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Politik

Venezuela: Wo steht die Opposition?

José Ospina-Valencia | Gabriel González Zorrilla
2. September 2020

Der venezolanische Präsident Nicolás Maduro begnadigt mit Blick auf die kommenden Wahlen über hundert politische Gefangene. Die Opposition ist entzweit und verurteilt die Aktion hilflos als "Falle".

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Nicolas Maduro
Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Delacroix

Rund drei Monate vor der Parlamentswahl gab die venezolanische Regierung die Begnadigung von mehr als 100 Oppositionellen bekannt, darunter mehr als 20 Abgeordnete, die der Verschwörung gegen den Präsidenten beschuldigt wurden. Man wolle "nationale Versöhnung", erklärte die Regierung. 

Einige Beobachter sehen in dieser Aktion vor allem das Bemühen der regierenden sozialistischen Partei, die Beteiligung an der kommenden Wahl zu erhöhen. Ein Teil der Opposition hat schon angekündigt, diese Parlamentswahlen wegen befürchteter Manipulationen boykottieren zu wollen.

"Sollten diese Wahlen stattfinden, dann wird Präsident Nicolás Maduro die Mehrheit in der Nationalversammlung bekommen, die er sich wünscht", sagt die Politologin Sabine Kurtenbach vom Hamburger GIGA-Institut für Lateinamerikastudien gegenüber DW. "Maduro hat die Spielregeln zugunsten Kandidaten und regimetreuen Parteien geändert, so dass diese eher Sitze in der Versammlung erhalten werden; die Opposition, die einen Regierungswechsel anstrebt, wird daher keine Chance haben zu gewinnen".

"Kollaboration mit der Diktatur"

So sehen es auch die 27 wichtigsten venezolanischen Oppositionsgruppen, die sich auf einen Boykott der bevorstehenden Parlamentswahlen geeinigt haben. Sie sind der Ansicht, dass die Wahlen von der linksgerichteten venezolanischen Regierung manipuliert werden und dass eine Teilnahme einer "Kollaboration mit der Diktatur" gleichkäme.

Venezuela Juan Guaidó vor dem Haus von Roberto Marrero in Caracas
"Es ist eine Falle": Der selbst ernannte Interimspräsident Juan Guaidó (Mitte) kritisiert die Freilassungen scharf Bild: AFP/R. Schemidt

Es ist nicht das erste Mal, dass die venezolanische Opposition eine Wahl boykottiert. Maduro trat 2018 nach einer umstrittenen Präsidentschaftswahl, die von großen Teilen der Opposition boykottiert wurde, eine zweite Amtszeit an. Es folgte eine massive Wirtschafts- und politische Krise, in deren Folge rund fünf Millionen Venezolaner das Land verließen. Im Januar 2019 ließ sich der Parlamentspräsident der von den Oppositionsparteien dominierten Nationalversammlung, Juan Guaidó, zum "Interimspräsidenten" ausrufen. Die USA und eine Mehrheit der EU-Mitgliedsländer - international insgesamt 60 Staaten - erkannten ihn an, doch sein politisches Gewicht hat mittlerweile stark nachgelassen.

Boykott der Wahlen ist umstritten

"Die Opposition ist auch deswegen nicht erfolgreich, weil sie einem Regime gegenübersteht, das bereit ist, alles zu tun, um an der Macht zu bleiben", meint Detlef Nolte, Politologe und Lateinamerika-Experte an der Universität Hamburg. Nolte warnt aber auch davor, dass "selbst wenn das Regime mit undemokratischen Methoden arbeitet, die Opposition trotz aller Frustration nicht dasselbe tun sollte".

Venezuela Roberto Marrero, Bürochef selbsternannter Interimspräsident Guaido
Auch Roberto Marrero, der Bürochef des selbst ernannten Übergangspräsidenten Juan Guaidó, wird begnadigtBild: picture-alliance/AP Photo/F. Llano

Die jüngste Begnadigung soll offensichtlich die Teilnahme der Opposition oder zumindest eines Teils an der umstrittenen Parlamentswahl im Dezember fördern. Sollten Teile der Opposition dem Lockruf folgen oder die Wahlbeteiligung ungewöhnlich hoch ausfallen, könnte der Plan von Nicolás Maduro aufgehen.

Der Oppositionsführer und selbsternannte Interimspräsident Juan Guaidó verurteilte die Begnadigungen scharf und sagte, dass die sozialistische Regierung die begnadigten Menschen als "Druckmittel" benutze, um "eine Farce zu legitimieren", und bezog sich dabei auf die bevorstehenden Parlamentswahlen. "Es ist eine Falle und wir werden nicht reinfallen", schrieb Guaidó auf Twitter.

Uneinigkeit der Opposition

Maduros strategischer Plan scheint erfolgversprechend zu sein. Er präsentiert sich als Staatschef, der die Versöhnung sucht und dies mit der umfassenden Begnadigung politischer Gefangener unter Beweis stellt. Ein Sieg bei den kommenden Parlamentswahlen soll ihm die Legitimation liefern, die es ihm erlaubt, die internationale Isolation zu durchbrechen. So könnte er an Kredite kommen, die das Land in seiner tiefen wirtschaftlichen Krise so dringend braucht. Doch welchen Plan verfolgt die Opposition?

Deutschland Prof. Sabine Kurtenbach GIGA Institut für Lateinamerika-Studien
Die Opposition hat keinen Plan für die Zukunft, warnt Sabine Kurtenbach vom GIGA Institut für Lateinamerika-StudienBild: GIGA/B. Rostami

"Abgesehen davon, dass sie Maduro loswerden wollen, hat die venezolanische Opposition weder ein gemeinsames Programm noch einen Plan für die Zukunft nach Maduro", sagt Sabine Kurtenbach. Dies sei ein ganz wichtiger und zentraler Grund, warum die Opposition kein Vertrauen in der Bevölkerung aufbauen kann. Sie sei noch nicht mal in der Lage, sich darauf zu einigen, auf welche Art und Weise sie Maduro aus dem Amt vertreiben will, so Kurtenbach. "Einige kooperieren, andere wollen an demokratischen Mitteln festhalten, und andere schließen den Weg der Gewalt nicht aus, wie beispielsweise die prominente Oppositionelle María Corina Machado."

Der Bumerang der ausländischen Intervention

"Aber Machado tut gerade Nicolás Maduro den allergrößten Gefallen, indem sie von der Notwendigkeit einer militärischen Intervention spricht", warnt Sabine Kurtenbach. Sie liefere Maduro den perfekten Vorwand, um zu behaupten, dass die wirkliche Bedrohung für das Land von außen komme, oder einer von außen gesteuerten Opposition. "Das Gerede von einer militärischen Intervention führt zu nichts, da kein Land bereit ist, sie durchzuführen, und das Regime nicht fallen wird, solange die Streitkräfte hinter Maduro stehen", ergänzt Nolte. 

Für die Politologin Kurtenbach steht fest: "Solange die Opposition ihre Spaltungen nicht überwindet, stellt sie die beste Garantie für den Fortbestand des Regimes von Nicolás Maduro".