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PolitikAsien

Iran und das Ende des Boykotts gegen Katar

9. Januar 2021

Nach der Verständigung Katars mit seinen arabischen Golfnachbarn will auch Teheran mit diesen bessere Beziehungen. Aber die Gegensätze bleiben.

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Mohammed bin Abdulrahman bin Jassim Al-Thani Außenminster von Katar
Bild: Imago Images/photothek/F. Gaertner

Nein, an den Beziehungen seines Landes zum Iran werde sich nichts ändern, erklärte der katarische Außenminister Scheich Mohammed bin Abdulrahman (Artikelfoto), nachdem er am vergangenen Dienstag zusammen mit dem saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman erklärt hatte, die bestehenden "Meinungsverschiedenheiten" seien nun beigelegt. "Das Ende der Golfkrise ist nicht nur ein Erfolg für Katar, Saudi-Arabien oder andere Länder, es ist ein Erfolg für alle", so der Außenminister. "Wir hoffen auf Lösungen, die die Spannung mindern werden", erklärte Bin Abdulrahman mit Blick auf den Iran. Die nun geplanten saudisch-katarischen Bemühungen um "transnationale Sicherheit" hätten keine Auswirkungen auf die Beziehungen Katars zum Iran.

Das Treffen am vergangenen Dienstag in der saudischen Wüstenstadt Al-Ula setzte einen Schlussstrich unter den Boykott, den Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Ägypten im Sommer 2017 gegen Katar begonnen hatten (DEEPLINK 1). Vorgeworfen hatten die vier Länder dem Emirat unter anderem, es pflege zu enge Beziehungen zum Iran, zu dem insbesondere die drei Golfstaaten ein sehr angespanntes Verhältnis haben. Saudi-Arabien und Iran konkurrieren seit Jahren um die Vormachtstellung in der Region wie im Nahen Osten insgesamt.

Iran Asalouyeh Süd-Pars Gasfeld
Iran und Katar teilen sich das weltweit größte Erdgasfeld zu einem bzw. zwei Dritteln. Das Foto zeigt eine petrochemischer Anlage im iranischen Teil Süd-Pars. Bild: picture-alliance/AP Photo/E. Noroozi

Enge Beziehungen Iran - Katar

Im iranisch-irakischen Krieg von 1980-1988 hatte Katar zwar die Iraker unterstützt. Doch nach dem Golfkrieg von 1990/91, bei dem eine internationale Koalition die Truppen des irakischen Diktators Saddam Hussein aus Kuwait vertrieben hatte, rückten Katar und der Iran enger zusammen. Beide schlossen 2010 ein Sicherheitsabkommen, das sie 2015 durch ein Abkommen über den gemeinsamen Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus in den Territorialgewässern ergänzten, beides zum Verdruss der meisten anderen Golfstaaten.

Auch wirtschaftlich sind Katar und der Iran eng verbunden: Gemeinsam beuten sie das auf dem Seegebiet beider Staaten liegende "South Pars/North Dome"-Gasfeld aus, das weltweit größte seiner Art. Im vergangenen November trafen sich beide Seiten, um die bestehende wirtschaftliche Zusammenarbeit zu vertiefen. So schlug der iranische Energieminister Reza Ardakanian einem Bericht der iranischen Nachrichtenagentur Tasnim zufolge vor, die Kooperation unter anderem auf den Gebieten der Wasseraufbereitung, der Stromerzeugung und des Transportwesens auszubauen.

