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"Wildwest-Methoden" beim Run auf Schutzmasken

3. April 2020

Kaufen die USA den angespannten Markt für Schutzmasken leer? Es hagelt Vorwürfe, Washington wiegelt ab. Deutschland will beim Einkauf unabhängiger werden. Auch ein AfD-Politiker hat ein Angebot in der Schublade.

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In Folien verschweißte Schutzmasken (Foto: picture-alliance/dpa/D. Szuster)
Bild: picture-alliance/dpa/D. Szuster

Weltweit häufen sich Vorwürfe, wonach die USA wegen der Corona-Pandemie dringend benötigte Schutzausrüstung wegkaufen oder beschlagnahmen, die eigentlich für andere Länder bestimmt sind. Auf Vorwürfe aus Frankreich reagierte Washington abwiegelnd: "Die US-Regierung hat keine einzige Maske gekauft,die von China an Frankreich geliefert werden sollte", zitierte die Nachrichtenagentur AFP einen Sprecher der US-Regierung. Drei französische Großregionen, die von der Corona-Pandemie besonders betroffen sind, hatten den USA unsolidarisches Verhalten vorgeworfen. Frankreich zählte bislang rund 5400 Corona-Todesfälle, die wesentlich bevölkerungsreicheren USA 5900.

Die Präsidentin der französischen Hauptstadtregion Ile-de-France, Valérie Pécresse (Foto: Imago-Images/PanoramiC)
Die Präsidentin der französischen Hauptstadtregion Ile-de-France, Valérie PécresseBild: Imago-Images/PanoramiC

"Wir haben uns von den Amerikanern, die uns überboten haben,eine Lieferung wegschnappen lassen",sagte etwa die Präsidentin der französischen Hauptstadtregion Ile-de-France, Valérie Pécresse, im Fernsehsender LCI. Der Präsident der an Deutschland angrenzenden Region Grand Est, Jean Rottner, betonte, die Amerikaner würden von Frankreich bestellte Masken "auf dem Rollfeld" in China aufkaufen: "Sie zücken Bargeld und zahlen drei oder vier Mal soviel wie unseren Bestellpreis." Die französische Regierung spricht von "weltweiten Spannungen "auf dem Markt für Schutzbekleidung. Auch Kanada prüft Berichte, wonach die USA Lieferungen aufkauften.

Der Präsident der an Deutschland angrenzenden Region Grand Est, Jean Rottner (Foto: picture-alliance/dpa/D. Szuster)
Der Präsident der an Deutschland angrenzenden Region Grand Est, Jean RottnerBild: picture-alliance/dpa/D. Szuster

Recherchen der Pariser Zeitschrift "L'Express" zufolge hat Frankreich vor vier Wochen selbst eine Masken-Lieferung beschlagnahmt, die eigentlich für Italien und Spanien bestimmt war.

Berlin wirft USA "moderne Piraterie" vor

Auch die deutschen Hauptstadt Berlin muss 200.000 Schutzmasken abschreiben: Der Innensenator des Stadtstaates, Andreas Geisel, sagte, die USA hätten die Lieferung in Bangkok konfisziert. Ihm zufolge handelte es sich um Masken der Schutzklasse FFP-2, die ihre Träger recht zuverlässig vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus schützen. Sie waren für die Berliner Polizei bestimmt. "Wir betrachten das als Akt moderner Piraterie", sagte Geisel. Die Bundesregierung solle auf die Einhaltung von Regeln dringen. "So geht man mit transatlantischen Partnern nicht um. Auch in globalen Krisenzeiten sollten keine Wildwest-Methoden herrschen."

Auch der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, kritisierte die Beschlagnahmung der 200.000 Masken. Mützenich sagte der DW: „Bei der Beschaffung von Schutzmasken darf es nicht zu illegalen Methoden kommen. Das gilt - insbesondere zwischen Partnern - natürlich auch dann, wenn sie gerade Mangelware sind.“ Er forderte eine Aufklärung des Vorfalls und eine Reaktion der Bundesregierung.

Der Berliner Innensenator Andreas Geisel (Foto: picture-alliance/dpa/P. Zinken)
Der Berliner Innensenator Andreas GeiselBild: picture-alliance/dpa/P. Zinken

Deutschland will mehr Ausrüstung selbst produzieren

Um diesen Marktmechanismen ein Stück weit zu entgehen, will Deutschland in Sachen Schutzkleidung unabhängiger von den Weltmärkten werden. Die Entwicklung der Corona-Pandemie in den vergangenen Wochen zeige, "dass wir auf Dauer nicht so abhängig sein sollten vom internationalen Markt", sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.

Die deutsche Regierung habe deshalb ein Angebot an die heimische Wirtschaft gemacht und wolle diese beim Aufbau der Schutzmasken-Produktion unterstützen. Es gehe dabei um eine Sicherheit  bei Abnahme und Preis. Derzeit liefen Gespräche mit Unternehmen aus dem Maschinenbau und der Textilindustrie.

Vorwurf gegen Deutschland

Allerdings gab es in der Causa Schutzmasken im März auch Vorwürfe gegen Deutschland: "Ein deutscher Zwischenhändler ist uns zuvorgekommen, hat uns überboten und gekauft", sagte Peter Pellegrini, bis vor zwei Wochen Ministerpräsident der Slowakei. Eine der letzten Amtshandlungen seiner abgewählten Regierung sei die Beschaffung von "Millionen von Masken in der Ukraine" gewesen. Ein Geldkoffer mit 1,2 Millionen Euro sei schon vorbereitet worden, die Masken hätten mit einer Regierungsmaschine eingeflogen werden sollen - bis ein deutscher Händler die Masken weggeschnappt habe. Um welchen Händler es sich handele, sagte Pellegrini nicht.

Unterdessen wollen Bund und Ländern den Unternehmen, die schon jetzt unbürokratisch Schutzausrüstung aus eigenen Beständen spenden, fiskalisch zur Seite springen: Sie sollen bis zum Jahresende darauf keine Umsatzsteuer mehr zahlen müssen, kündigte Finanzminister Olaf Scholz an. Auch wenn Unternehmen medizinisches Personal an Kliniken oder andere Schauplätze der Corona-Krise ausleihen, gilt diese Sonderregelung.

Der AfD-Politiker Armin-Paul Hampel (Foto: picture-alliance/dpa/H.-K. Dittrich)
Der AfD-Politiker Armin-Paul HampelBild: picture-alliance/dpa/H.-K. Dittrich

AfD-Politiker hat Maskenquelle aufgetan

Unterdessen kommt Hilfe zur Beschaffung von Schutzmasken sogar aus der AfD: Der Bundestagsabgeordnete Armin-Paul Hampel will eine große Lieferung aus Hongkong vermitteln. "Über eine alte Geschäftsbeziehung erhielt ich heute ein Angebot über 50 Millionen Atemschutzmasken", schrieb Hampel eigenen Angaben zufolge bereits am Mittwoch an Kanzleramtsminister Helge Braun. Hampel war vor seiner Politik-Karriere als ARD-Korrespondent unter anderem in Südostasien tätig.

Inzwischen zeigte Hampel sich verärgert, dass er auch auf zweimalige telefonische Nachfrage hin vom Kanzleramt keine Antwort erhalten habe. Er befürchte nun,dass der Deutschland wohlgesonnene Händler in Hongkong die Ware angesichts der weltweit großen Nachfrage bald anderweitig verkaufen werde.

ehl/sti (dpa, afp)