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TUI Cruises plant die klimaneutrale Kreuzfahrt

Neil King
26. März 2021

Kreuzfahrten sind ein boomendes Geschäft mit einem enormen ökologischen Fußabdruck. Das deutsche Kreuzfahrtunternehmen TUI Cruises will bis 2050 klimaneutral sein. Aber wie soll das gehen?

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Pressebilder TUI Cruises | Schiff
Bild: TUI Cruises

Kreuzfahrten gehören zu den CO2-intensivsten Formen des Reisens. Sie sind einer der am schnellsten wachsenden Sektoren der globalen Tourismusindustrie. Kreuzfahrtunternehmen, die versuchen, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren, stehen vor einer Mammutaufgabe.

Lucienne Damm ist Umweltmanagerin von TUI Cruises, einem Joint Venture des weltgrößten Touristikunternehmens der TUI Group - mit Sitz in Deutschland - und der weltweit zweitgrößten Kreuzfahrtgesellschaft Royal Caribbean. TUI Cruises beschäftigt mehr als 7.000 Mitarbeiter und hat sieben Schiffe, die auf 80 Routen rund um die Welt unterwegs sind. Lucienne Damm wurde 2011 die erste Umweltmanagerin von TUI Cruises. Davor arbeitete sie für den Naturschutzbund (NABU), er steht der Kreuzfahrtindustrie kritisch gegenüber.

Porträt Lucienne Damm, lächelt, jung, weiß, rote Haare
Lucienne Damm arbeitet daran Kreuzfahrtschiffe nachhaltiger zu machenBild: Rene Supper/TUI Cruises

Der DW-Umweltpodcast "On the Green Fence" sprach mit ihr darüber, wie TUI Cruises seine Schiffe dekarbonisieren und bis 2050 klimaneutral werden will.

DW: Ist die Umwelt angesichts der Auswirkungen der Pandemie auf den Tourismus in den Hintergrund getreten, weil es nur noch um Profitabilität geht?  

Nein, sie ist nicht in den Hintergrund getreten. Wir arbeiten intensiv an unserer Nachhaltigkeitsstrategie für die nächsten 10 Jahre. Wir werden große Veränderungen vornehmen müssen, wenn wir bis 2050 klimaneutral werden wollen.

Wie sehen die Etappenziele bis 2050 aus?

Wir wollen unsere relativen Emissionen um 40 % pro Passagier und Übernachtung im Jahr 2025 im Vergleich zu 2015 senken. Im Jahr 2030 wollen wir klimaneutrale Schiffe oder Routen anbieten - bis 2050 dann hoffentlich komplett klimaneutrale Kreuzfahrten.  Wir wissen derzeit aber noch nicht, welche Technologie bis dahin in größerem Umfang verfügbar sein wird. Das gilt nicht nur für die Kreuzfahrtindustrie, sondern für den gesamten Schifffahrtssektor. Wir haben nicht die eine Lösung, die für alles passt. Es wird ein Mix aus einer Vielzahl von Technologien sein. Wir kennen diese Technologien von Anwendungen an Land, aber wir müssen sie auf die Schiffe bringen. Und das ist eine der größten Herausforderungen, weil der Platz auf Schiffen sehr begrenzt ist. Das wird oft vergessen. 

Womit fährt Ihre Flotte im Moment?  

Mit Schiffsdiesel und Schweröl mit Entschwefelungsanlagen und Katalysatoren, also von der Abgasseite her vergleichbar mit Gasöl für den Seeverkehr.  

Technikraum auf Kreuzfahrtschiff
TUI's Kreuzfahrtschiffe fahren hauptsächlich mit Schiffsdiesel und Schweröl inklusive Entschwefelungsanlagen.Bild: Rene Supper/TUI Cruises
Kreuzfahrtschiff im Fjord
Das norwegische Unternehmen Hurtigruten hat bereits Hybrid-Antriebe in seiner Flotte.Bild: picture-alliance/AP Photo/R. Stoltz Bertinussen

Aber Sie haben zwei Schiffe mit Flüssigerdgasantrieb in Auftrag gegeben? 

Ja, das erste wird 2024 und das zweite 2026 ausgeliefert. Wir prüfen gerade die Möglichkeiten, wie wir diese Schiffe betanken können, nicht mit konventionellem Erdgas (LNG), sondern zum Beispiel mit Bio-Gas (Bio-LNG). Wir haben viele Vorschläge auf dem Tisch und müssen nun schauen, welche davon sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich Sinn machen. Aber LNG wird nur eine Zwischenlösung sein.

LNG reduziert die CO2-Emissionen lediglich um bis zu 20 Prozent, oder? 

Das ist sogar eine ziemlich optimistische Zahl. Ich denke, wir müssen diese Schiffe in Betrieb nehmen und dann wirklich noch mal messen, wie groß die CO2-Einsparungen wirklich sind. Außerdem, sobald man Fracking-Gas einsetzt, geht es um weit mehr als nur um Emissionen. Damit würde man den eigentlichen Zweck, den die nachhaltige Schifffahrt verfolgt, zunichtemachen.  Es gibt gewisse Dinge, die sind für TUI-Cruises ein "No-Go".

