1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Frühjahrsputz: Aufräumen tut gut

Ann-Christin Herbe
9. April 2020

Fensterputzen, Wischen, Aussortieren - alles lästig. Sich zu der unliebsamen Arbeit überwinden und trotzdem sauber machen, lohnt sich dennoch. Putzen reinigt nicht nur die Wohnung, sondern auch das Innere.

https://p.dw.com/p/3acgn
Symbolbild Frühjahrsputz
Bild: picture-alliance/Zoonar

Ich mag es gerne aufgeräumt. Aufräumen selbst hingegen mag ich eher weniger. Sagen wir, es liegt auf der Beliebtheitsskala auf einem Level mit Fensterputzen, Wischen und Ausmisten. Doch eben diese Aktivitäten begleiten mich ständig im Kampf gegen Staub und überquellende Schubladen.

Und dann, einmal im Jahr, lauert mir - und anderen Putzmuffeln bestimmt auch - ein ganz besonderer Feind auf: der Frühjahrsputz.

Hinter dem harmlosen Wort versteckt sich die Mission, die gesamte Wohnung oder das Haus gründlichst zu putzen. Auch die dunkelste Ecke muss staubfrei sein. Wollmäuse adé!

Doch mit Wischer und Putzlappen durch die Wohnung zu streifen, lohnt sich nicht nur für das reinliche Gefühl danach, erklärt mir die Diplom Psychologin Sandra Jankowski. Es steckt mehr dahinter! Das macht das Ganze selbst für mich nun interessant... 

Putzen im Flow

Wenn wir putzen, nehmen wir uns ein Ziel vor. Haben wir dieses Ziel erreicht, schüttet unser Gehirn Endorphine, also Glückshormone, aus und wir sind zufrieden, etwas geschafft zu haben", sagt Jankowski. Außerdem baut Putzen nachweislich Stress ab.

Im besten Fall, kann regelmäßiges Saubermachen sogar zu einer Art Meditation werden. "Wenn die Tätigkeit die richtige Mischung aus Forderung und Entspannung bietet und zu einer Art Routine wird, kann man einen Flow erreichen", sagt Jankowski.

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov machen 63 Prozent der Befragten einmal im Jahr einen Großputz. Nur 19 Prozent beschränken sich dabei jedoch auf den klassischen Zeitpunkt im Frühjahr. 

Mehr dazu: Welt ohne Gestern

Eine Frau lächelt beim Bad putzen
Ein glückliches Lächeln hat, wer den Erfolg der Arbeit sieht. Bild: picture-alliance/dpa/F. Gabbert

Positive Auswirkungen

Dass es sich insbesondere für das geistige Wohlbefinden lohnt, regelmäßig mit dem Wischmopp durch die Wohnung zu wedeln, zeigen verschiedene Studien zu dem Thema.

Zum Beispiel weil man sich besser konzentrieren und produktiver arbeiten kann, wenn das direkte Arbeitsumfeld sauber und aufgeräumt ist.

"In einer aufgeräumten Wohnung fühlen wir uns automatisch sicherer und wohler. Wenn die Wohnung hingegen unordentlich ist, dann kann das ein inneres Gefühl von Stress verstärken", sagt Jankowski.

Aussortieren fordert Konzentration

Trotzdem bin ich mit meiner Abneigung in Sachen Saubermachen nicht allein. Laut einer Studie putzen gerade mal 19 Prozent der Befragten wirklich gerne, 35 Prozent haben wenig oder gar keine Freude daran. Schlimmer finde ich nur noch die andere Komponente vom Frühjahrsputz: das Ausmisten.

Während man beim Putzen im besten Fall in den meditativen Flow verfällt, erfordert Aufräumen und insbesondere Ausmisten mehr Konzentration. Die personifizierte Königin der Ordnung ist die Japanerin Marie Kondo.

Mit ihrer "KonMari"-Methode begeistert sie weltweit ihre Fans. Seit 2019 kann man der zierlichen Frau sogar bei Netflix zusehen, wie sie die Häuser anderer Menschen entrümpelt. Ihr Credo: Alles, was nicht glücklich macht, wird aussortiert.

