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Politik

G20: Streitbarer Trump dominiert den Gipfel

28. Juni 2019

Das Treffen der großen Industrie- und Schwellenländer hat begonnen. Es liegt viel Streit in der Luft, da vor allem die USA ausscheren. Die EU will mäßigen und eine "faire Ordnung" für die Welt. Aus Osaka Bernd Riegert.

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Japan G20 Gipfel Osaka
US-Präsident Trump (2.v.li.) brachte Tochter und Schwiegersohn mit, Japans Premier Abe (2.v.re.) lächeltBild: Reuters/K. Lamarque

Der Verkehr fließt in der Millionenstadt Osaka trotz der Sperrung einer wichtigen Autobahn. Sie wurde für die Wagenkolonnen der G20-Staaten und 10 Gastdelegationen reserviert, die sich vom Flughafen und Luxushotels zum Gipfelgelände im Messegelände am Hafen bewegen. Insgesamt 30.000 Polizisten sollen im Einsatz sein, um den Verkehr zu regeln und Sicherheit zu gewährleisten. Proteste und Demonstrationen sind kaum zu erwarten. In Japan ist alles perfekt organisiert. Plakate in der U-Bahn mahnen zu Besonnenheit und Disziplin. Die Polizisten und Sicherheitskräfte verbeugen sich stets höflich, tragen weiße Handschuhe. Ganz andere Bilder als bei den G20-Gipfeln in Buenos Aires 2018 oder Hamburg 2017, als es zu großen Demonstrationen und Ausschreitungen kam.

Japan G20 Gipfel Osaka
Reina Nomura: Osaka zeigt seine VielfaltBild: DW/B. Riegert

Die Einwohner von Osaka nehmen die Absperrungen und Verkehrsumleitungen mit Gelassenheit, vom eigentlichen Gipfelgeschehen bekommen sie nur im Fernsehen etwas mit. Für Reina Nomura hat der Gipfel nur einen Haken. "Die vielen lauten Polizeisirenen stören mein Baby beim Mittagsschlaf", sagt die junge Mutter an einer Straßensperre in der Innenstadt. "Aber sonst finde ich es gut, dass der Gipfel hier stattfindet. Das ist gut für die Stadt." Die gleiche Meinung hat auch Takashi Hatanaka. Er arbeitet in einem Hotel, in dem G20-Teilnehmer untergebracht sind. "Die Gäste sind willkommen. Japan kann so zeigen, dass es Verantwortung übernimmt in der Welt", sagt Hatanaka. Die abgesperrten Straßen stören ihn nicht. "Ich fahre sowieso nur Fahrrad."

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Takashi Hatanka: G20-Gipfel ist gut für JapanBild: DW/B. Riegert

Trump hält Hof

Einer der ersten Gäste, der am Morgen im Konferenzzentrum eintrifft, ist der amerikanische Präsident Donald Trump, der gleich seine Familie zum Fototermin mit dem japanischen Gastgeber Shinzo Abe mitgebracht hat. Der japanische Ministerpräsident schüttelt Trumps Tochter Ivanka und seinem Schwiegersohn und Nahost-Beauftragten Jared Kushner höflich die Hände, obwohl die Protokollbeamten nicht so genau wissen, warum die beiden mit auf dem roten Teppich stehen. Kein anderer Staats- und Regierungschef hat bei der Begrüßung Verwandte oder Berater dabei.

In Japan sorgt Trumps Andeutung für Aufregung, er könne den Verteidigungspakt mit dem Verbündeten lockern oder aufkündigen, sollte Japan nicht mehr zahlen oder die Zölle für amerikanische Waren senken. Das ist nur einer der vielen Angriffe, die Trump reitet, noch bevor der Gipfel der 20 wichtigsten Industriestaaten und Schwellenländer mit einer ersten Diskussionsrunde über Welthandel so richtig begonnen hat. Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel traf der US-Präsident sich bereits am Vormittag zu einem kurzen Gespräch. Er wollte mehr Verteidigungsausgaben von den Deutschen anmahnen und hatte im Vorfeld kritisiert, dass sich Angela Merkel durch die neue Gaspipeline Nordstream 2 zu abhängig von Russland mache. Die meiste Zeit des bilateralen Gesprächs verbrachte Trump aber offenbar damit, über den amerikanischen Wahlkampf und die oppositionellen Demokraten zu räsonieren.

