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Wie das Auto sein Design veränderte

Sabine Oelze
23. November 2019

Für die einen das liebste Kind, für die anderen Umweltkiller Nummer eins. Keine Erfindung hat die letzten 130 Jahre mehr geprägt als das Auto. Die Ausstellung "Cars" erzählt, wie das Auto zum Lifestyle-Objekt wurde.

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Pressebilder Victoria and Albert Museum Ausstellung Cars: Accelerating the Modern World | Pop.Up Next
Bild: Italdesign

Als Ingenieur Carl Benz im Jahre 1886 auf der Mannheimer Ringstraße die erste Probefahrt mit seinem dreirädrigen Benzin-Fahrzeug machte, schien der Traum von einer Automobilität, der freien Selbstbeweglichkeit erfüllt. Der "Patent-Motorwagen" wurde zum ersten Serienauto, das je gebaut wurde. Er schaffte 16 km/h und Benz's Frau Bertha brach damit zur ersten Langstreckenfahrt der Geschichte auf. Sie legte immerhin 100 Kilometer zurück.

Eine Revolution der Fortbewegung: das Automobil schrieb nicht nur deutsche Geschichte, sondern mit Form und Ausstattung auch internationale Designgeschichte. Das schnittige Aussehen bestimmte seine wachsende Beliebtheit: Los ging es mit der Begeisterung für Geschwindigkeit. Autorennen erfreuten sich bald großer Beliebtheit. Sie stellten das Tempo auf die Probe - und auch die Zuverlässigkeit des Karosserie-Materials.

Ein roter amerikanischer Lowrider
In den Latinogemeinschaften von Los Angeles kurvte man mit solchen Lowridern durch die Nachbarschaft.Bild: Nathanael Turner

Autorennen steigerten die Begeisterung für Geschwindigkeit

Die erste Rallye "Paris - Rouen" (1894) war noch weit entfernt vom Geschwindigkeitsrausch, aber schon ein massenwirksames Ereignis.  Die Durchschnittsgeschwindigkeit lag bei 20,4 km pro Stunde. Fieberhaft erwarteten die Zuschauer am Straßenrand die vorbeifahrenden Autos. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Rennauto dann zum Symbol für technischen Fortschritt. Die Cockpitpiloten wurden verehrt, einigen von ihnen wurden sogar ein Denkmal gesetzt.

Das Auto wurde zum Sehnsuchtsobjekt. Im Jahr 1900, während der Weltausstellung in Paris, erstellte der Reifenhersteller Michelin einen kleinen roten Reiseführer für Autofahrer und gab Tipps für die ersten Roadtrips durch Frankreich. Obwohl nur 3.000 Fahrzeuge in Frankreich registriert waren, druckte das Unternehmen 35.000 Exemplare.

Auch in der bildenden Kunst fanden Autos Einzug: Rennautos und Rennfahrer wurden in Gemälden, Grafiken und als Skulptur dargestellt. Ende der 1920er kam die Stromlinienform ins Design. Das Auto sollte dynamisch aussehen.

Design entscheidet über Erfolg oder Misserfolg eines Autos

1924 entstand beim deutschen Autohersteller Opel der "Laubfrosch" - das erste rein funktionale und schnörkellose Auto. Es wurde am Fließband hergestellt. Sein Aussehen: klein und grün. Der Laubfrosch kam auf eine Spitzengeschwindigkeit von 60 km/h und galt als "Auto des kleinen Mannes".

USA Vorstellung Tesla Cybertruck
Der Tesla E-Cybertruck sieht aus wie ein eckiger PanzerBild: Getty Images/AFP/F. J. Brown

In den USA war man im Design schon weiter. Dort gab Ford den Ton in der Entwicklung an, wo mit dem Modell des Ford T schon im Jahr 1908 Autos vom Fließband kamen. Auch der tschechische Tatra T77 war ein Fließbandprodukt und wurde nach den Prinzipien der Rationalisierung entwickelt. Der schlanke, tiefe Körper und seine ungewöhnliche "Flosse" schrieben Designgeschichte. In Deutschland blieb das Auto lange Jahre ein Statussymbol der gut betuchten Oberklasse. Erst der Volkswagen erlangte große Popularität, weile er auch für "den kleinen Mann" erschwinglich war. Ausgerechnet NS-Führer Adolf Hitler versprach während eines nationalsozialistischen Parteitags den Deutschen einen Volkswagen für jedermann. 1938 wurde der Grundstein für das VW-Werk in Wolfsburg gelegt - ein NS-Vorzeigebetrieb während der Nazizeit.

Von der Kutsche zur High-Tec-Maschine

Der aus Frankreich in die USA eingewanderte Designer Raymond Loewy prägte in den 1940er Jahren den Satz: "Hässlichkeit verkauft sich schlecht". Nach der ersten Krise der Automobilindustrie war klar, dass sich das Auto nicht ewig von selbst verkaufen würde. Es mussten fortan Statussymbole produziert werden, die das dynamische Auftreten des Fahrers zum Ausdruck bringen konnten. Das Auto wurde zu einem Lifestyle-Produkt.

Die Automobilindustrie beschritt daraufhin neue Wege der Vermarktung: Ford stellt sein Modell P3 in den Schaufenstern von mehr als zwanzig Kaufhausfilialen aus. In der Familie wurde ein Zweitauto angeschafft, das wiederum das Design veränderten: der flotte Mini passte zur Hausfrau und auch noch gut in die Einfahrt des Einfamilienhauses. Die "Ente" von Citroen wurde zum beliebten und erschwinglichen Accessoire und zum Statussymbol eines alternativen Lebensstils. 

Filmstill "Le Mans 66 - Gegen jede Chance"
Auch heute noch verherrlichen Filme wie "Le Mans 66 - Gegen jede Chance" das AutorennenBild: picture-alliance/dpa/Twentieth Century Fox

Das Autofahren wurde zum Freizeitvergnügen, zu einer Art Spielzeug der zu Wohlstand gekommenen Nachkriegsgenerationen. Auch das Kino feierte das Auto in legendären Filmen, u.a. mit Kult-Schauspieler James Dean. Der französische Regisseur Jean-Luc Godard zeigte aber auch die Schattenseiten der Automobilität: in "Weekend" aus dem Jahr 1967 stehen die Protagonisten im Dauerstau und werden Zeugen von Unfällen.

Modische SUV-Modelle contra Unmweltschutz

Schönheitsideale wandeln sich im Laufe der Zeit. Das Auto wurde permanent weiter entwickelt, auch sein Design verändert sich - von hochrädrig bis hin zu tiefergelegt wie ein Rennauto. Ausgerechnet in den aktuellen und umstrittenen SUVs versuchen Designer und Entwickler zwei Autotypen zu verschmelzen: den PS-starken Sportwagen und den robusten Geländewagen.

Doch die angenehme Federung für schlechte Straßen kann über den enorm hohen Spritverbrauch und ein viel zu wuchtiges, unzeitgemäßes Aussehen der SUVs nicht hinwegtäuschen. Auch der neue Elektro-Pickup von Tesla (Bild oben) wirkt trotz E-Mobiltät im Design eher rückwärtsgewandt. Nicht immer weisen aktuelle Trends in die Zukunft - auch angesagte Moden sind schwer zu verstehen. Das gilt für alle Bereiche und besonders für das Auto.

Sabine Oelze Redakteurin und Autorin in der Kulturredaktion