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Politik

Hoffnung für Demokratie in Kasachstan?

Emily Sherwin fab
9. Juni 2019

Es ist schon ein bisschen Aufregung im Spiel bei dieser Präsidentschaftswahl - der ersten ohne Langzeitpräsident Nasarbajew. Doch die Erwartungen der Opposition sind noch gering. Emily Sherwin berichtet aus Almaty.

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Kasachstan Wahlen Kassym-Jomart Tokayev und Nursultan Nasarbajew
Der Altpräsident und sein Nachfolger: Nursultan Nasarbajew (l.) und Kassym-Schomart TokajewBild: picture-alliance/AP Photo

Asya Tulesowa beugt sich über einen großen Kasten im Zentrum von Almaty, der größten Stadt Kasachstans. Sie tauscht den Filter in einem Gerät aus, das die Luftqualität misst. Tulesowa ist eine sehr bekannte Öko-Aktivistin in dem zentralasiatischen Land. Inzwischen ist sie aber auch das Gesicht der Oppositionsbewegung.

"Jeder Versuch der Meinungsäußerung wird in Kasachstan unterdrückt - durch Verhaftungen und Geldstrafen. Und viele Aktivisten werden gezwungen, in der Armee zu dienen", sagt Tulesowa. Kürzlich sei ein Aktivist sogar verhaftet worden, weil er ein leeres Plakat gezeigt habe. Sie erklärt, dass die Ökobewegung neben Kunstprojekten und Social-Media-Kampagnen der einzig verbliebene Weg für Aktivisten sei, sich für Bürgerrechte einzusetzen. "Es gibt keine politische Freiheit in Kasachstan", sagt Tulesowa.

Kazakhstan Opposition
Aktivistin an mehreren Fronten: Asya TulesowaBild: DW/E. Sherwin

Eine kleine Protestbewegung

Tulesowa hat dies am eigenen Leib erfahren. Ende April wurde sie zusammen mit anderen Aktivisten 15 Tage inhaftiert, weil sie Plakate während eines Marathonlaufs in Almaty hochgehalten haben. Darauf stand: "Du kannst nicht vor der Wahrheit davonlaufen", darunter Hashtags, mit denen für freie und faire Wahlen geworben wurde. Die Behörden bezeichneten dies als nicht genehmigte Kundgebung. Wenige Tage später fand eine seltene Demonstration des zivilen Unmuts statt, bei der einige hundert Menschen in den Städten Kasachstans sich gegen die "Diktatur" wandten und freie Wahlen forderten.

Nun finden an diesem Sonntag vorgezogene Wahlen statt, nachdem Nursultan Nasarbajew im März als Präsident zurückgetreten ist. Er war fast 30 Jahre im Amt. Als Interimspräsidenten bestimmte er seinen engen Weggefährten Kassym-Schomart Tokajew. Er war bereits einige Jahre Ministerpräsident und Außenminister. Die vorgezogene Präsidentschaftswahl solle - so sein Versprechen - "fair und transparent" sein. Seine sechs Herausforderer sind deutlich unbekannter im Land, daher wird erwartet, dass Tokajew die Wahl gewinnen wird.

Vorhersehbares Ergebnis?

In den Städten Kasachstans sind die Bushaltestellen mit Wahlplakaten und die Straßen mit Werbetafeln gepflastert. Tokajew wirbt schamlos mit einem Slogan, der ihn als natürlichen Nachfolger Nasarbajews präsentiert: "Kontinuität, Fairness, Fortschritt". "Seine Plakate sind überall", erzählt ein junges Paar der DW. "Du kommst aus Deinem Haus und seine Werbebanner sind da. Selbst Menschen, die ihn bisher nicht kannten, würden nun wissen, wer er ist". Wahrscheinlich würde "jedermann für Tokajew stimmen", so die beiden.

