tabak-Raucher, sie husten weniger, fühlen sich oftmals wieder fitter und ihr Geschmackssinn wird wieder besser. Verzichtet der Raucher auf Nikotin, reduziert sich das Suchtverlangen schlagartig. 

Raucherin mit E-Zigarette in Malaysia
Weniger schädlich, aber nicht gesund. Vor allem die Langzeitfolgen sind unbekannt.Bild: Getty Images/AFP/M. Rasfan

Allerdings gelangen feinste Partikel mit dem Dampf tief in die Lunge und lagern sich dort ab. Die Folgen können Husten, Entzündungen und eine verringerte Lungenfunktion sein. Einige Aromen können Allergien oder schwere Atemwegserkrankungen auslösen.

Die Liguide - also die Verdampferflüssigkeiten - enthalten Schadstoffe, die für zahlreiche (Folge-) Erkrankungen verantwortlich gemacht werden. Sie bestehen vor allem aus Propylenglykol. Den kennt man vom Theaternebel. Es kann Augen- und Atemwegsirritationen auslösen. Beim Erhitzen der Liquids entstehen Acetaldehyd und Formaldehyd, die ebenfalls die Atemwege schädigen, die Haut- und Schleimhäute reizen und die als krebserregend gelten. 

Werden zum Beispiel drei Milliliter Liquid erhitzt, so entstehen rund 14 Milligramm Formaldehyd. Dies ist etwa 5 bis 15 mal so viel, wie man beim Rauchen von 20 Tabakzigaretten einatmen würde. Und je heißer die E-Zigarette ist, desto höher ist auch die Dosis an schädlichen Stoffen.

3. E-Zigaretten-Raucher haben eine größere Auswahl

Zwar umfasst auch das klassische Tabakwaren‐Sortiment zahlreiche Geschmacksrichtungen und Spielarten, aber noch umfangreicher ist wohl das Angebot an geregelten und ungeregelten E-Zigaretten, Depot- und Tank-Systemen sowie Einweg- und Mehrwegprodukten sowie an zahllosen Liquiden und Aromen, mit denen die E-Zigarette je nach Geschmack befüllt wird. 

Verschiedene E-Zigaretten
E-Zigaretten sollen als harmloses Lifestyle-Produkt vermarktet werden, um das Rauchen wieder salonfähig zu machen. Bild: Reuters/C.Platiau

Die riesige Auswahl ist allerdings gleichzeitig ein großes Problem, denn oftmals ist über die Inhaltsstoffe und deren Auswirkungen auf längere Sicht wenig bekannt. Die verheerenden gesundheitlichen Schäden durch den Tabak-Konsum wurden auch erst im Laufe der Zeit deutlich.

4. E-Zigaretten-Konsum stört weniger die Umgebung

Für Nichtraucher sind die aromatisieren Schwaden aus E-Zigaretten oder Verdampfern nach wie vor eine Zumutung. Wenn man etwa im Cafe sitzt und von einer klebrig-süßen Erdbeer-Wolke vom weiter entfernten Tisch eingehüllt wird. Ekelhaft!

Zumindest aber ist das Passivrauchen nicht mehr so gesundheitsschädlich wie wenn man Tabakrauch ausgesetzt ist.


Laut Deutschem Krebsforschungszentrum (DKFZ) verursacht Passivrauchen bei jungen Frauen Brustkrebs, Atemwegserkrankungen und Asthmaanfälle. Kinder rauchender Eltern leiden häufiger unter akuten und chronischen Atemwegserkrankungen und sie haben häufiger Mittelohrentzündungen als Kinder nicht rauchender Eltern.

E-Zigaretten-Verbotsschild
Natürlich ist es am besten für deine Gesundheit, weder zu Dampfen noch zu Rauchen. Bild: picture-alliance/dpa

Jährlich sterben in Deutschland rund 2150 Menschen an durch Passivrauchen bedingter koronarer Herzkrankheit und über 770 Nichtraucher sterben an einem durch Passivrauch bedingten Schlaganfall, so das DKFZ.

Bei E-Zigaretten gibt es dieses Passivrauchen nicht. E-Raucher haben nicht mehr den typischen Mundgeruch, ihre Zähne, Finger oder Bärte sind nicht mehr gelb, und ihre Kleidung stinkt nicht mehr nach Tabak-Rauch sondern riecht zum Beispiel nach Erdbeere.

5. E-Zigaretten erzeugen weniger Müll

Bei der Verschmutzung der Weltmeere denken wir zunächst an Plastikmüll, aber zahlenmäßig sind Zigarettenstummel das größte Problem. Laut einer Studie der Justus-Liebig-Universität Gießen werden von den jährlich 5,6 Billionen gerauchten Zigaretten 4,5 Billionen unsachgemäß entsorgt. 

Müll am Strand von Barcelona
Zigarettenstummel sind biologisch nicht abbaubar, da sie Giftstoffe und Schwermetalle enthaltenBild: picture alliance/dpa

Diese Zigarettenstummel sind nicht nur hässlich, sondern vor allem schädlich für die Umwelt, denn sie enthalten Giftstoffe und Schwermetalle. Zigarettenstummel sind nicht biologisch abbaubar und besonders in Salzwasser kann der Zersetzungsprozess Jahrhunderte dauern.

E-Zigaretten hinterlassen zwar keine Stummel, aber auch E-Zigaretten darf man nicht einfach in den Hausmüll werfen. Sie sind - vor allem ihr Akku - Elektronikschrott, der entsprechend fachgerecht entsorgt werden muss. In den Geräten sind zudem wertvolle Rohstoffe enthalten, die recycelt werden können.

