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Musik

Mauerfall musikalisch

1. November 2019

Das Musikkorps der Bundeswehr gestaltete einen Konzertabend in der Frankfurter Paulskirche, der nicht nur den Mauerfall sondern auch das Grundgesetz in Kompositionen aus Klängen und Stimmen goß.

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Frankfurt am Main | Gedenkonzert 30 Jahre Mauerfall
Bild: Ansgar Klostermann

Die Paulskirche in Frankfurt am Main ist ein Gedenkort, der an vieles erinnert: 1848 bis 1849 tagten hier die Mitglieder der Frankfurter Nationalversammlung, dem ersten gesamtdeutschen Parlament, um über eine freiheitliche Verfassung zu beraten. Als solcher repräsentiert die Paulskirche die Anfänge der parlamentarischen Demokratie. Im März 1944 brannte sie nach Luftangriffen fast vollständig nieder. Als solche steht sie symbolisch für die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg - aber auch für den Wiederaufbau danach - als Symbol der Erneuerung und Rechtsstaatlichkeit.

An viele historische Schichten gedenkt auch ein besonderer Konzertabend am späten Donnerstag, dem 31. Oktober 2019. Es sind nur noch wenige Tage bevor sich der Mauerfall zum 30. Mal jährt. Das Rheingau Musik Festival und die Hessische Staatskanzlei haben zu diesem Gedenkkonzert eingeladen, das die Ereignisse von 1989 unmittelbar aufgreift. Zwei besondere Köpfe stecken hinter diesem Abend: Komponist Guido Rennert, der nicht nur Komponist, sondern auch Klarinettist und Stabsfeldwebel ist, und Christoph Scheibling, Oberstleutnant und Leiter des Musikkorps der Bundeswehr. Zusammen mit dem Kammer- und Jugendchor Ars Antiqua interpretiert das Musikkorps an diesem Abend zwei Werke mit historischer Dimension.

Frankfurt am Main | Gedenkonzert 30 Jahre Mauerfall
Große Besetzung für großes Ereignis: Das Musikkorps der Bundeswehr und der Kammer- und Jugendchor Ars Antiqua Aschaffenburg beim Konzert in der PauslkircheBild: Ansgar Klostermann

"Wir sind das Volk!"

"Wir sind das Volk. Eine Freiheitssinfonie" schildert die friedliche Revolution in der DDR 1989 musikalisch in fünf Bildern. Die musikalische Reise holt die Besucher in der Situation des geteilten Deutschlands zurück und führt ihn über verschiedene Stationen, wie die Leipziger Montagsdemonstrationen, ins vereinte Deutschland und schließlich zur Vision eines vereinten Europas.

Die Sinfonie ist ein multimediales Erlebnis: Neben dem symphonischen Blasorchester mit seiner Klangvielfalt und dem großen Chor integriert es Mitschnitte der Stimmen von Politikern. Es ertönen prägende Sätze, die mit der deutschen Teilung und dem Mauerfall in Verbindung stehen. Von Walter Ulbricht ("Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten") über Erich Honecker, Willy Brandt bis zu Michail Gorbatschow. Oder auch Hans-Dietrich Genschers unvergesslicher Ausspruch vom Balkon des Palais Lobkowicz in Prag: "Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise...". Der Rest ging im Jubel unter – und markierte den Anfang vom Ende der DDR.

Mission: Emotion

"Diese originalen Stimmen fließen mit in die Musik ein und geben dann natürlich nochmal eine ganz besonders emotionale Note", erklärt Oberstleutnant Christoph Scheibling DW die Zusammenstellung. Doch warum widmet sich das Musikkorps der Bundeswehr überhaupt einem solchen Unterfangen? Das symphonische Blasorchester der Bundeswehr dient schließlich vorwiegend repräsentativen Zwecken (etwa dem Militärmusikdienst beim Empfang hoher Staatsgäste oder Trauerfeiern hoher Staatsfunktionäre).

Doch die rund 60 Soldatinnen und Soldaten bestreiten mittlerweile auch zahlreiche Konzerte. Blasorchester ist nämlich eine Ensembleform, die in den letzten Jahrzehnten auch in der zivilen Musikszene zunehmend beliebt wurden. "Die Bundeswehr bietet eine ideale Plattform und Möglichkeiten, sich als Musiker fantastisch zu entfalten", schwärmt Oberstleutnant Scheibling. "Auch wenn man als Soldat natürlich auch damit eine ganz besondere Verantwortung trägt – auch in unseren kulturellen Botschaften". Der Dirigent des Abends ist seit 2012 Kommandeur des Musikkorps der Bundeswehr. 

Frankfurt am Main | Gedenkonzert 30 Jahre Mauerfall
Soldat und Künstler: Oberstleutnant Christoph Scheibling leitete das KonzertBild: Ansgar Klostermann

Grundgesetz in Noten

Einen juristischen Text in Töne zu verwandeln scheint erst mal beinahe unmöglich. Beim zweite Teil des Abends wagt Guido Rennert ein weiteres Experiment. Und beweist, dass es doch geht und zwar erstaunlich spannend. "70 Jahre Grundgesetz – Eine Deutsche Geschichte" interpretiert den Grundgesetztext musikalisch.

Am Anfang erklingt die Präambel des Grundgesetzes - neu eingesprochen von Konrad Adenauer jr., dem Enkel des Kanzlers, der im Mai 1949 das Grundgesetz der Bundesrepublik erstmals verkündete. Weiter lesen Kinder Auszüge aus der Verfassung, begleitet von einer Gesangsstimme, die das "Grundgesetzmotiv" präsentiert. Mit seiner Komposition möchte er "ein Bewusstsein für unser Land mit all seinen wunderbaren Menschen, seiner vielfältigen Kultur und seiner Einbindung in die westliche Tradition schaffen", sagt Rennert.

Man kann vermuten, dass die Zusammenarbeit von dem Bundeswehr-Musikkorps und dem Komponisten Rennert nicht die letzte gewesen sein wird. Denn: "In den letzten Jahren ist unser Ehrgeiz gewachsen, besondere Werke schreiben zu lassen, die gerade durch dieses Musikkörper als Impuls aufgeführt werden", so Oberstleutnant Scheibling. Die geschichtlichen Anlässe dafür werden ihnen so schnell sicher nicht ausgehen.