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Französische Firmen holen Produktion zurück

Lisa Louis Paris
5. Juli 2021

Die Corona-Krise scheint den Trend zum Reshoring verstärkt zu haben. Immer mehr Unternehmen holen Produktionskapazitäten nach Frankreich zurück. Doch es gibt Grenzen.

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Mittlerweile geschlossene Stahlfabrik in Florange in Frankreich
Das war einmal: Mittlerweile geschlossene Stahlfabrik in Florange in FrankreichBild: picture-alliance/dpa

Das Familienunternehmen Auer produziert seit nunmehr fast 130 Jahren Gas- und Ölheizungen sowie Wasserboiler. Seit geraumer Zeit fabriziert es diese unter anderem in Ländern wie Serbien und Polen. Doch als die mittelgroße Firma vor einigen Jahren beschloss, langfristig komplett auf energiesparende Wärmepumpen umzustellen, war klar, dass sie zumindest einen Teil dieser Produktion nach Frankreich würde zurückbringen müssen.

"Wir werden unsere emaillierten Stahltanks hier an unserem Hauptsitz in Feuquières-en-Vimeu herstellen. Sie sind ein strategisch wichtiges Element unseres Produktes, und nur so können wir diese Innovation auch schützen", sagt Auers Generaldirektor Lionel Palandre im Gespräch mit DW. Damit liegt Auer im Trend: Immer mehr Unternehmen entscheiden sich dafür, Produktionskapazitäten nach Frankreich zurückzuholen - auch, wenn dieses sogenannnte Reshoring seine Grenzen hat.

Das französische Unternehmen Auer
Das französische Unternehmen Auer will seine Produktion auf energiesparende Wärmepumpen umstellenBild: Privat

Corona: Erst Bremser, jetzt Katalysator des Reshorings? 

Eine Produktion vor Ort wird dabei noch andere Vorteile für Auer haben, so der Unternehmer: "Wir können dadurch unsere Produktionskosten senken, weil weniger Transportgebühren anfallen und wir außerdem wir die Fabrikation teilweise automatisiert haben."

Doch vergangenes Jahr hätte das Unternehmen seine Rückhol-Pläne fast aufgegeben - wegen der COVID-19-Pandemie. "Der französische Markt brach auf einmal komplett ein, und man konnte auch nicht absehen, ob und wann er wieder nach oben gehen würde", erinnert sich Palandre. "Da haben wir wirklich daran gezweifelt, ob es richtig ist, die Produktion nach Frankreich zurück zu verlagern."

Wenn nicht die helfende Hand das Staates gewesen wäre: "Wir haben von der Regierung einen Zuschuss von 800.000 Euro zu unserer Investition in Höhe von fünf Millionen Euro bekommen - diese Gelegenheit mussten wir einfach ergreifen!" Zehn zusätzliche Stellen schafft das Unternehmen dieses Jahr an seinem Hauptsitz.

Lionel Palandre ist Generaldirektor des Unternehmens Auer
Lionel Palandre ist Generaldirektor des Unternehmens AuerBild: Privat

Regierung will Reshoring fördern

Auer ist eins von bisher 500 Unternehmen, dessen Reshoring-Pläne die Regierung unterstützt - innerhalb ihres milliardenschweren Wiederaufbauplans für die von Corona geplagte Wirtschaft. "Wir stellen insgesamt 500 Millionen Euro für diese Unternehmen zur Verfügung", sagt Industrieministerin Agnès Pannier-Runacher zu DW. "Schließlich hat sich unser Land über die vergangenen 30 Jahre deindustrialisiert. Die Industrie macht nur noch zwölf Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes aus, im Vergleich zu 23 Prozent in Deutschland - dabei ist sie das Rückgrat unserer Wirtschaft. Wir wollen sie wiederherstellen!"

Industrieministerin Agnès Pannier-Runcher
Industrieministerin Agnès Pannier-Runcher sagt, dass Frankreich seine Industrie stärken will.Bild: Mael Fuentes

Die Pandemie habe zudem die Kehrseite von globalen Lieferketten deutlich gemacht. "Vielen Unternehmen ist klar geworden, dass Outsourcing sie weniger wettbewerbsfähig macht, wenn diese Lieferketten auf einmal unterbrochen sind. Außerdem kann man sich Marktentwicklungen viel besser anpassen und schneller neue Prototypen produzieren, wenn man im Heimatland herstellt", unterstreicht die Ministerin.

Umdenken auf Kundenseite

Auch bei den Kunden hat COVID-19 zu einem Umdenken geführt. Das zumindest meint Julien Bianchi, Generaldirektor des Kleidungs- und Schuhherstellers TBS, der seine Produkte an Großhändler oder in seinen rund 40 Geschäften in Frankreich verkauft. "Uns fragen immer mehr Kunden, ob unsere Kleidung denn auch in Frankreich hergestellt sei - es gibt eine regelrechte Nachfrage nach Made-in-France-Produkten", sagt er zu DW.

Julien Bianchi ist Generaldirektor von TBS
Julien Bianchi ist Generaldirektor von TBSBild: Privat

Das überzeugte Bianchi vergangenes Jahr, eine Werkstätte für Prototypen am Hauptsitz des Unternehmens im westfranzösischen Saint-Pierre-Montlimart in eine Produktionseinheit für Kleidung umzuwandeln. Anstelle von vorher drei arbeiten dort nun sieben Angestellte - im Herbst soll ihre Zahl auf zehn anwachsen.

"Zwar sind unsere Produktionskosten hier 30 Prozent höher als in der Türkei, wo wir immer noch einen großen Teil unserer Kleidung fabrizieren", erklärt er. "Trotzdem machen wir mit unseren Made in France-Produkten Gewinn und können sogar nicht mehr mit der Nachfrage Schritt halten!" So sei das Unternehmen in einer "Wachstumskrise", wie Bianchi das nennt: "Wir haben Bestellungen für 16.000 Artikel pro Jahr, aber können mit den aktuellen Kapazitäten jährlich nur 11.000 herstellen."

In den kommenden Jahren will TBS deswegen die Zahl der Angestellten der neuen Produktionseinheit auf 30 erhöhen. 500.000 Euro will man investieren - in neue oder umgewandelte Fabrikhallen und neue Maschinen. Das Unternehmen hofft, dass die Regierung die Hälfte dieser Investition tragen wird.

Trend zum Reshoring - mit Grenzen

Und Unternehmen wie Auer und TBS könnten erst der Anfang sein, meint David Cousquer, Chef der Unternehmensberatung Trendeo, die Statistiken zum Reshoring in Frankreich erstellt. "2019 haben 20 Unternehmen Produktionsstätten nach Frankreich zurückverlagert", sagt er zu DW. "Vergangenes Jahr waren es schon 30 und dieses Jahr könnten es bis zu 80 werden. Langfristig könnten Unternehmen so Hunderttausende Jobs in Frankreich schaffen."

David Cousquer ist Chef der Unternehmensberatung Trendeo
David Cousquer ist Chef der Unternehmensberatung TrendeoBild: Lisa Louis/DW

Dennoch habe Reshoring seine Grenzen. "Bisher verlagern Unternehmen vor allem kleine und mittlere Produktionslinien zurück nach Frankreich. Und unsere gesamte Industrie werden wir nicht zurückholen können - dafür fehlen uns die Facharbeiter", so der Experte.

Unternehmenschef Palandre will sich dennoch nicht von seinen Plänen abbringen lassen. "Wir werden über die nächsten Jahre hier zwischen 50 und 70 zusätzliche Stellen schaffen - und wenn wir die Leute selbst dafür anlernen müssen", sagt er. Das Unternehmen will dafür bis September des nächsten Jahres eine neue Fabrikhalle bauen.

"Wenn wir in einem sich schnell entwickelndem Markt wie dem der umweltfreundlichen Wärmepumpen überleben wollen, müssen wir einfach die volle Kontrolle über unsere Innovationen und kritischen Komponenten haben", gibt sich der Unternehmer überzeugt.