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Kosmische Strahlen über Namibia

Jan Lublinski2. Mai 2003

Menschen gehen nach Afrika, um alles mögliche zu suchen. Deutsche Physiker in Namibia zum Beispiel nach Gammastrahlen.

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Weiße Flecken im Spektralbereich?Bild: AP

Europa ist für Astronomen kein guter Ort. Zu viele Wolken, zu viel Schmutz in der Luft, eine unruhige Atmosphäre und zu viel Störlicht durch Straßenlaternen, Fußballplätze, Flugzeuge und so weiter. Europäische Astronomen zieht es deshalb in ferne Länder: Nach Chile, nach Hawaii, nach Australien. Besonders aktiv sind deutsche Astronomen derzeit im südlichen Afrika: Auf einer Farm in Namibia bauen sie ein spezielles Observatorium für kosmische Strahlung auf. Kosmische Strahlung das ist hochenergetisches Licht und Elementarteilchen, die aus dem Weltall in die Erdatmosphäre fliegen.

Professor Werner Hofmann vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg reist mehrmals im Jahr nach Namibia. "Namibia ist vielleicht das am wenigsten afrikanische der afrikanischen Länder. Es ist ein Land, wo auch sehr viele Deutsche oder deutschstämmige Leute sind. Es ist erstaunlich, wo sie überall hingehen können und Deutsch hören", sagt Hofmann. Vielleicht ist es aber auch gar nicht so erstaunlich – schließlich war Namibia bis 1918 deutsche Kolonie.

Wie Achterbahnen

Hofmann gehört zu einem internationalen Team von Astroteilchenphysikern, das etwa 100 Kilometer von der Hauptstadt Windhuk entfernt, ein Gelände gepachtet hat. Dort, in 1800 Metern Höhe, wo die Luft ruhig und klar ist, bauen sie vier Teleskope auf. Das erste ist bereits völlig fertig und liefert seit September Daten. Die anderen drei werden in den nächsten Wochen und Monaten in Betrieb gehen.

Diese Teleskope ähneln überdimensionalen Parabolantennen mit 13 Metern Durchmesser, sie bestehen jeweils aus 380 einzelnen Spiegeln. Am Aufbau beteiligt war eine namibische Stahlbau-Firma. Sie hatte den Auftrag, die knallroten Strukturen der Teleskope, die aussehen wie abenteuerliche Achterbahngerüste, anzufertigen. Eine besondere Herausforderung, denn es gibt an ihnen keinen rechten Winkel, dafür aber die kompliziertesten Rohrkonstruktionen. Das ist schon eine ziemliche Anforderung an eine Stahlbaufirma so etwas maßgenau hinzu bekommen. "Wir haben Anforderungen von Millimetern über einige 10 Meter, und das macht ein normaler Stahlbauer nicht so ganz einfach"´, sagt Hofmann.

Die neuen Teleskope sollen nach Gammastrahlen Ausschau halten. Dieses extrem kurzwellige und energiereiche Licht ist noch relativ neu für die Astronomen. Die Himmelskarten weisen in diesem Spektralbereich hauptsächlich weiße Flecken auf. Das soll anders werden - mit HESS. So heißen die vier neuen Teleskope, und so hieß auch der Mann, der vor 90 Jahren die kosmische Strahlung entdeckte: Viktor Hess. Zugleich steht HESS auch für Hochenergie-Stereoskop-System. Es registriert den Weg schwacher bläulicher Lichtblitze, die von der Gammastrahlung in der Atmosphäre erzeugt werden. Und das dreidimensional.

"Man braucht praktisch stereoskopisches Sehen, wie beim Menschen mit zwei Augen, um das ganze räumlich aufzulosen" sagt Hofmann. Warum er dann aber vier Teleskope aufbaut? "Wenn man das jetzt im Detail ausrechnet, dann sieht man: Zwei ist ein bisschen knapp, mit vieren funktioniert es so viel besser, dass es die Mehrausgabe wert ist.''

Suchen, wo was los ist

Mit seinen Teleskopen will Hofmann herausfinden, woher die kosmische Gammastrahlung genau stammt. Er geht davon aus, dass sie an solchen Stellen des Kosmos ihren Ursprung hat, wo besonders viel los ist: In explodierenden Sternen zum Beispiel, den Supernovas, wo Teilchen mit sehr hohen Geschwindigkeiten herausgeschleudert werden. Die Strahlung kann aber auch von Schwarzen Löchern herrühren. Diese geheimnisvollen Objekte verschlucken nicht nur Materie, sondern sie spucken auch einen Teil wieder aus - in Form eines gerichteten Strahls.

Solche Prozesse kann Hofmann besonders gut studieren, weil er von Namibia aus den südlichen Sternenhimmel beobachtet. Er kann von dort aus direkt ins Zentrum der Milchstraße, unserer Galaxie, schauen - also dorthin, wo, sozusagen direkt bei uns um die Ecke, am meisten los ist. "Wir haben vermutlich auch die ersten Quellen gesehen", sagt Hofmann. "aber wir sind noch nicht so weit, dass die Ergebnisse publikationsreif sind. Aber es sieht so aus, als funktionierte alles so wie es funktionieren sollte.''

Wenn in den kommenden Jahren alles gut geht, wird Hofmann mit seinen Kollegen den Ursprung der kosmischen Strahlung aufklären können. Und nebenbei wird er sich noch einer weiteren wichtigen Aufgabe widmen: der Öffentlichkeitsarbeit vor Ort. Das Interesse am Weltall und der Physik ist auch in Namibia groß. Die Vorstellungen dessen, was man damit erreichen kann, findet Hofmann mitunter ein bisschen seltsam. Wir wurden einmal gefragt, ob wir jetzt messen können, dass die Sterne wirklich Zacken hätten oder es wurde gefragt, wann es den ersten Namibischen Astronauten gibt." Fragen, die auch Hofmann nicht beantworten kann. Selbst wenn er noch vier Teleskope mehr hätte.