Die Außenminister von Bahrain und den VAE sowie Donald Trump und Benjamin Netanjahu vor dem Weißen Haus
Die von den USA vermittelten Abkommen zwischen Israel und den VAE sowie Bahrain vom Herbst 2020 ("Abraham Accords") sind Iran ein Dorn im Auge Bild: Getty Images/AFP/S. Loeb

Baldige Stabilität am Golf unwahrscheinlich

Ohne nennenswerte militärische Stärke versucht sich Katar als diplomatische Verhandlungsmacht zu etablieren, etwa als Vermittler zwischen Israel und den Palästinensern. Könnte Katar nach der Beilegung seines Konflikts mit den Golfstaaten nun zwischen diesen und dem Iran vermitteln und so einen Beitrag zum Abbau der Spannungen in den Region leisten? Dafür spreche zur Zeit eher wenig, sagt der Politologe Thomas Richter vom Hamburger GIGA-Institut gegenüber der DW. Er verweist auf die Worte des iranischen Außenministers Mohammed Dschawad Sarif. Der hatte Katar am Dienstag dieser Woche zur Beilegung der Differenzen mit den arabischen Golfstaaten gratuliert, den Gruß aber auch mit einer Spitze gegen die von Saudi-Arabien geführte Allianz verbunden. "Herzlichen Glückwunsch an Katar zum Erfolg seines mutigen Widerstands gegen Druck und Erpressung", hatte Sarif geschrieben.

Das zeige, dass die Differenzen zwischen Iran und insbesondere Saudi-Arabien tief säßen, so Richter gegenüber der DW. Diese Differenzen hätten sich noch einmal verschärft, seitdem die VAE und Bahrain jüngst ein Friedensabkommen mit Israel, die so genannten "Abraham Accords", unterzeichnet haben, von dem sich Riad aus Sicht Teherans nicht deutlich genug distanziert hat. 

"Ich sehe daher sehr wenig Spielraum für eine wirkliche Annäherung durch eine Vermittlung Katars." Entscheidende Impulse hierfür könnten allenfalls von der neuen US-Regierung unter Joe Biden kommen. "Möglicherweise kann Katar hier helfen, um Gesprächskanäle zu öffnen beziehungsweise Vertrauen herzustellen. Mehr ist aus meiner Sicht derzeit aber nicht zu erwarten", so Richter zur DW.

Proteste gegen die USA in Bagdad
Pro-iranische und anti-amerikanische Demonstration in Bagdad vor einer WocheBild: Khalid Al-Mousily/REUTERS

Positive Signale Irans an die USA Fehlanzeige

Erschwerend für den Aufbau einer neuen regionalen Sicherheitsarchitektur unter Einbeziehung aller Beteiligten kommt hinzu, dass der Iran kein Interesse an einer Annäherung an die USA signalisiert, im Gegenteil. So verstößt er mit der angekündigten Anreicherung seines Urans auf 20 Prozent noch massiver als bisher gegen das Atomabkommen. Gleichzeitig bekräftigt er seinen Machtanspruch im Irak. Tausende Anhänger pro-iranischer Milizen versammelten sich dort, um an die Tötung des Kommandanten der Al-Kuds-Brigaden, Kassem Soleimani und dessen Stellvertreter im Irak, Abu Mahdi al-Muhandis, zu erinnern. Amerikanische Geheimdienste hätten zudem beobachtet, dass der Iran verstärkt Waffentechnik in den Irak geschmuggelt habe, berichtet das Online-Magazin "Al-Monitor". Zudem erklärte der Führer der mit dem Iran verbundenen libanesischen Hisbollah, Irans nichtstaatliche Verbündete könnten die Tötung Soleimanis rächen.

In dem Zusammenhang ist zu beachten, dass Katar mit den USA verbündet ist. Auf seinem Territorium liegt der Luftstützpunkt Al-Udeid. Er wird von der amerikanischen, der britischen und der australischen Luftwaffe genutzt. Sollte es zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen den USA und dem Iran kommen, stellte die Basis für den Iran eine erhebliche Bedrohung dar.

Zumindest auf die Nachbarstaaten scheint der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif nun aber doch zugehen zu wollen. Nach dem "baldigen Abgang ihres Gönners" – gemeint ist US-Präsident Trump - sollten sie ihre Differenzen mit dem Iran beenden und die gegenseitigen Beziehungen wieder normalisieren.

 

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika