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Frauenfußball: US-Skandal zieht Kreise

Stefan Nestler mit dpa, sid, rtr
6. Oktober 2021

Nach dem jüngsten Skandal um mutmaßliche sexuelle Übergriffe von Trainern der US-Frauenfußball-Liga NWSL erheben auch Spielerinnen in Venezuela und Australien schwere Vorwürfe.

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Deyna Castellanos
Deyna Castellanos, Kapitänin der venezolanischen Nationalmannschaft, bezieht deutlich StellungBild: Xinhua/imago images

"Im vergangenen Jahr erzählte uns eine Mitspielerin, dass sie von ihrem Trainer seit ihrem 14. Lebensjahr sexuell missbraucht worden sei", heißt es in einem offenen Brief, den 24 Spielerinnen venezolanischer Nationalteams unterzeichneten, unter ihnen Deyna Castellanos, 22 Jahre alter Stürmerstar des spanischen Klubs Atletico Madrid: "Wir haben entschieden, das Schweigen zu brechen, um zu verhindern, dass dieser Trainer für weitere Opfer physischen, psychologischen und sexuellen Missbrauchs und Einschüchterung sorgt."

Castellanos, Kapitänin der Nationalmannschaft ihres Heimatlandes, veröffentlichte darüber hinaus eine persönliche Erklärung, in der sie, nicht nur mit Blick auf den Frauenfußball in Venezuela, von einem "Macho-Umfeld, das auf ausbeuterischer Kontrolle und Erniedrigung aufbaut" schrieb: "Es ist NICHT normal, dass ein Trainer seine Macht nutzt, um dich zu manipulieren, damit du Dinge tust, die du nicht tun willst. Das ist kein Trainer, das ist ein Missbraucher."

Der venezolanische Fußballverband FVF reagierte zunächst mit einer eher allgemeinen Erklärung auf den sozialen Netzwerken. "Wir verpflichten uns, die Integrität des Sports zu wahren, und sind bereit, die Rechte unserer Spielerinnen durchzusetzen", wurde FVF-Präsident Jorge Gimenez zitiert. "Es ist an der Zeit, für Respekt und Fairness zu kämpfen." Die Generalstaatsanwaltschaft Venezuelas kündigte Ermittlungen an. 

Die Vorwürfe richten sich gegen den Trainer Kenneth Zseremeta, der neun Jahre lang verschiedene Frauen-Auswahlteams der FVF geleitet hatte, darunter auch die U15 und die U17 des südamerikanischen Landes. Dreimal war er zu Venezuelas Trainer des Jahres gewählt worden. 2017 hatte ihn der Verband wegen Erfolgslosigkeit entlassen. Heute arbeitet Zseremeta in seinem Geburtsland Panama. Zu den Vorwürfen äußerte sich der 55-Jährige bisher nicht.

Sexuelle Belästigung, Schikane, Ausgrenzung

In Australien sorgten derweil Äußerungen der früheren Starstürmerin Lisa de Vanna zu Übergriffen im Frauenfußball für Schlagzeilen. "Bin ich sexuell belästigt worden? Ja. Wurde ich schikaniert? Ja. Wurde ich ausgegrenzt? Ja. Habe ich Dinge gesehen, die mir Unbehagen bereitet haben? Ja," sagte die 36-Jährige in einem Interview der in Sydney erscheinenden Zeitung "Daily Telegraph". De Vanna, die kürzlich ihre Karriere beendete, lief 150-mal für die australische Frauennationalmannschaft auf. Mit 48 Treffern ist sie - gemeinsam mit der noch aktiven Samantha Kerr - Rekordtorschützin der "Matildas".

Vor dem Interview hatte de Vanna bereits via Twitter auf eine Äußerung von US-Superstar Megan Rapinoe reagiert. Die zweimalige Weltmeisterin hatte mit Blick auf die Schuldigen im jüngsten Skandal im US-Frauenfußball getwittert: "Brennt alles nieder, lasst ihre Köpfe rollen!"

Nächster Rücktritt in der NWSL

Mehreren Trainern der NWSL waren Übergriffe gegen Spielerinnen vorgeworfen worden. Dies hatte zu Entlassungen und Rücktritten geführt. Unter anderen hatte Liga-Chefin Lisa Baird ihren Posten niedergelegt. Jetzt nahm auch der Geschäftsführer des NWSL-Klubs Washington Spirit, Steve Baldwin, seinen Hut. "Ich habe zweifellos Fehler gemacht", räumte Baldwin ein.

In der vergangenen Woche hatte der Verein Trainer Richie Burke entlassen - wegen verbaler Übergriffe und seelischer Gewalt gegen Spielerinnen. Burke war einer von bereits drei Trainern der NWSL, die in diesem Jahr wegen Fehlverhaltens gehen mussten. Racing Louisville hatte Christy Holly gefeuert, nachdem sich Spielerinnen über ein von ihm verschuldetes "toxisches Umfeld" beklagt hatten. North Carolina Courage hatte Paul Riley entlassen. Zwei Spielerinnen hatten dem englischen Trainer sexuelle Übergriffe vorgeworfen.

Bei mehreren Partien der NWSL unterbrachen die Teams als Zeichen des Protests für einige Minuten die Spiele und versammelten sich im Mittelkreis. 

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter