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Musik

Berlin erprobt PCR-Test-Konzept für Clubs

Sven Töniges | Kevin Tschierse
6. August 2021

Nachtleben trotz Pandemie? In einem Pilotprojekt mit medizinischer Überwachung durch die Charité öffnet Berlin erstmals Clubs für 2000 Feiernde.

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Ein Foto zeigt eine Tanzfläche mit Feiernden im Berliner Club KitKat
Der Berliner KitKatClub beteiligt sich am Test-ProjektBild: picture-alliance/dpa/J. Henkelmann

Seit den 1990er-Jahren hat sich die Club-Kultur der deutschen Hauptstadt zu einem gigantischen Wirtschaftsfaktor entwickelt: Noch 2019 spülte das Nachleben laut einer Studie 1,48 Milliarden Euro in die Berliner Stadtkasse. Nach gut 18-monatigem Pandemie-Tiefschlaf soll das Partyleben nun behutsam wieder zum Leben erweckt werden. Und das mit wissenschaftlichem Mehrwert.

Techno in Corona-Zeiten

In einem Pilotprojekt sollen für das Wochenende vom 6. bis 8. August rund 2000 Besucherinnen und Besucher in sechs ausgesuchten Clubs feiern dürfen, wenn sie zuvor in ein Test-Konzept eingewilligt haben.

PCR-Test für die Clubs

Dieses sieht vor, dass alle Feiernden - ob geimpft oder nicht - vor dem Eintritt einen PCR-Test durchlaufen haben. Einfache "Bügerschnelltests" genügen nicht. Das Besondere: Einige Tage nach dem Event sollen sich die Teilnehmenden einem erneuten PCR-Test unterziehen. Initiiert und durchgeführt wird das Projekt "Clubculture Reboot" vom Branchenverband Clubcommission Berlin. Man brauche dringend eine Perspektive, Veranstaltungen ohne Maske und Abstand zu ermöglichen, sagt Clubcommission-Vorsitzende Pamela Schobeß in einer Presseerklärung des Verbands. Sechs Clubs machen bei dem Projekt mit, darunter der legendäre KitKatClub, der zwischenzeitlich als COVID-Testzentrum diente, und das Kreuzberger Club-Urgestein SO36. Nicht mit dabei ist das Berghain, internationales Aushängeschild des Berliner Nachtlebens. 

Testballon für den Kulturbetrieb

Corona-Mutation: Wie gefährlich ist die Delta-Variante?

Finanziell unterstützt wird die Aktion von der Stadtregierung, dem Berliner Senat. Kultursenator Klaus Lederer verwies in einer Erklärung auf die Bedeutung des Versuchs für den gesamten Kulturbetrieb. Die Clubkultur brauche dringend eine Öffnungsperspektive - genauso wie die Bühnen und Museen. Die wissenschaftliche Begleitung durch die Berliner Kliniken der Charité gebe "einen Rahmen, in dem ausgelotet werden kann, was zukünftig gehen wird", so Lederer.

Clubben für die Wissenschaft

"Diese Tage sind sehr entscheidend für das Berliner Nachtleben", sagt Clubcommission-Sprecher Lutz Leichsenring. Doch nicht zuletzt soll das Projekt "Reboot Clubculture" Erkenntnisse liefern für die wissenschaftliche Erforschung der Pandemie. Ziel ist es, durch den Großversuch eine "temporäre SARS-CoV-2-freie Kohorte" zu schaffen: Infizierte werden vor der Veranstaltung herausgefiltert, um eine Virus-Übertragung während des restlos ausverkauften Events zu verhindern. 

Eine 10-Euro-Kaution auf das für 25 Euro ausgestellte Ticket soll die Party-Probanden zum zweiten PCR-Test nach dem Feier-Wochenede motivieren. Kultursenats-Sprecher Daniel Bartsch setzt hingegen auf den "Solidargedanken und das Verantwortungsgefühl gegenüber der Gesellschaft und auch den Clubs" wie er auf DW-Nachfrage mitteilte. Um die verbleibenden Infektionsketten nachverfolgen zu können, müssen sich rund 80 Prozent der Studien-Teilnehmer nachtesten lassen, so der am Projekt beteiligte Mediziner Florian Kainzinger. Diese Strategie für Kulturveranstaltungen könnte auch jenseits des Dancefloors prototypisch werden.

"Impfparty": Biontech trifft Techno

Und gleich im Anschluss an das "Reboot"-Projekt stellt sich die Berliner Partywelt abermals in den Dienst der Pandemie-Bekämpfung: Vom 9. bis 13. August rufen die "Langen Nächte des Impfens", dazu auf, in Club-Atmosphäre mit DJ-Musik, am Rande der Tanzfläche den Arm freizumachen und sich impfen zu lassen.

Unterdessen setzen sich Clubbetreiber deutschlandweit angesichts der Impffortschritte für eine gänzliche Aufhebung der Corona-Maßnahmen im Innenbereich ab Oktober ein. Die flächendeckenden Impfangebote entzögen die rechtliche Basis, weiterhin Grundrechte und die freie Berufsausübung einzuschränken, heißt es in einer Erklärung des Verbands der Musikspielstätten in Deutschland (LiveKomm). Clubkultur stehe für gesellschaftliche Freiräume. Sie dürfe "nicht am langen Arm der Pandemie verhungern". Im Sommer konnte vielerorts immerhin im Freien gefeiert werden. Ab Herbst muss dann sicheres Tanzen auch in Innenräumen erlaubt sein. Die Berliner Projekte "Clubculture Reboot" und "Lange Nächte des Impfens" könnten wegweisend sein, wie Partys deutschlandweit in Zukunft stattfinden.