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Corona-Impfstoff aus chilenischem Baum

Mirjam Gehrke
4. Oktober 2020

Die Mapuche in Chile nutzen ihn traditionell als Heilpflanze. Nun werden die Wirkstoffe des Quillay-Baums von dem amerikanischen Biotechunternehmen Novavax zur Entwicklung eines COVID-19-Impfstoffes benutzt.

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Seifenrindenbaum | Quillaria brasiliensis
Der Quillaybaum wird von den Mapuche in Chile traditionell als Heilpflanze genutztBild: Public Domain

Beim Rennen um die Entwicklung eines Impfstoffes gegen COVID-19 spielt zurzeit eine chilenische Biotecfirma ganz vorne in der Weltspitze mit. Das Unternehmen Desert King hat ein Verfahren entwickelt, mit dem die Wirkstoffe aus der Rinde und dem Holz des Quillay-Baums extrahiert werden. Die Substanz wird in einem aufwendigen Verfahren getrocknet und zu einem Pulver verarbeitet. Abnehmer ist die britische Niederlassung der US-Firma Novavax.

Am 25. September gab das Unternehmen bekannt, dass es mit der Substanz eine Studie der Phase III für einen COVID-19 Impfstoff begonnen hat. Bis zu 10.000 Freiwillige im Alter zwischen 18 und 84 Jahren sollen daran teilnehmen. Die Studie von Novavax ist derzeit eine von elf Studien für einen Impfstoff, die die 3. Phase erreicht haben.

Andrés González, Geschäftsführer von Desert King, geht davon aus, dass das Pharmaunternehmen nach Abschluss der Phase-III-Studie schon Anfang 2021 mit der Produktion der Impfdosen beginnen könnte. Wann ein Impfstoff gegen das Coronavirus zur Verfügung steht und wie dann die Verteilung geregelt wird, das kann derzeit niemand vorhersagen.

Natürlicher Biobeschleuniger

Der auch als Seifenrindenbaum bekannte Quillay (Quillaja saponaria) enthält in seiner dunkelgrauen, rissigen Rinde Saponine. Dabei handelt es sich um natürliche, pflanzliche Tenside, also seifenartige Substanzen, die bei Kontakt mit Wasser einen stabilen Schaum entwickeln. Diese Saponine setzen die Oberflächenspannung von Flüssigkeiten herab und können Stoffe miteinander verbinden, die sich normalerweise abstoßen, wie zum Beispiel Wasser und Fett.

Seifenrindenbaum | Quillaria saponaria
Die rissige Rinde des Quillay enthält seifenartige SaponineBild: R. Koenig/blickwinkel/picture-alliance

Einige dieser Saponine haben aber noch eine weitere Eigenschaft, die bei der Entwicklung eines Impfstoffes zum Tragen kommt: "Die Impfung besteht aus zwei Elementen: dem Antigen und dem sogenannten Adjuvanten", erläutert Geschäftsführer González. "Das Antigen aktiviert die körpereigene Abwehr. Und der Adjuvant ist der Träger des Antigens, der es in die Zellen einschleust. Außerdem steigert diese Substanz zusätzlich die Immunreaktion des Körpers."

Desert King hat die rund 50 verschiedenen Saponine des Quillay-Baums auf ihre unterschiedlichen Eigenschaften und Nutzbarkeit untersucht und dabei zwei Substanzen identifiziert, die sich als Adjuvantien eignen: QS7 und QS21. "Wir produzieren schon jetzt Quillay-Saponine in industriellen Mengen für Novavax", sagt González.

Überliefertes Wissen der Mapuche

Die Mapuche, Ureinwohner Chiles, wussten schon im 17. Jahrhundert um die heilende Wirkung der Baumrinde sowie der Blüten des Küllay, wie sie den Baum nennen. Er wird bis zu 20 Meter hoch, der Stamm kann einen  Durchmesser von 1,5 Metern erreichen.

Zwischen seinen immergrünen, lederartigen glatten Blättern verstecken sich kleine, weißgelbe, sternförmige Blüten. Der Quillay blüht von Oktober bis Januar und liefert in dieser Zeit einen aromatischen Honig. Die hölzernen Fruchtkapseln erinnern mit ihren fünf Zacken entfernt an Sternanis.

In der Medizin der Mapuche wird der Rindenextrakt traditionell als schleimlösendes Medikament bei Atemwegserkrankungen angewandt. Ein Aufguss oder eine alkoholische Tinktur aus den Blüten dienen zur Behandlung von rheumatischen Beschwerden. Auch bei Magenerkrankungen hilft der Extrakt der Quillay-Rinde.

Dank ihrer seifenartigen Eigenschaften wurde die Rinde früher auch als natürliches Shampoo verwendet. In der Lebensmittelindustrie wird die Schaum bildende Substanz heute unter anderem bei der Herstellung von Bier und anderen Getränken eingesetzt.

Nachhaltige Nutzung des Quillay

Eigentlich ist der Quillay ein anpassungsfähiger und genügsamer Baum, der auch auf kargen Böden und an Berghängen wächst. "Aber die Folgen des Klimawandels machen ihm zu schaffen", beobachtet der Forstwissenschaftler René Carmona von der Universidad de Chile in Santiago: "Die Dürren, die Chile seit zehn Jahren erlebt, haben vor allem die Bäume in den Hanglagen geschädigt."

Symbolbild | Lateinamerika - Coronavirus - Impfung Astrazeneca
Elf Impfstoffe gegen Covid-19 werden derzeit weltweit in klinischen Studien getestetBild: picture-alliance/empics/D. Cheskin

Die Hersteller von Quillay-Saponin in Chile legen großen Wert darauf, die Bäume nachhaltig zu bewirtschaften: sie werden lediglich beschnitten und nicht gefällt. "Der gezielte Rückschnitt der Bäume trägt dazu bei, dass sie weniger Biomasse haben und folglich weniger Wasser benötigen", erläutert Andrés González, "so kommen sie besser mit der Trockenheit klar."

Jetzt müsse es nur noch gelingen, die Bevölkerung für den Schutz des Quillay zu gewinnen, sagt Carmona. Die Vermarktung des Wirkstoffes aus dem Baum könne dabei eine wichtige Rolle spielen: "Dass eine internationale Pharmafirma diese Substanz bei der Entwicklung eines Impfstoffes gegen COVID-19 einsetzt, hilft uns dabei, den Menschen den Wert dieses Baumes zu vermitteln. Wir hoffen, dass das zu einem Umdenken führt und die Leute den Quillay nicht weiterhin achtlos zu Feuerholz verarbeiten."