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Feuer und Flamme für "Tokyo 2020"

Martin Fritz aus Tokio
24. März 2021

Mit dem Fackellauf beginnt der Countdown für die verschobenen Olympischen Spiele in Japan. Die Organisatoren wollen damit auch letzte Zweifel an der Austragung beseitigen. Martin Fritz aus Tokio.

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Griechenland Übergabe des olympischen Feuers an Japan | Imoto Naoko
Übergabe des Olympischen Feuers an Japan am 19.03.2020Bild: Imago-Images/Xinhua

Eigentlich weckt das Gastgeberland mit dem traditionellen Fackellauf olympische Begeisterung bei der Bevölkerung, indem die Flamme monatelang alle Regionen durchläuft und schließlich zur Eröffnungsfeier im Olympiastadion eintrifft. Doch die Gefahr von Corona-Infektionen zwingt die Organisatoren von "Tokyo 2020", wie die Sommerspiele offiziell weiter heißen, zu Ablaufregeln, die jede Olympiafreude schon im Ansatz dämpfen.

Bereits der offizielle Start am Donnerstag (25.03.2021) findet ganz ohne jubelndes Publikum statt. Wenn mehrere Mitglieder der Nationalmannschaft im Frauenfußball die Fackel an der olympischen Flamme entzünden, die vor einem Jahr aus Griechenland gekommen war, dann schauen nur wenige geladene Gäste vor Ort zu, darunter die neue Präsidentin des japanischen Organisationskomitees, Seiko Hashimoto. Interessierte Zuschauer müssen sich mit einer Liveübertragung im Fernsehen und im Internet begnügen.

Japan | Tokio | Vorbereitungen Olympische Spiele 2021
Bild: Philip Fong/AFP/Getty Images

Klatschen statt Jubeln

Auch in den folgenden 121 Tagen bis zur Eröffnung der Spiele am 23. Juli sollen die Japaner den 10.000 Läuferinnen und Läufern, die ihre Fackel jeweils 200 Meter weit tragen, möglichst am Bildschirm verfolgen. Wer sich doch direkt an die Strecke stellt, muss eine Maske tragen und Abstand halten. Anfeuernde Rufe sind verboten, nur klatschen ist erlaubt. Falls doch zu viele Zuschauer kommen, wird der Lauf abgebrochen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer selbst sollen vor ihrem Einsatz zwei Wochen lang Kontakte vermeiden.

Die lange Unsicherheit über die Austragung und die scharfen Auflagen haben Absagen von prominenten Läuferinnen und Läufern verursacht, darunter die Fußballweltmeisterin von 2011, Homare Sawa, und der Eiskunstläufer Shoma Uno. Aber am Programm selbst machen die Veranstalter keine Abstriche: In Hiroshima zum Beispiel, wo die erste Atombombe der Menschheit am 6. August 1945 gezündet wurde, schwimmt eine Frau in einem Spezialstil mit der Fackel in der Hand durch den Fluss vor dem "Atombombendom". Im nördlichen Hokkaido kommt die Flamme auf einem von Pferden gezogenen Eisenschlitten vorwärts. Auch der älteste Mensch der Welt Kane Tanake will mitmachen. An ihrem Einsatztag wäre sie 118 Jahre und 129 Tage alt.

Homare Sawa und Lionel Messi Fussballer des Jahres 2011
Homoare Sawa (l.) und Lionel Messi waren Weltfußballer des Jahres 2011Bild: REUTERS

Unwahrscheinliche Absage

Trotz aller vorbeugenden Maßnahmen wäre es aus Sicht von Epidemiologen besser, auf den Fackellauf zu verzichten. Bisher ist nicht einmal ein Prozent der japanischen Bevölkerung geimpft, während sich mutierte Coronaviren ausbreiten. Der Notstand im Großraum Tokio wurde erst am vergangenen Wochenende aufgehoben. Aber die Organisatoren wollen neben einem Test der Hygienevorkehrungen unbedingt das Signal senden, dass es ab diesem Punkt kein Zurück mehr geben wird. "Mit dem Fackellauf schrumpft die Wahrscheinlichkeit, dass die Spiele doch noch abgesagt werden, auf wenige Prozent", meint Barbara Holthus, Vizedirektorin am Deutschen Institut für Japan-Studien in Tokio und Mitherausgeberin eines Buches über "Tokyo 2020".

Bei Umfragen sprachen sich zuletzt mehr als zwei Drittel der Japaner dafür aus, die Spiele erneut zu verschieben oder ausfallen zu lassen. Der Fackellauf soll einen Stimmungswandel bringen. "Vor der Pandemie war die Leidenschaft der Leute doch da", erklärte Organisationschefin Hashimoto. "Wir wollen dieses Gefühl zurückbringen, so dass wir ihre Sorgen in Vorfreude verwandeln können." Die größte Sorge der Japaner haben die Veranstalter berücksichtigt, indem sie nur Athleten und ihre Betreuer einreisen lassen. "Die Grenzen, die Japan seit einem Jahr dicht hält, plötzlich für Massen von Ausländern zu öffnen, das hätte die Bevölkerung nicht mitgemacht", erklärt Expertin Holthus.

Japan Tokio | Werbung Olympische Sommerspiele 2020
Mit großem Banner wird in Tokio für Olympische Spiele im Sommer 2021 geworbenBild: Behrouz Mehri/AFP/Getty Images

Widersprüchliche Narrative

Doch die ursprüngliche Symbolik des Fackellaufes unter dem Motto "Hoffnung erleuchtet unseren Weg" überzeugt nicht mehr. Japan hatte sich kurz nach der Dreifachkatastrophe mit Erdbeben, Tsunami und Kernschmelzen in Fukushima vor zehn Jahren um Olympia 2020 in Tokio beworben. Die Sommerspiele sollten das "Symbol für den Wiederaufbau" des vom Tsunami und Supergau heimgesuchten Landes sein, lautete das Narrativ bei der Bewerbung. Der Fackellauf zeige der Welt den Fortschritt beim Wiederaufbau der Region und bringe "Dankbarkeit" für die damalige Hilfe aus aller Welt zum Ausdruck, bekräftigte Organisationschefin Hashimoto.

Als Startort wurde daher das Fußballtrainingszentrum J-Village 20 Kilometer südlich des zerstörten Atomkraftwerks Fukushima Daiichi gewählt. Dort befand sich das provisorische Hauptquartier von Betreiber Tepco. Wo sich jahrelang Arbeiter auf ihren Einsatz in den Atomruinen vorbereiteten, trainieren inzwischen wieder Nachwuchsfußballer auf elf Plätzen. Die Laufstrecke am Donnerstag führt sogar an den Atomruinen vorbei, wenn auch in sicherer Distanz.

Allerdings hat die japanische Regierung die Begründung für die Austragung inzwischen weg von den "Wiederaufbau-Spielen" zum "Beweis für den Sieg über das Coronavirus" verschoben. Jedoch überzeugt der neue Slogan in Japan nicht viele, wenn wegen der Ansteckungsgefahr erstmals bei Olympia keine ausländischen Zuschauer, keine Angehörigen der Athleten und kaum freiwillige Helfer ins Gastgeberland einreisen dürfen. Dabei verkörpert das gewundene Emblem von "Tokyo 2020" extra das olympische Motto "Einheit in der Vielfalt". "Die olympische Idee von der Völkerverständigung findet nicht statt, wenn keine Ausländer kommen und die Athleten verschiedener Nationen keinen Kontakt untereinander haben sollen", kommentiert Olympia-Expertin Holthus.