Aber auch Nasarbajew ist trotz seines Rücktritts omnipräsent. Viele Straßen in Kasachstan sind nach ihm benannt und die Hauptstadt Astana heißt seit Kurzem ihm zu Ehren Nur-Sultan. Werbevideos zeigen ihn umringt von seinen Anhängern, sein offizieller Titel ist "Führer der Nation". Und unabhängig vom Ausgang der Wahl wird der frühere Präsident weiter verantwortlich sein für den Nationalen Sicherheitsrat des Landes.

Kasachstan Wahlen Plakate
Sieben Kandidaten stellen sich zur Wahl. Wirklich gute Chancen hat nur einer...Bild: picture-alliance/dpa/M. Yegikov

Der Politikwissenschaftler Dimasch Alsanow erklärt, damit behalte Nasarbajew weiter "die Kontrolle über das Land". Es gebe weder unabhängige Parteien noch unabhängige Kandidaten bei dieser Wahl. "Alle sind unter der vollständigen Kontrolle der Regierung." Diese Wahlen seien eher eine administrative Aufgabe, die sich die Regierung selbst gestellt habe, so Alsanow. Er geht davon aus, dass die Behörden versuchen werden, ein hohes Wahlergebnis zur "Legitimation" zu erzielen.

Ein Hauch von Demokratie

Bislang gab es in Kasachstan keine einzige Wahl, die von internationalen Beobachtern als frei und fair bezeichnet wurde. Doch nun will man den Wählern offenbar zeigen, dass sie doch eine Wahl haben. Immerhin ist unter den Präsidentschaftskandidaten mit Danija Jespajewa erstmals eine Frau. Zudem ist seit zehn Jahren erstmals ein wahrhaft kritischer Politiker zugelassen.

Der erfahrene Oppositionspolitiker Amirschan Kosanow hat sich in seiner Wahlkampagne für politische Freiheit und gegen soziale Ungerechtigkeit und Korruption ausgesprochen. Er zeigte sich selbst überrascht, dass er zur Wahl zugelassen wurde. "Die Regierung will offenbar zeigen, dass sie kleine Schritte in Richtung Liberalisierung tut."

Treffen der kasachischen Opposition in Almaty
Mit Kampfgeist und Optimismus in die Wahl: Almirschan KosanowBild: DW/A. Weißkopf

Die Stimmung ändert sich

In seinem kleinen Wahlbüro in der Hauptstadt Nur-Sultan verteilt Kosanow Flyer an seine Unterstützer. Er sagt der DW, die Wahlkampagne sei eine gute Gelegenheit, um Kritik an der Regierung zu äußern und um die Stimmung im Volk zu erspüren. Kosanow hofft auf Protestwähler. In regelmäßigen Social-Media-Meetings mit Wählern habe er den Eindruck gewonnen, dass die Kasachen ihre Unzufriedenheit äußern möchten.

"Meine Chancen sind gut, weil die Menschen unzufrieden sind", so Kosanow. "Sie sehen, dass in anderen Ländern - auch in den früheren Sowjetstaaten - die Präsidenten gehen und andere kommen, und dass daran nichts Schlimmes ist. Das wollen die Menschen auch für Kasachstan." Nach einer Umfrage könnte Kosanow auf fast acht Prozent der Stimmen kommen - als Zweitplatzierter hinter Tokajew mit 73 Prozent.

Viele Oppositionsanhänger befürchten, dass am Wahltag nicht alles mit rechten Dingen zugehen könnte. Sie glauben, dass die Wahlbehörden Teil eines korrupten, von der Regierung kontrollierten Systems seien. Die Aktivistin Tulesova will die Wahl zusammen mit dem "Jugend Informationsservice Kasachstan" beobachten. Sie habe keine Erwartungen an die Wahlen, sagt sie. "Ich denke, unser System ist so, dass wir im Grunde schon jetzt sagen können, wer gewinnt." Dennoch hält sie es an einem solchen Tag für wichtig, politisch aktiv zu sein.

Mit Kunst für den Wandel