6. Die schnelle E-Zigarette für Zwischendurch

"Auf eine Zigarette" - das ist weltweit der Begriff für einen kurzen Zeitraum, bei dem die genaue Minutenzahl nicht wirklich eine Rolle spielt. Der Zeitraum reicht jedenfalls, um Entscheidendes zu besprechen, um kurz mal abzuschalten oder um Nichtiges zu vergessen. Jahrelang traf sich etwa der ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo auf eine Zigarette mit Alt-Kanzler Helmut Schmidt, um über das Weltgeschehen zu diskutieren.

Bei Tabak-Zigaretten ist vor allem der erste Zug der Entscheidende. Der "Nikotin-Flash" knallt in die Lunge, das leichte Kratzgefühl im Hals - der sogenannte "Throat Hit" - packt einen, gleichzeitig stellt sich eine gewisse Entspannung ein. All das macht für Tabak-Raucher den eigentlichen Genuss aus. Entscheidend aber ist der erste Zug; nach ein paar weiteren Zügen geht es eher darum, die Kippe aufzurauchen.

Diese Knallmomente fehlen bei den E-Zigaretten oftmals, aber dafür kann der elektrische Raucher mal eben kurz eine rauchen, etwa im Auto oder an Orten, die eine Tabak-Zigarette für Stunden verpesten würde.

7. Weniger Brände durch E-Zigaretten

Die Europäische Kommission teilte 2011 mit, dass unbeaufsichtigt brennende Zigaretten in Europa zu den Hauptursachen für Brände mit Todesfolge gehören. Demnach ereigneten sich in der EU jährlich über 30 000 Brände, die durch Zigaretten verursacht werden; dabei starben mehr als 1 000 Menschen und mehr als 4 000 wurden verletzt.

Waldbrände in Sükorea
Eine weggeworfene Zigarette reicht schon, um ein Inferno auszulösenBild: Reuters/Yonhap

Nicht nur Häuser oder Wohnungen gingen in Flammen auf, ganze Wälder und Ortschaften brannten ab, weil Zigarettenstummel unachtsam aus fahrenden Autos, Zügen oder sonstwie weggeworfen wurden.

Um diese Bände zu reduzieren, führte die Europäische Kommission das sogenannten RIP-Verfahrens (Reduced Ignition Propensity", etwa: verminderte Zündneigung) ein. Im Zigarettenpapier befinden sich jetzt an zwei Stellen dickere Papierringe. Wenn man nicht an der Zigarette zieht, erlischt sie an den Ringen mangels ausreichender Sauerstoffzufuhr. Dieses Verfahren gab es damals bereits in den USA, Kanada und Australien.

8. E-Zigarrenrauchen ist billiger

Entscheidend für die Berechnung ist natürlich das jeweilige Nutzungsverhalten. Ein starker Tabak-Raucher raucht ca. eine Schachtel am Tag, die kostet zwischen fünf und sieben Euro, das heißt im Monat gibt er zwischen 150 und 220 Euro fürs Rauchen aus.

Selbst ein passionierter Dauer-Dampfer, der sich hin und wieder andere Liquids, einen neue Verdampferkopf oder auch ein neues Gerät kauft, gibt aufs Jahr gerechnet nicht so viel aus. Der Anschaffungspreis für die E-Zigarette liegt durchschnittlich bei etwa 50 Euro. Ein Liquid-Fläschchen mit 10 Milliliter Inhalt kostet je nach Marke nur einige Euro. Den Strom für die Akkus kann man vernachlässigen. Zwar kann auch beim E-Zigaretten-Rauchen ein stattliches Sümmchen zusammenkommen, aber Tabak-Rauchen ist eindeutig teurer. 

Mehr dazu: Keine europaweite Steuer für E-Zigaretten

9. E-Zigaretten sind keine Einstiegsdroge in den Tabakkonsum

Der "Gateway-Hypothese" zufolge verführt der Konsum von E-Zigaretten Jugendliche zum Rauchen von herkömmlichen Tabak-Zigaretten. E-Zigaretten seien demnach eine Art Einstiegsdroge.

Die Tabakindustrie versuche die E-Zigarette als Lifestyle-Produkt mit vermeintlich harmlosen Aromen zu vermarkten und das Rauchen durch Alternativen zu herkömmlichen Zigaretten wieder salonfähig zu machen. Entsprechend müssten sie verboten oder streng reguliert werden, meint Vera Luiza da Costa e Silva, die Vorsitzende des Sekretariats der Anti-Tabak-Konvention der Weltgesundheitsorganisation.

Auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) vertritt die Auffassung, dass "der Konsum von E-Zigaretten Jugendliche zum Experimentieren mit Tabakzigaretten anregen" könne.

Das Bundesgesundheitsministerium kommt dagegen zu einem anderen Schluss: "Die Befürchtung, dass Jugendliche durch einen Probierkonsum von nikotinhaltigen E-Zigaretten zum Rauchen von Tabakprodukten verführt werden, lässt sich durch diese Befragungsdaten nicht bestätigen."

Es sei auch keine steigende Akzeptanz für das Rauchen zu beobachten: "Für Deutschland ist der Anteil der jugendlichen Rauchenden in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken, ungeachtet eines steigenden Probierkonsums von E-Zigaretten."

Die E-Zigaretten-Branche jedenfalls rechnet weiter mit kräftigen Wachstumszahlen: Die Prognose des Branchenverbands "Bündnis für Tabakfreien Genuss" (BfTG) sieht für 2019 einen Zuwachs von mindestens 25 Prozent auf rund 500 Millionen Euro.

Allerdings befürchtet die Branche "eine mögliche Besteuerung und ein politisch diskutiertes Werbeverbot - analog zur Tabak-Zigarette. Die E-Zigarette wird auf diese Weise politisch ausgebremst, statt - wie etwa in Großbritannien - aktiv gefördert."

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund