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Corona, die Deutschen und das Bargeld

Timothy Rooks
7. Mai 2020

Die Deutschen haben ein spezielles Verhältnis zum Bargeld. Doch Corona verändert auch das. Plötzlich ist kontaktloses Bezahlen in. Ein Interview mit dem Wirtschaftswissenschaftler Gunther Schnabl.

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Deutschland Symbolbild mobiles Bezahlen
Bild: picture-alliance/dpa/F. Gabbert

DW: Was bedeutet die Corona-Krise für die künftige Nutzung von Bargeld?

Gunther Schnabl: Das Bargeld ist in der Corona-Krise in Verdacht geraten, Infektionen zu übertragen. Zudem haben die Zentralbanken ihre Kreditprogramme und Ankäufe von Vermögenswerten nochmals immens ausgeweitet. Die Corona-Krise dürfte deshalb ein weiterer großer Schritt in Richtung Abschaffung des Bargelds sein. Entweder direkt dadurch, dass kein neues Bargeld mehr herausgegeben wird. Der 500-Euro-Schein wird bereits nicht mehr gedruckt und die Europäische Kommission denkt über die Abschaffung kleiner Münzen nach! Oder indirekt dadurch, dass das Bargeld durch Inflation entwertet wird.

Gunther Schnabl, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Leipzig
Gunther Schnabl, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität LeipzigBild: privat

Stellt Bargeld bei der Übertragung des Coronavirus eine Gefahr dar?

Die Bundesbank hat klargestellt, dass von Bargeld kein besonderes Infektionsrisiko ausgeht. Die Banknoten verschmutzen beim täglichen Gebrauch kaum und werden regelmäßig ausgetauscht. Die 5- und 10-Euro-Noten, die oft zwischen den Menschen wechseln, haben sogar einen Schutzlack. Hauptübertragungsweg des Coronavirus sind Tröpfcheninfektionen durch Husten, Niesen und Sprechen, nicht aber Geldscheine oder Tischplatten. Damit ist das Infektionsrisiko für Kassenpersonal und andere Kunden durch Bargeld gering.

Vielerorts kann man längst auch kontaktlos mittels der sogenannten NFC-Technologie bezahlen. Trotzdem ist manchmal noch die Eingabe einer PIN notwendig. Ist die Kartenzahlung mit PIN-Eingabe eine sicherere Alternative zum Bargeld?

Auch bei der PIN-Eingabe gibt es theoretisch einen infektiösen Kontakt zwischen den einzelnen Kunden, die nacheinander die Tastatur nutzen. In manchen Geschäften wird diese deshalb jetzt nach jedem Gebrauch desinfiziert. Aber auch hier gilt, dass das Infektionsrisiko gering erscheint.

Was würde eine Bargeld-Abschaffung für den Alltag der Menschen bedeuten?

Einerseits könnte die Abschaffung des Bargelds das Leben vereinfachen. Der Weg zum Geldautomaten und das Herumtragen von Noten und Münzen in dicken Geldbörsen würde entfallen. Andererseits könnte der Staat direkt durch negative Zinsen auf die Ersparnisse der Bürger zugreifen, z.B. um die immensen Kosten des Corona-Krisenmanagements zu finanzieren.

Wie verändert die Krise das künftige Bankgeschäft?

Die Zentralbanken haben in der Krise klar signalisiert, dass die Zinsen auf Dauer sehr niedrig bzw. negativ bleiben werden. Das wird weiter auf die Gewinne der Banken drücken, die weiter gezwungen sein werden, Kosten zu sparen. Die Banken könnten sich deshalb gezwungen sehen, die vergleichsweise hohen Kosten der Bargeldversorgung über höhere Gebühren für Bargeldabhebungen auf die Kunden überwälzen. Dadurch würde die Attraktivität des Bargelds maßgeblich geschädigt.

Mit dem Pandemie-Notprogramm der EZB dürften zudem die Einlagen der Banken bei der EZB weiter steigen. Da diese negativ verzinst werden, wird der Druck auf die Banken wachsen, diese Kosten in Form negativer Einlagenzinsen an die Kunden weiter zu geben.

Wird der Bargeldumlauf wachsen oder schrumpfen?

Einerseits dürften die elektronischen Zahlungen weiter zu- und die Bargeldzahlungen weiter abnehmen. Andererseits dürfte das Vertrauen in das Geld- und Finanzsystem weiter gelitten haben, so dass die Nachfrage nach Bargeld zunehmen dürfte, um Ersparnisse zu Hause unter dem Kopfkissen zu lagern.

Seit Einführung des Euro ist die umlaufende Bargeldmenge immer weiter angestiegen, zu Beginn der Corona-Krise sogar sprunghaft. Das dürfte darauf hindeuten, dass der zweite Effekt stärker ist.

Wird der Verbraucher ohne Bargeld noch "gläserner" als er es ohnehin schon ist?

Ja! Bargeld ist ein Stück Freiheit, das wie andere wirtschaftliche Freiheiten mehr denn je gefährdet ist. Der Staat wird noch besser über die Zahlungen und Vermögen der Bürger informiert sein. Das wird die Besteuerung der Vermögen und deren Erträge weiter erleichtern.

Was bedeutet die derzeit hohe Staatsverschuldung für die Zeit nach der Krise?

Die Staatsverschuldung ist in den meisten Industrieländern bereits hoch und wird nochmals steil ansteigen. Sie ist in den meisten Staaten bereits nur noch haltbar, weil die Zentralbanken in großem Umfang Staatsanleihen kaufen. Irgendwann wird eine Diskussion einsetzen, dass sich die Staaten entschulden müssen.

Negative Zinsen könnten ein vergleichsweise einfacher Weg dorthin sein, weil die Sparrücklagen hoch sind und für negative Zinsen keine Zustimmung der Parlamente notwendig ist. Negative Zinsen sind aber nur möglich, wenn die Menschen ihre Bankeinlagen nicht in Bargeld tauschen können.

Das Wellensympbol als Hinweis für die Möglichkeit des kontaktlosen Bezahlens via NFC-Technologie
Das Wellensympbol als Hinweis für die Möglichkeit des kontaktlosen Bezahlens via NFC-TechnologieBild: picture alliance/dpa/A.Warnecke

Ist eine steigende Inflation wegen der Verschuldung wahrscheinlich?

In den letzten Jahrzehnten hat die immer expansivere Geldpolitik der Zentralbanken nicht zu steigenden Konsumentenpreisen geführt. Stattdessen sind die Preise von Vermögenswerten wie Aktien, Immobilien oder Gold stark nach oben geschossen. Auch das ist eine Art von Inflation, die zeigt, dass das Vertrauen in die Papierwährungen verloren geht.

Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass in Zukunft die Inflation doch ansteigt. Hamsterkäufe und Versorgungsengpässe haben in der Corona-Krise bereits die Preise von Gütern des alltäglichen Bedarfs steigen lassen. Wenn in Folge der Corona-Politik viele Geschäfte, Gaststätten und Hotels in Konkurs gehen, könnte das Preisniveau vieler Güter und Dienstleistungen weiter steigen.

Prof. Dr. Gunther Schnabl ist Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Leipzig. Hier leitet er das Institut für Wirtschaftspolitik.