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Einbruch in Männerdomäne Abenteuersport

7. März 2020

Anja Blacha, Lhakpa Sherpa und Dawa Yangzum Sherpa feiern beim Extrem-Bergsteigen oder auch im ewigen Eis Erfolge. Immer wieder müssen sie sich in der männerdominierten Abenteuer-Szene mit Vorurteilen herumschlagen.

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Deutsche Extremsportlerin Anja Blacha erreicht Südpol
Anja Blacha am Ende ihrer erfolgreichen Solo-SüdpolexpeditionBild: picture-alliance/dpa/privat/Anja Blacha

"Not bad for a girl" (Nicht schlecht für ein Mädchen) - was wie ein Chauvi-Spruch klingt, war Anja Blachas Motto für ihre Antarktisexpedition. Anfang Januar erreichte die 29 Jahre alte Deutsche nach 57 Tagen, 18 Stunden und 50 Minuten den Südpol. Alleine, ohne jegliche Unterstützung von außen, hatte Blacha die 1381 Kilometer vom Rande des Kontinents bis zum Pol zurückgelegt: auf Skiern, ihren anfangs 100 Kilogramm schweren Materialschlitten hinter sich her ziehend. Sie habe "durchaus die Erfahrung gemacht, dass man Männern eher zutraut, erfolgreiche Expeditionen durchzuführen", sagt Blacha.

Sie ist in Bielefeld in Nordrhein-Westfalen aufgewachsen, lebt und arbeitet heute aber in Zürich: im Management eines Schweizer Telekommunikationsunternehmens. "Schon von meinem Arbeitsalltag her bin ich es gewohnt, in Männerdomänen unterwegs zu sein. Allfällige Vorbehalte und stereotype Rollenbilder lassen sich im persönlichen Kontakt recht schnell überwinden, sodass ich mich meist willkommen und gut akzeptiert fühle", sagt die Antarktis-Abenteurerin, die in den vergangenen Jahren auch schon als Bergsteigerin für Schlagzeilen gesorgt hatte. 2017 bestieg sie (mit Flaschensauerstoff) den 8850 Meter hohen Mount Everest, als bis dato jüngste deutsche Frau. 2019 stand sie (ohne Atemmaske) als erste deutsche Bergsteigerin auf dem K2, dem mit 8611 Metern zweithöchsten Berg der Erde.

Anja Blache auf dem K2
Blacha bestieg ohne Atemmaske den K2, den zweithöchsten Berg der ErdeBild: picture-alliance/dpa/Anja Blacha

Expeditionen im ewigen Eis oder zu den höchsten Bergen der Welt gelten in der Öffentlichkeit noch immer als Männerdomäne. Das hat Blacha vor allem am Everest erlebt, wo zur Gipfelsaison die Bergsteiger regelrecht Schlange stehen. "Wenn man es als Frau dann doch schafft, kommen gerne Reaktionen wie 'Ihr wurde bestimmt viel mehr durch Sherpas oder andere geholfen', 'Das Ziel ist sicher nicht mehr so schwierig zu erreichen, wie man das früher dachte' oder 'Sie hatte halt einfach Glück'", erzählt Blacha. "Und wenn all das nichts hilft, vermutet mancher Fremder, dass man vielleicht besonders burschikos oder gar eine Walküre sein müsse - um dann allerdings beim ersten persönlichen Treffen überrascht zu werden."

Everest-Rekordhalterin arbeitet als Spülkraft

Die Bergsteigerchronik "Himalayan Database", in der alle Gipfelerfolge an den höchsten Bergen Nepals aufgelistet sind, verzeichnet bis heute gut 10.000 Everest-Besteigungen, rund 700 davon gelangen Bergsteigerinnen. Das macht einen Anteil von sieben Prozent. In den vergangenen vier Jahren lag er höher: zwischen 7,5 und 10,8 Prozent. "Die Zahl der Bergsteigerinnen nimmt zwar zu, es handelt sich jedoch immer noch nur um einen kleinen Prozentsatz", findet Lhakpa Sherpa. Mit neun Besteigungen steht die 46 Jahre alte Nepalesin als erfolgreichste Frau am Mount Everest im Guinness-Buch der Rekorde. In diesem Frühjahr strebt sie Gipfelerfolg Nummer zehn an.