Das ist in Stein gemeißelt? Kein Fracking-Gas auf Ihren Schiffen?  

Für uns ist das keine Option. Wir müssen zum Teil noch fossiles Flüssiggas einsetzen, in ein paar Jahren werden wir es aber hoffentlich durch alternatives Bio-LNG ersetzen können.

Was ist mit Batterien?  

Alle reden von Batterien und elektrischem Fahren. Aber auf einem Kreuzfahrtschiff macht das nicht viel Sinn, weil die erforderlichen Batterien viel zu groß und zu schwer wären.  

Bei der norwegischen Konkurrenz scheint es aber zu klappen. Hurtigruten hat doch ein Hybrid-Elektroschiff, oder nicht?  

Ihre Schiffe sind aber viel kleiner und fahren nur auf ganz bestimmten Routen in den norwegischen Fjorden ein. Am Beispiel Norwegens kann man aber gut sehen was Regulierung bewirken kann. Norwegen hat die norwegischen Fjorde ab 2026 zu Nullemissionsgebieten erklärt. Der Druck ist also enorm und viele Unternehmen versuchen, Lösungen zu finden. Aber meistens nur für genau diese Gebiete. Hybridelektrische Schiffe können vielleicht im Fjord hin und her fahren, aber draußen auf dem Meer ist man immer noch auf konventionelle Antriebe gewiesen.

Venedig Kreuzfahrtschiff fährt durch Lagune
Der Kreuzfahrtindustrie wurde immer wieder vorgeworfen, Müll im Meer zu verklappen, Angestellte auszubeuten und den Massentourismus zu fördern.Bild: AFP/M. Medina

Laut Ihrem letzten Umweltbericht 2019 operiert TUI Cruises effizienter. Lebensmittelabfälle und Wasserverbrauch wurde reduziert. Die CO2-Emissionen pro Kopf wurden ebenfalls gesenkt. Tatsächlich sind aber die Gesamtemissionen ihrer Flotte gestiegen, weil das Unternehmen wächst. Das Problem der weltweit steigenden CO2-Werte lösen wir aber nicht mit steigender Effizienz, oder?

Das stimmt. Auf Flottenbasis hat man natürlich einen Vorteil, wenn Sie neue Schiffe in die Flotte bringen, die effizienter sind. Bei all den Unternehmen da draußen, die versuchen, den CO2-Ausstoß in den Griff zu bekommen, muss man sich die relativen und absoluten CO2-Emissionsziele genau ansehen. Man wird feststellen, dass die meisten von denen relative Ziele haben. Die größte Herausforderung besteht darin, ein absolute Ziele für tatsächliche Emissionsreduzierungen zu erreichen. Und das können wir nur durch einen Umstieg auf andere Brennstoffe erreichen.

Es wird gerade viel an alternativen Kraftstoffen geforscht, aber die meisten sind noch nicht serienreif. Welcher Kraftstoff wird sich Ihrer Meinung nach durchsetzen?  

Es ist noch zu früh das zu sagen, aber ich denke, wir müssen Biokraftstoffevorantreiben, weil wir da draußen noch so viele konventionelle Schiffe haben. Mit einer guten Beimischungsstrategie kann man die Emissionen wirklich senken und beispielsweise den Anteil von Bio-Kraftstoffen Jahr zu Jahr erhöhen und sich so auf das Niveau bringen, dass man bis 2030 oder 2050 erreichen muss.

Wo sollen diese Biokraftstoffe herkommen, ohne neue Belastungen für die Umwelt zu schaffen?

Die Frage der Beschaffung ist der Grund, warum die Experten hier ein wenig zurückhaltend sind. Ich denke, wir müssen Lösungen finden, bei denen Kraftstoffe aus Nebenprodukten der Industrie an Land gewonnen werden. Ich denke, es gibt eine Menge Potenzial, Abfälle zu nutzen. Und das gilt übrigens auch für Autos oder die Luftfahrt. Wenn man das Gesamtbild betrachtet, müssen wir Biokraftstoffe finden, die wir als Alternativen für den gesamten Transportsektor nutzen können.

Tanke vor Cuxhafen
Die internationale Schifffahrt ist für 2,5 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich.Bild: DW/H. Franzen

Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang die Preisgestaltung? Fossile Brennstoffe sind ja immer noch viel billiger als Biokraftstoffe.  

Ja, absolut. Im Moment ist es schwierig, eine Prognose abzugeben, aber wenn die Nachfrage und auch die Produktionskapazitäten von Biokraftstoffen steigen, erwarten wir bessere Preise. Aber generell haben Sie Recht, alternative Kraftstoffe werden in Zukunft teurer sein und das müssen wir berücksichtigen. Ich denke, dass Unternehmen bereit sein müssen mehr für die Produktion von Gütern usw. zu zahlen, aber auch die Preise für die Endverbraucher anzuheben.  

 

Dieses Interview wurde von Neil King geführt, aus dem englischen adaptiert und aus Gründen der Verständlichkeit und Länge bearbeitet.