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Handschlag für die Kameras: Trump (re.) und Merkel beim bilateralen PlauschBild: Reuters/K. Lamarque

Trump traf sich auch mit Russlands Staatschef Wladimir Putin. Dabei betonte er die harmonischen Beziehungen mit seinem Kollegen: "Wir haben eine sehr, sehr gute Beziehung." Nach dem Treffen teilte das Weiße Haus mit, die USA und Russland wollen die Gespräche über gemeinsame Rüstungskontrolle fortsetzen: "Die Präsidenten stimmten überein, dass die beiden Länder ihre Diskussionen über ein Modell zur Waffenkontrolle für das 21. Jahrhundert fortsetzen wollen." Die USA hatten Anfang Februar den INF-Vertrag über das Verbot landgestützter atomarer Mittelstreckenwaffen gekündigt und diesen Schritt damit begründet, dass Russland das Abkommen seit Jahren mit dem Mittelstreckensystem SSC-8 verletze. Die sechsmonatige Kündigungsfrist läuft am 2. August aus.

Putin lud Trump für kommendes Jahr zu den Feierlichkeiten anlässlich des 75. Jahrestages des Sieges über Hitler-Deutschland nach Moskau ein. "Der Präsident der USA reagierte sehr positiv auf die Einladung", sagte Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow dem russischen Fernsehkanal Rossija 24. Das Gespräch in Osaka war das erste bilaterale Treffen der beiden Politiker seit dem umstrittenen Treffen im finnischen Helsinki vor knapp einem Jahr. Damals hatte sich Trump bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Putin geweigert, die mutmaßliche russische Einmischung in die US-Präsidentschaftswahl von 2016 zu kritisieren. Stattdessen sagte er, er glaube der Aussage Putins, wonach es keine Einmischung gab.

US-Handelskonflikt mit China

Höhepunkt des Gipfelgeschehens in Osaka wird am Samstag das Treffen Trumps mit dem chinesischen Machthaber Xi Jinping sein. Dass die beiden den Handelskonflikt mit immensen Strafzöllen zwischen ihren beiden Nationen lösen werden, erwarten Diplomaten in der US-Administration nicht. Es könnte eine Art "Waffenstillstand" vereinbart werden, um weitere Verhandlungen zu ermöglichen, berichten chinesische Zeitungen. Donald Trump droht China mit zusätzlichen Zöllen von 10 Prozent auf Waren im Wert von 300 Milliarden Dollar. Importe von 200 Milliarden Dollar aus China werden bereits mit 25 Prozent Strafzoll in den USA belegt. China hat entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen.

Auch mit Indien liefert sich Trump einen Streit. Die Zölle, die Indien neuerdings auf amerikanische Waren erhebt, nennt er inakzeptabel. Darüber will er mit dem indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi sprechen. Die USA hatten die Zölle für indische Waren allerdings zuerst eingeführt. Die Inder haben nur reagiert.

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Jean-Claude Juncker: EU will starke Worte zum Klimaschutz durchsetzenBild: DW/B. Riegert

EU setzt weiter auf Freihandel

Die zahlreichen Handelskonflikte, aber vor allem der mit China, schadet inzwischen der Weltwirtschaft, beklagt die Europäische Union, die Mitglied der G20 ist. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mahnte, ein mögliches Abkommen zwischen den USA und China dürfe Europa nicht unberücksichtigt lassen. "Man sollte uns nicht außer Acht lassen", sagte Juncker. Die EU ist der Dreh- und Angelpunkt des Welthandels. Sie hat mit über 70 Staaten Freihandelsabkommen geschlossen, jüngst mit Kanada und Gastgeberland Japan. Am Sonntag soll das nächste Abkommen mit Vietnam geschlossen werden, was wiederum von der US-Administration kritisiert wird. In Brüssel wird parallel ein Freihandelsabkommen mit südamerikanischen Staaten ausgehandelt, die in der Mercosur-Gruppe zusammengeschlossen sind. Ein Durchbruch in diesen langjährigen Verhandlungen noch während des G20-Gipfels würde ein starkes Signal nach Osaka senden, meinen EU-Diplomaten im Hintergrundgespräch.

Ein Gespräch mit dem US-Präsidenten über angedrohte Zölle für europäische Autos ist nach Angaben der EU gar nicht erst vorgesehen. Seit einem Jahr gehen Verhandlungen nur schleppend voran. US-Zölle auf europäischen Stahl werden bereits erhoben.

Auch dieser G20-Gipfel in Osaka wird wieder stark von den Handelskonflikten bestimmt werden, die Trump vom Zaun gebrochen hat. "Kein G20-Gipfel gleicht dem anderen. Aber seit Herr Trump Präsident ist, werden sie doch immer gleicher", antwortete EU-Kommissionpräsident Juncker auf die Frage, ob man in Osaka die nächste "Trump-Show" erleben werde. "Wir brauchen eine faire Weltordnung", sagte der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, während seiner Pressekonferenz mit Blick auf die USA und andere nationalistische Regierungen wie in Brasilien, Russland oder China. "Die Weltbühne ist keine Arena für die Stärksten und für Nationalisten."

Frankreich zieht rote Linie beim Klima

Neben dem Handel ist vor allem die Klimapolitik der wichtigste Streitpunkt in Osaka. Die USA versuchen im Verein mit Brasilien möglichst weiche und unverbindliche Formulierungen zum Klimawandel in die Abschlusserklärung hinein zu verhandeln. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat vor dem Gipfel ungewöhnlich scharf eine rote Linie gezogen. Vor französischen Bürgern in Osaka kündigte Macron an, er werde keine G20-Erklärung mittragen, die hinter den Text der letzten Gipfel zurückfalle und das Pariser UN-Abkommen zum Klimaschutz nicht bestätige. "Frankreich macht das nicht mit. So einfach ist das.", drohte Macron. US-Präsident Trump hatte sich aus dem Klimaschutz-Abkommen von Paris zurückgezogen, weil es amerikanische Wirtschaftsinteressen gefährde.

G20: Finanzminister wollen neues Steuermodell für Internet-Konzerne

Der populistische brasilianische Präsident Jair Bolsonaro will ebenfalls keine Verpflichtungen zum Klimaschutz beim G20-Gipfel eingehen. Die Kritik von Bundeskanzlerin Merkel, Brasilien holze zu viel Regenwald ab und schädige so das Weltklima, wies Bolsenaro zurück. Deutschland solle sich lieber um seine Kohleverstromung und seinen Kohlendioxidausstoß kümmern, sagte Bolsonaro. Die EU bleibe trotz aller interner Diskussionen auf dem Weg bis 2050 eine Kohlendioxid-neutrale Wirtschaft zu organisieren, kündigte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker an. "Die EU bleibt Vorreiter."

Ob sich die Unterhändler der G20-Staaten, die sogenannten Sherpas, auf eine gemeinsame Abschlusserklärung werden einigen können, ist unklar. Ihnen steht eine lange Verhandlungsnacht bevor.

EU spricht nicht über Spitzenposten

Keine Entscheidung werden die anwesenden EU-Vertreter zu den vakanten Spitzenjobs in der EU am Rande des G20-Gipfels fällen. "Es wird in Osaka keinen weißen Rauch geben", sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk in Anspielung auf Papstwahlen. Gesucht wird vor allem ein neuer EU-Kommissionspräsident. Bislang blockieren sich das Europäische Parlament und die Regierungen in der EU gegenseitig. Einen Tag nach dem G20-Gipfel in Osaka werden die EU-Chefs am Sonntag erneut in Brüssel zusammensitzen. "Wir werden alle ein gewaltiges Jetlag haben", grinste ein EU-Diplomat in Erwartung der Rückreise durch sieben Zeitzonen.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union