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Die Geschichte des stillen Örtchens

Bettina Baumann
19. November 2022

Aufs Klo muss jeder. Doch darüber reden - das macht kaum jemand gern. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass der Klogang nicht immer ein Tabuthema war.

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Ein grünes Plumpsklo steht auf einer Wiese
Bild: Zoonar/picture alliance

Was oben reinkommt, muss unten auch irgendwann wieder raus. Zumindest ein Teil davon. Dieser physiologische Vorgang läuft bei jedem Menschen auf der Welt ab. Wir alle müssen früher oder später das Klo aufsuchen - oder eben das, was gerade da ist. Denn während für die meisten Menschen in Deutschland das eigene WC selbstverständlich ist, sieht es weltweit anders aus: Den Vereinten Nationen zufolge leben 3,6 Milliarden Menschen ohne sichere Sanitärversorgung.  Millionen von Menschen erledigen ihr Geschäft im Freien. Krankheiten breiten sich leichter aus und Trinkwasser wird verunreinigt. Hunderttausende sterben jährlich daran. Die UN sprechen daher von einer weltweiten Hygienekrise, auf die mit dem Welttoilettentag am 19. November aufmerksam gemacht werden soll. 

Von wegen "stilles Örtchen"

Dass Fäkalien gründlich entsorgt gehören, war den Menschen bereits vor Tausenden von Jahren bewusst. Die ältesten bisher bekannten Toiletten bauten die Sumerer im Zweistromland (Mesopotamien) 3500 bis 3000 v. Chr. Sie bestanden aus tiefen Gruben, die von ineinandergestapelten Keramikröhren ausgekleidet wurden, auf denen sich der Benutzer niederließ. Die festen Ausscheidungen blieben in dem Behältnis. Flüssiges sickerte durch Löcher in der Wandung nach außen. Ein Spülsystem gab es nicht.

Auch die Babylonier und Assyrer bauten zwischen 3000 bis 500 v. Chr. bereits Klos aus zwei kleinen Mauern mit einem schmalen Zwischenraum für die Fäkalien. Mit dem Badewasser wurden diese in Kanäle gespült. 

Antike öffentliche Toilettenanlage (Forica) in der Ausgrabung in Ostia Antica, Rom
Massenlatrinen der Römer, hier eine Toilettenanlage aus einer Ausgrabung in Ostia Antica, RomBild: Christian Handl/imageBROKER/picture alliance

Doch diese Arten von Toiletten tauchten nur vereinzelt auf. Erst mit den alten Griechen und Römern wurde das stille Örtchen populär. Ärmeren Haushalten diente ein Fass als Klo, in das man den Inhalt der Nachttöpfe auskippte. Reichere Römer besaßen schon ein Privatklo. Die meisten Menschen nutzten allerdings öffentliche Latrinen mit ständiger Wasserspülung für 50 bis 60 Personen. Gesellig wie es dort war, wurde nicht selten das ein oder andere Geschäft besprochen - womit klar sein dürfte, woher der Ausdruck "sein Geschäft verrichten" stammt. 

Albrecht Dürer: gerügt für Klobau 

Mit dem Zerfall des Römischen Reichs verschwand auch die gehobenere Klokultur. Das gemeine mittelalterliche Volk machte seine Notdurft im Nachttopf und entleerte diesen auf der Straße.

An der Wand einer Burg sieht man einen Aborterker
Aborterker aus dem MittelalterBild: Herve Champollion / akg-images/picture-alliance

Burgbewohner hatten eine kleine Toilettennische in der Burgmauer, sogenannte Abtritterker - doch war die Entsorgung des dort verrichteten Geschäfts ebenfalls unhygienisch: Kot und Urin landeten im Burggraben; Pest-, Cholera- und Typhusepidemien waren die Folge. 

Generell waren Toiletten rar gesät im Mittelalter - sowohl private als auch öffentliche. Der Maler Albrecht Dürer wurde von der Stadt Nürnberg sogar dafür gerügt, dass er eine Toilette in seine Küche eingebaut hatte und kam als berühmter Stadtbewohner gerade nochmal um eine Geldstrafe herum.

Edler Auftritt und üble Gerüche 

Hinter einer Tapetentür im Schloss auf der Pfaueninsel steht ein Commodite, ein Leibstuhl, der als Toilette diente.
Auf solchen Leibstühlen verrichteten die Menschen am Hof Ludwig des XIV. ihr GeschäftBild: Bernd Settnik/dpa/picture alliance

Auch in der Neuzeit verbesserte sich die Toilettensituation nicht wirklich. Das einfache Volk nutzte den Stall oder das Feld, um sich zu erleichtern. Und auch der Adel am Hofe Ludwig XIV. schien auf Privatsphäre und Hygiene nicht viel Wert zu legen. Bei 2000 Zimmern im Schloss von Versailles gab es gerade mal ein eingebautes Klo. Stattdessen setzte sich seine Hoheit auf einen Leibstuhl, plauderte währenddessen mit hochrangigen Besuchern und ließ anschließend das Geschäft auf einem riesigen Misthaufen entsorgen. Veranstaltete der Sonnenkönig eines seiner berühmt berüchtigten Schlossfeste, so erleichterten sich die edlen Gäste - na klar - im Schlosspark. 

Verzögerter Erfolg für das Klo mit Spülung  

Es sollte noch bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts dauern, bis sich das Klo mit Spülung in Europa durchzusetzen begann. Zwar erfand es der britische Dichter Sir John Harington bereits 1596, doch vermochten seine Landsleute die Vorteile dieses Wasserklosetts scheinbar nicht zu erkennen. Sein Bauplan geriet vorerst in Vergessenheit.

Erst als der englische Erfinder Alexander Cummings 200 Jahre später ein Patent darauf anmeldete und dem Ganzen ein doppelt gekrümmtes Abflussrohr, einen sogenannten Siphon gegen Gestank, hinzufügte, war der Weg für die Verbreitung des Klos mit Spülung geebnet, und das Spülklo konnte Ende des 19. Jahrhunderts seinen Siegeszug durch die europäischen Großstädte antreten. Mit der Entwicklung von Kläranlagen vor rund 100 Jahren wurde schließlich auch dafür gesorgt, dass Flüsse und Bäche von der menschlichen Notdurft verschont blieben.   

Eine Person im Darth Vader Kostüm kommt aus einem Diexie-Klo heraus.
Mobile Toiletten wie hier im Kölner Karneval sind bei Großveranstaltungen unverzichtbar gewordenBild: Rolf Vennenbernd/dpa/picture-alliance

Und heute? Noch immer existieren eklatante Unterschiede auf der Welt, was die sanitäre Versorgung angeht. Das lässt sich an der Verschiedenheit der Debatten zu dem Thema ablesen - während etwa Indiens Premierminister Modi den Bau von Toiletten zum Wahlkampfthema machte, streitet man in Industrienationen wie Deutschland oder den USA über Transgender-Toiletten und kämpft für Urinale für Frauen, damit auch die künftig im Stehen pinkeln können. Und während Frauen in ärmeren Weltregionen Angst haben müssen, beim Aufs-Klo-Gehen vergewaltigt zu werden, haben Frauen in Japan die Qual der Wahl bei der richtigen Melodie aus ihrer High-Tech-Toilette.