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Kurze Wege: Lithium aus Deutschland

Klaus Ulrich
20. Juli 2020

Kein Akku ohne Lithium: Elektroautos, Mobiltelefone, Laptops und andere Geräte mit transportablem Stromspeicher sind auf den Rohstoff angewiesen. Bald könnte er auch hierzulande gewonnen werden.

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Arbeiter füllen in einer Pilotanlage am Salzsee von Uyuni in Bolivien Lithiumkarbonat in Säcke ein
Bolivien: Lithium-Produktion in UyuniBild: picture-alliance/dpa/G. Ismar

Jäger eines scheinbar verlorenen Schatzes sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Eine ihrer Erfindungen soll nun auch in Deutschland einen wirtschaftlichen Abbau von Lithium ermöglichen.

Der begehrte Rohstoff wird zur Herstellung von Elektro-Akkus für tragbare Elektronik und Elektromobilität benötigt. Für die Produktion werden jedes Jahr Millionen Tonnen Lithium gefördert - allerdings in Ländern, die ziemlich weit entfernt liegen: Chile, Argentinien, Bolivien und Australien vereinen mehr als 80 Prozent der weltweiten Produktion auf sich.

Lithium umweltfreundlich gewinnen

Nach Plänen des KIT soll Lithium aber bald auch minimalinversiv in Geothermieanlagen aus den Tiefengewässern des Oberrheingrabens - einer Region im Südwesten Deutschlands - gefördert werden.

Denn dort befänden sich beträchtliche Mengen des Elements Lithium gelöst in salzigen Thermalwasserreservoiren, wie es in einer Mitteilung des Instituts heißt. "Nach unseren Kenntnissen können es bis zu 200 Milligramm pro Liter sein", weiß der Geowissenschaftler Jens Grimmer vom Institut für Angewandte Geowissenschaften (AGW) des KIT: "Wenn wir dieses Potenzial konsequent nutzen, dann könnten wir in Deutschland einen erheblichen Teil unseres Bedarfs decken."

Der begehrte Rohstoff werde vor allem für die Produktion von Batteriezellen für Elektrofahrzeuge benötigt und sei somit für das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung von großer Bedeutung.

Bislang fehlte eine geeignete Technologie, um die heimischen Lithium-Reserven kostengünstig, umweltschonend und nachhaltig zu erschließen. Gemeinsam mit seiner Kollegin Florencia Saravia von der Forschungsstelle des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) am Engler-Bunte-Institut (EBI) des KIT hat Grimmer ein solches Verfahren entwickelt und dieses wurde nun vom KIT zum Patent angemeldet. "Dabei werden in einem ersten Schritt die Lithiumionen aus dem Thermalwasser herausgefiltert und in einem zweiten Schritt weiter konzentriert, bis Lithium als Salz ausgefällt werden kann", so Grimmer.

Weißes Pulver liegt vor einem Behälter mit der Aufschrift Li
Lithium - das "Weiße Gold"Bild: KIT/Amadeus Bramsiepe

Bestehende Infrastruktur nutzen

Gegenüber den traditionellen Methoden der Lithiumproduktion aus den südamerikanischen Salzseen und den australischen Festgesteinen biete laut KIT das Grimmer-Saravia-Verfahren einige entscheidende Vorteile: Genutzt werde die bestehende Infrastruktur von Geothermie-Anlagen, durch die pro Jahr bis zu zwei Milliarden Liter Thermalwasser strömen. Im Gegensatz zum klassischen Bergbau fiele deshalb kaum Abraum an und der Flächenverbrauch sei minimal. Weil das Thermalwasser nach Gebrauch wieder in den Untergrund zurückgeleitet werde, würden keine schädlichen Stoffe freigesetzt und auch die geothermische Strom- und Wärmeproduktion werde nicht gestört.

Lithium könne im Thermalwasserzyklus der Geothermie-Anlage kontinuierlich innerhalb von Stunden extrahiert werden, wohingegen die Anreicherung in den südamerikanischen Salzseen mehrere Monate dauere und stark wetterabhängig sei. Ein stärkerer Regen könne die dortige Produktion um Wochen oder gar Monate zurückwerfen. Darüber hinaus biete das Verfahren die Möglichkeit, weitere seltene und werthaltige Elemente wie Rubidium oder Cäsium aus dem Thermalwasser zu extrahieren, die beispielsweise in der Laser- und Vakuumtechnologie benötigt werden.

Positive CO2-Bilanz

Da die technisch-energetischen Möglichkeiten einer Geothermie-Anlage genutzt werden, hebt sich dieses Verfahren auch in der CO2-Bilanz von den herkömmlichen Verfahren ab. "Wir exportieren viele Umweltprobleme in Drittländer, um unseren Lebensstandard aufrechtzuerhalten und zu verbessern. Mit diesem Verfahren können wir unserer Verantwortung gerecht werden und wichtige Rohstoffe für moderne Technologien umweltverträglich vor der eigenen Haustür gewinnen", sagt Saravia. "Darüber hinaus können wir regionale Wertschöpfungsketten aufbauen, Arbeitsplätze schaffen und gleichzeitig geopolitische Abhängigkeiten reduzieren."

Laut der KIT-Mitteilung seien die beiden Wissenschaftler gemeinsam mit Partnern aus der Industrie nun dabei, eine Testanlage zur Lithium-Gewinnung zu entwickeln. In diesem ersten Prototypen, der in einer Geothermie-Anlage im Oberrheingraben aufgebaut werden soll, werden zunächst einige Kilogramm Lithiumkarbonat beziehungsweise Lithiumhydroxid gewonnen. Bei Erfolg sei der Bau einer Großanlage geplant. Möglich wäre dann eine Produktion von mehreren hundert Tonnen Lithiumhydroxid pro Jahr in jeder einzelnen der Geothermie-Anlagen. Nach aktueller Datenlage beliefen sich die Potenziale im Oberrheingraben auf deutscher und französischer Seite auf mehrere tausend Tonnen an förderbarem Lithium pro Jahr.

Höhere Kosten oder schlechtere Öko-Werte

Experten sprechen sogar von einem der größten Vorkommen weltweit. Doch Importe blieben auch in Zukunft nötig, betonte Martin Wedig, Geschäftsführer der Vereinigung Rohstoffe und Bergbau, kürzlich in einem Zeitungsinterview: "Das Vorkommen in Deutschland allein reicht für eine europäische Versorgung nicht aus."

Zwar habe Lithiumproduktion in Deutschland und Europa eine Zukunft, aber nur unter Bedingungen. In Südamerika zu produzieren sei deutlich billiger als in Deutschland. Im Endeffekt gehe es darum, höhere Kosten oder eine schlechtere CO2-Bilanz wegen längere Transportwege in Kauf zu nehmen.

Lithium: Das weiße Gold der E-Mobilität