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Gesellschaft

Online-Studium in Afrika 

Clarissa Herrmann
26. Januar 2020

Viele junge Afrikaner träumen vom Studium. Doch das ist oft teuer, die Anfahrt weit, eine eigene Wohnung oder ein Zimmer in der Stadt unbezahlbar. Fern-Unis und E-Learning können eine Alternative bieten.

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Elfenbeinküste Virtual University
Bild: AFP/I. Sanogo

Vorlesungen und Seminare mit Anwesenheitspflicht? Das kam für Alida Tapsoba nicht Frage. Die 29-Jährige lebt in Ouagadougou, der Hauptstadt Burkina Fasos in Westafrika. Sie muss sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen und möchte sich einteilen können, wann sie arbeitet und wann sie lernt. Also hat sich für ein Online-Studium entschieden. "Aber ich hatte auch Befürchtungen. Ich war mir nicht sicher, ob ich das schaffen würde", erzählt die Journalismus-Studentin im DW-Interview. Man müsse sehr diszipliniert sein, sagt sie. "Du musst dich gut organisieren, um die Aufgaben pünktlich abzugeben - besonders, wenn du zusätzlich arbeitest."

Außerdem, erzählt Alida Tapsoba, koste das Ganze ziemlich viel Geld - vor allem für den Internetzugang. Oft muss sie große Dateien herunterladen, das dauert lange und ist teuer. Das Problem kennt auch Rebecca Stromeyer: In vielen afrikanischen Ländern sei Internet deutlich teurer als in Deutschland, sagt sie. Stromeyer ist die Gründerin von eLearning Africa - einer Konferenz, die seit 2006 einmal jährlich auf dem afrikanischen Kontinent abgehalten wird. Das Ziel: Experten auf diesem Gebiet sollen sich in einem panafrikanischen Kontext vernetzen und austauschen.

Elfenbeinküste Studenten der ersten virtuellen Universität in Abidjan
Die ersten Absolventen der "Université Virtuelle de Côte d'Ivoire" feiern im November 2019 ihren AbschlussBild: Getty Images/AFP/I. Sanogo

Noch immer mangelnde Infrastruktur

Doch nicht alle Länder und Regionen sind gut vernetzt: "Kenia ist hier Vorreiter, auch in ländlichen Gegenden", sagt Stromeyer. In der Zentralafrikanischen Republik hingegen hätten erst wenige Menschen Zugang zum Internet. "Die Bedingungen sind also noch nicht so ideal, dass jeder in Afrika ein E-Learning-Programm absolvieren kann", sagt Stromeyer. Im Aufbau der Infrastruktur seien die Regierungen gefragt.

"Trotzdem war die Notwendigkeit, E-Learning zu entwickeln, in Afrika sehr viel stärker als in Europa", sagt die Expertin für Kommunikationstechnik. Sie bezieht sich dabei nicht nur auf die Universitäten. Denn oft funktioniere schon das Schulsystem nicht - gerade in ländlichen Gebieten. Es mangele an Lehrern und Schulbüchern. So plädiert sie dafür, auch im Schulbereich das Internet für Bildung zu nutzen. Auch wenn sie eigentlich davon überzeugt ist, dass man kontextuell, also in einer Situation vor Ort, besser lernt als online.

Flexibel und individuell

Tony Carr vom "Centre For Innovation in Learning and Teaching" an der Universität Kapstadt in Südafrika sieht das anders: "Wenn Sie mit 600 Studierenden in einem Hörsaal sitzen, ist das eher ein Fernstudium. Online sind Interaktionen möglich, die viel wärmer sind und die Studenten einander näher bringen als bei einem Präsenzstudium."

Nigeria Lagos Fußball-Fans mit Smartphones
Das Smartphone ist für viele junge Afrikaner ständiger Begleiter, wie hier beim Fußballgucken während des Africa CupsBild: Getty Images/AFPP.U. Ekpei

Ein weiterer Vorteil ist die Flexibilität, die ein Online-Studium erlaubt. Auch können die jungen Menschen Unterkunftskosten sparen, wenn sie weiterhin zu Hause leben, und sich nicht in einer anderen Stadt ein Zimmer mieten müssen. Sie können ihr Studium nach Maß zusammenstellen, Schwerpunkte auf die Kompetenzen legen, die ihnen besonders wichtig sind und Kurse belegen, zu denen sie sonst keinen Zugang hätten.

So wie Alida Tapsoba: Ihr Traum ist es, international als Journalistin zu arbeiten. Den passenden Master dazu fand sie schließlich nicht in ihrer Heimatstadt, sondern an einer renommierten Journalistenschule in Paris.

Südafrikas Fernuni als Leuchtturm

Vorreiter in Sachen Fernstudium ist aber eine afrikanische Institution: Die "University of South Africa", abgekürzt UNISA. Sie begann in den 1940er Jahren als reine Fernuniversität, damals noch mit Lehrinhalten auf Papier. Heute ist sie auf dem Weg zur Digitalisierung. Laut eigenen Angaben ist sie Afrikas größte Fernstudiums-Einrichtung.

Tony Carr weist auf eine Studie zum Online-Studium auf dem afrikanischen Kontinent hin, die verschiedene Länder von 2011 bis 2016 verglichen hat. Demnach ist Südafrika Vorreiter in Sachen E-Learning, gefolgt von Angola, Nigeria und Tunesien. Dieses Wachstum geht laut Carr mit dem Internetzugang, dem Einkommensniveau und dem Heranwachsen der Mittelklasse in den jeweiligen Ländern einher.

Generell seien die anglophonen Länder in diesem Bereich führend, sagt auch Stromeyer. Aber auch im französischsprachigen Westafrika gebe es immer mehr Initiativen: In der Elfenbeinküste wurde vor vier Jahren die staatliche "Université Virtuelle de Côte d'Ivoire" gegründet. "Eine herausragende Institution", sagt Stromeyer. "Ihr Vorteil war, dass sie aus Fehlern der anderen lernen konnte."

Elfenbeinküste Virtual University
Ein Dozent der "Université Virtuelle de Côte d'Ivoire" zeichnet eine Vorlesung aufBild: AFP/I. Sanogo

Hohe Nachfrage in afrikanischen Ländern

Doch viele der Arbeitgeber glauben noch immer, dass ein Online-Studium weniger wert sei als ein Präsenzstudium. "Sie glauben, dass es kürzer ist und weniger Inhalte vermittelt werden", sagt Stromeyer, "obwohl das nicht stimmt." Der Bedarf in Afrika ist groß, überdurchschnittlich viele junge Leute leben dort, klassische Universitäten und Studentenunterkünfte sind oft überfüllt. Stromeyer empfiehlt eine Mischung aus Online- und Präsenzstudium. Denn junge Leute hätten auch das Bedürfnis, andere kennenzulernen und Teil einer Gemeinschaft zu sein, sagt sie.

Wichtig sei, sich vorher gut über den Studiengang und den Anbieter zu informieren. Das rät auch Tony Carr. Denn eine Online-Universität könne überall angesiedelt sein, und eventuell das nationale Akkreditierungssystem umgehen. Die Experten raten daher, genau nachzufragen, welcher Abschluss erreicht werden kann und ob er im eigenen Land oder international anerkannt ist.