Lesen Sie hier: Marie Kondo und die Sehnsucht nach Ordnung

Das Kategorien-System

Der Trick: nicht nach Räumen vorgehen, sondern nach Kategorien: Kleidungsstücke, Bücher, Papier, Kleinkram und Erinnerungsstücke. "Man legt alle Gegenstände aus der Kategorie auf einen Haufen. Das führt effektiv vor Augen, wie viel man eigentlich besitzt", erklärt die Ordnungsberaterin Hannah Cesarz.

In Europa besitzt eine Person durchschnittlich 10.000 Dinge. Hat man alles aufgetürmt, nimmt man jeden Gegenstand in die Hand und überlegt, ob er Freude bereitet oder noch nützlich ist. Wenn ja, darf er bleiben und wenn nicht, dann wird ihm erst gedankt und dann wird er aussortiert. "Wertschätzung ist ein zentrales Konzept der Methode", sagt Cesarz. 

Mehr dazu: Glücklicher Partner? Längeres Leben!

Reinigen um die Wette

Dinge nicht aus Anstand behalten

Am schwersten fällt es Menschen, sich von Erinnerungsstücken zu trennen. "Viele Dinge behalten wir nur aus Anstand und Moral", sagt Cesarz.

Ich fühle mich ertappt, denn ich muss an eine Kiste denken, in der ich sämtliche Geburtstags- und Grußkarten der letzten Jahre horte. Auch eine klobige Kette liegt darin, die ich vor zwei Jahren zu Weihnachten bekommen habe und deshalb nicht wegwerfen will.

Das kann ich aber ruhig machen, meint die Ordnungsberaterin. "Im Moment der Übergabe hat das Geschenk Freude gemacht und damit seinen Zweck erfüllt. Wenn das Objekt nun nicht mehr glücklich macht, kann man sich davon trennen", sagt mir Cesarz.

Das Konzept Aufräumen und Ordnung ist in den letzten zwei Jahren medial immer mehr in den Fokus gerückt. Unter dem Hashtag #KonMari gibt es auf Instagram über 347.000 Beiträge, die aufgeräumte Zimmer, Kleiderschränke und sogar Kühlschränke zeigen. Minimalismus übertrumpft Masse.

Aufräumen lohnt sich

Trotzdem ist es für viele eine Überwindung, sich professionelle Hilfe beim Aufräumen zu suchen, weil es eine vermeintlich einfache Tätigkeit ist. "Die eigenen vier Wände sind immer noch heilig. Viele Menschen schämen sich zu Beginn noch, denn ein Blick in die unaufgeräumte Wohnung ist ja in gewisser Weise auch ein Blick ins Innere", sagt Cesarz.

Aufräumen und Aussortieren lohnt sich aber. Eine ordentliche Wohnung verbessert laut Cesarz das zwischenmenschliche Zusammenleben. "Wenn Haushalt früher ein Streitthema war, dann fällt dieser Stressfaktor weg", sagt sie.

Außerdem spare man im besten Fall Geld. Denn wer einmal gründlich aussortiert hat, kauft weniger unnötige Dinge. Und: wenn weniger rumliegt, kann man besser und schneller putzen.

Belohnungsziele setzen

Außerdem haben Forscher der Universität Indiana herausgefunden, dass Menschen, die ein aufgeräumtes Umfeld haben, physisch deutlich aktiver sind und mehr Motivation verspüren, sich zu bewegen.

Und wer trotzdem Probleme hat, sich zu motivieren, kann sich selbst einen kleinen Ansporn liefern. "Setzen Sie sich ein Belohnungsziel oder nehmen Sie sich nicht gleich die ganze Wohnung, sondern nur einen Teil davon vor. Dann ist die Überwindung geringer", rät Jankowski.

Na gut, dann stelle ich mich dieses Jahr also doch dem Frühjahrsputz. Wenn ich mich danach mit Schokolade belohne, ist das Ganze sicher nur halb so schlimm.

Mehr dazu: Sitzt das Glück in unserem Gehirn?