Bergsteigerin Lhakpa Sherpa
Lhakpa Sherpa an ihrer Arbeitsstelle im SupermarktBild: picture-alliance/AP Photo/P. Eaton-Robb

Die Sherpani, stammt aus Nepal, lebt aber als alleinerziehende Mutter in den USA. Ihr Sohn ist volljährig, die beiden jüngeren Töchter leben noch bei ihr. Lhakpa Sherpa arbeitet 40 Stunden pro Woche als Spülkraft in einem Supermarkt. "Meinen Job sehe ich nur als vorübergehend an, um meine Kinder durchzubringen. Jetzt sind sie fast erwachsen, und ich kann mich darauf konzentrieren, mein eigenes Unternehmen zu gestalten." Im vergangenen Jahr gründete sie eine eigene Agentur für Trekkingreisen und Expeditionen. Weil die Finanzierung ihrer bevorstehenden Everest-Expedition noch nicht gesichert ist, startete Lhakpa Sherpa jetzt eine Crowdfunding-Aktion im Internet.

Frauen wird weniger zugetraut

Sponsoren für Expeditionen zu finden, ist ohnehin nicht leicht, für Frauen jedoch oft noch schwerer. Das bestätigt auch Anja Blacha. "Als Frau ist es sicher leichter, ein Alleinstellungsmerkmal zu finden und somit bei der Sponsorensuche Interesse zu wecken", sagt die deutsche Abenteurerin. "Doch oft können sich potenzielle Sponsoren entweder nicht vorstellen, dass das Vorhaben wirklich außergewöhnlich ist, auch für Männerstandards. Oder sie sehen ein zu hohes Risiko des Scheiterns."

Nepal Dawa Yangzum Sherpa
Dawa Yangzum Sherpa war die erste Frau Nepals, die ein internationales Zertifikat als Bergführerin erhieltBild: Getty Images/AFP/B. Karki

Von den Schwierigkeiten, Geldgeber für eigene Bergprojekte aufzutreiben, kann auch Dawa Yangzum Sherpa ein Lied singen. Die 29-jährige ist eine der bekanntesten Bergsteigerinnen in Nepal. 2012 bestieg sie den Mount Everest, 2014 mit ihren Landsfrauen Maya Sherpa und Pasang Lhamu Sherpa Akita den K2. 2018 erhielt sie als erste Frau aus Nepal ein internationales Bergführerinnen-Zertifikat.  

Psychologische Veränderung 

"Von allen Sportarten, die es gibt, ist Klettern wahrscheinlich der Inbegriff des Männersports: Mehr als 90 Prozent sind Männer", sagt die Sherpani. "Als eine der wenigen Frauen in der Branche freut mich kaum etwas mehr, als Mentorin für die nächste Generation von Bergsteigerinnen zu sein." In diesem Winter leitete Dawa Yangzum Sherpa im Dorf Phortse im Khumbu-Gebiet, der Region um den Mount Everest, einen Kletterkurs für sieben nepalesische Frauen. Anders als erwartet, seien dabei die fehlenden Kletterfähigkeiten nicht das größte Problem gewesen, sagt die Bergführerin: "Die größeren Hürden waren psychologischer, mentaler, emotionaler und kultureller Natur." In Nepal herrsche immer noch ein traditionell geprägtes Frauenbild vor - und da passe Bergsteigen eben nicht hinein.

Dawa Yangzum Sherpa zieht eine überaus positive Bilanz ihres Frauen-Kletterkurses: In den zwei Wochen hätten sich die jungen Nepalesinnen nicht nur die nötigen Fähigkeiten am Berg angeeignet, sondern sich auch emotional und psychologisch weiterentwickelt: "Sie waren keine schüchternen und ängstlichen kleinen Mädchen mehr, sondern junge und selbstbewusste Frauen, die bereit zu sein schienen, auch andere Abenteuer im Leben zu bestehen."

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter