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Gesellschaft

Nachhaltige Mode aus Kenias größtem Slum

18. August 2019

David Ochieng ist in einem Armenviertel von Nairobi aufgewachsen. Doch der 24-Jährige hat sich nach oben gekämpft. Jetzt nennt er sich Avido und hat ein eigenes Modelabel.

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David Ochieng an der Nähmaschine
Bild: Rachel Creed

David Ochieng, alias Avido, ist eine unverwechselbare Erscheinung. Er trägt, was er selbst designt hat: bunte Streetwear mit afrikanischen Printmustern. So ganz anders, als sich die meisten Menschen in Europa kleiden.

Augenscheinlich wurde das, als David Ochieng kürzlich in Deutschland war, um mit seinem Kölner Partner Ruven Börger für sein Start-up "Lookslike Avido" zu werben - unter anderem auf der Berliner "Fashion Week" und auf dem Musikfestival "Summerjam". Denn der Kenianer will seine im Slum produzierte Mode raus in die Welt bringen und etwas verändern, wie er sagt. Doch das hat er eigentlich schon, zumindest in seiner Heimat.

Kein Geld für die Schule

David Ochieng ist im Kibera-Slum im Südwesten von Kenias Hauptstadt Nairobi aufgewachsen. Rund 200.000 Menschen leben dort in ärmlichen Verhältnissen. Arbeitslosigkeit, Kriminalität und eine schlechte hygienische Situation gehören zum Alltag.

Kibera-Slum in Nairobi
Kibera-Slum in Nairobi: Arbeitslosigkeit, Kriminalität und schlechte HygieneBild: Rachel Creed

Als Sohn einer alleinerziehenden Mutter und ältestes von vier Geschwistern musste Avido schon früh mit anpacken: "Nach der achten Klasse konnte ich nicht mehr zur Schule gehen, weil die Schulgebühren zu teuer waren. Während meine Freunde im Unterricht saßen, ging ich auf den Bau." Es sei eine schwere Zeit für ihn gewesen, sagt Avido. Einsam und hoffnungslos habe er sich gefühlt.

Die Straße als Inspiration

Irgendwann sei er dann Teil einer Tanzgruppe geworden, die nach einer Weile mit ihren Auftritten etwas Geld einnahm und sich an Wettbewerben beteiligte. In seiner Freizeit zeichnete Avido gerne Modeskizzen und fing an, die Bühnenoutfits der Gruppe zu entwerfen und auch selbst zu nähen. "Ich habe mich einfach von der Straße inspirieren lassen und meiner Kreativität freien Lauf gelassen." Als immer mehr Leute fragten, woher die Tänzer ihre tollen Kostüme hätten, wurde Avido klar, dass mehr daraus werden könnte.

David Ochieng, alias Avido, mit Freunden in Kleidung seines Labels (2. von re.)
Designer Avido (rechts) mit Freunden im Lookslike-Avido-Style: Bunte Streetwear mit afrikanischen PrintmusternBild: Rachel Creed

Über Mund-zu-Mund-Propaganda wurden seine farbenfrohen Sakkos, Hosen und Rucksäcke nach und nach immer bekannter. Da entschied sich Avido, doch noch seinen Schulabschluss nachzuholen, um später Mode und Design studieren zu können. Mit dem Angesparten vom Tanzen, der Unterstützung seiner Mutter sowie eines Freundes bekam er das nötige Geld irgendwie zusammen. Danach studierte Avido am Burubu Institute of Fine Arts - und hatte nach zwei Semestern die besten Noten von allen, wie er nicht ohne Stolz sagt.

Kleidung ist Identität

Heute vertreibt der 24-Jährige seine Kleidung nicht nur vor Ort, sondern auch über eine eigene Website. Vom Reggae-Künstler Chronixx bis zum deutschen Rapper Megaloh hat sich schon so mancher Popstar von ihm einkleiden lassen. Avido sieht seine Mode auch als Möglichkeit, die kenianische Textilindustrie zu stärken. Denn in vielen ostafrikanischen Ländern wird der Markt geradezu mit Second-Hand-Kleidung aus Europa und den USA überschwemmt. Das lasse die Leute ihre eigene Identität vergessen, glaubt Avido.

David Ochieng, alias Avido, und Ruven Börger im "Social Impact Lab" in Bonn
Geschäftspartner Avido und Börger im "Social Impact Lab": Stipendium in BonnBild: DW/I. Eisele

Einen wichtigen Schub erhielt sein Start-Up vor zwei Jahren auf einem Konzert, bei dem Avido in der Pause auf die Bühne kletterte und seine Arbeit vorstellte. So wurde Ruven Börger auf ihn aufmerksam, der damals als Entwicklungshelfer in Kenia arbeite. Der Deutsche war so begeistert von Avido und seiner Vision, dass er glatt in das Geschäft mit einstieg. So hat "Lookslike Avido" auch Zugang zum "Gründerstipendium NRW" des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen und zu einem Stipendium des "Social Impact Lab" aus Bonn erhalten. Börger kümmert sich inzwischen in Vollzeit darum, den Vertrieb in Europa auszubauen.  

Sozial und umweltfreundlich

Produziert wird indessen weiter in Kibera. "Ich habe nicht vor, dort wegzugehen", sagt Avido, "das ist meine Heimat. Ich will zeigen, dass von hier auch etwas Gutes kommen kann, und es mehr als nur Elend, Kriminalität und Drogen gibt." Während er früher ganz alleine alles nähte, beauftragt er heute regelmäßig 17 Menschen aus der Nachbarschaft - etwa mit dem Nähen oder Ausliefern seiner Ware. "Es ist ein gutes Gefühl, mit 'Lookslike Avido' anderen zu helfen, ihre Familien zu ernähren. Und ich gebe dem Viertel insgesamt Hoffnung. Die Leute sehen, dass man es auch hier zu etwas bringen kann."

Auch der Umweltaspekt spielt für Avido eine wichtige Rolle. Er versucht, ressourcenschonend zu arbeiten, benutzt für Verpackungen etwa Recyclingmaterial. In Zukunft - sobald er es sich leisten kann - will er noch mehr darauf achten, wo die Stoffe herkommen, die er kauft. Ein weiteres Ziel ist, zu den sechs Nähmaschinen, die er schon anschaffen konnte, ein paar dazuzukaufen - dann könne er die Produktion steigern und noch mehr Leuten eine Jobperspektive in Nairobis Slum bieten.

DW Fact Checking-Team | Ines Eisele
Ines Eisele Faktencheckerin, Redakteurin und AutorinInesEis