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Politik

Katar - schwerreicher Vermittler vom Golf

26. November 2021

Geht es um Afghanistan und die Taliban, hat sich Katar als unverzichtbarer Vermittler etabliert. Jetzt reist Bundespräsident Steinmeier zum ersten Mal nach Doha.

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Katar Doha | Mullah Baradar und Scheich Mohammed bin Abdulrahman Al-Thani
Katar pflegt enge Kontakte zu den Taliban - auch im Interesse seiner westlichen PartnerBild: Qatari Ministry of Foreign Affairs/AFP

Katar ist unfassbar reich. Es sitzt auf einem riesigen Schatz an Erdgasreserven. Die knapp 300.000 Staatsbürger könnten sorglos leben - wären da nicht die vielen Konflikte und Krisen in der Nachbarschaft - und die gefährliche Rivalität zum großen Nachbarn Saudi-Arabien.

Es ist noch nicht lange her, da war das Golfemirat verrufen, islamistischen Extremismus zu unterstützen und Terror zu finanzieren. Inzwischen versucht das Golfemirat, sich von einer anderen Seite zu präsentieren: Katar will der gute Vermittler sein – unverzichtbar für den Westen, nicht zu ignorieren für die arabische Welt. Ein Imagewechsel.

Besonders deutlich wird das in Afghanistan. Das Wüstenemirat dementiert, politische oder wirtschaftliche Interessen am Hindukusch zu verfolgen. Vielmehr liege "das wesentliche Interesse Katars in der Sicherheit, Stabilität, dem Wohlstand und der Entwicklung in der Region", betont der Botschafter Katars in Deutschland, Abdullah Mohammed Al-Thani, in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der Deutschen Welle. "Dies dient wiederum der Sicherheit und dem Frieden auf der ganzen Welt".

Türsteher am Hindukusch

Auf der Landkarte kaum zu finden, setzt das Wüstenemirat alles daran, auf der politischen Karte unübersehbar zu werden. Derzeit ist Katar Türöffner zu den Taliban in Afghanistan. Alle Wege zu den radikal-islamistischen Herren in Kabul laufen für die USA und ihre Verbündeten über das kleine Emirat.

Infografik Karte Katar DE
Kleines Land, wachsender Einfluss: Katar

Den Grundstein für seine engen Verbindungen zu den Taliban hat Katar bereits 2013 gelegt: In der Glitzerstadt Doha konnten die weltweit geächteten Taliban – auch auf Bitten der USA – eine politische Vertretung eröffnen; gleichzeitig betrieben die USA im Emirat weiter ihren größten Militärstützpunkt in der Region.

Die Strategie, sich international unverzichtbar zu machen, sei in Bezug auf Afghanistan voll aufgegangen, sagt Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Unlängst verkündeten die USA, sich in Kabul diplomatisch von Katar vertreten zu lassen. "Das ist der Ritterschlag für Katar“, so Kaim. Das Land positioniere sich aus reinem Eigeninteresse als ehrlicher Makler und unparteiischer Vermittler. "Das erhöht ihre Sichtbarkeit, ihre Präsenz und ihre Rolle in der Welt.“

Markus Kaim in der DW-Sendung "To the Point" am 14. Januar 2021
Markus Kaim: "US-Ritterschlag für Katar"Bild: DW

Flucht über Doha

In der kommenden Woche wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Katar besuchen. Auch das passt gut in die Strategie des Emirats. Das deutsche Staatsoberhaupt wird sich offiziell bei Katar bedanken für seine wertvolle Hilfe. Nach der Machtübernahme der Taliban Mitte August konnten mehr als 40.000 Afghanen über Katar evakuiert werden. Viele von ihnen reisten nach Deutschland weiter.

Zwar hat auch Katar die neuen Herrscher in Kabul noch nicht anerkannt; doch das Golfemirat drängt seine internationalen Partner, mit den Taliban im Gespräch zu bleiben. "Ein Dialog kann zu positiven Resultaten führen, während ein Boykott lediglich weitere Polarisierung und Abwehrreaktionen hervorbringt“, so Botschafter Abdullah Mohammed Al-Thani. Angesichts der dramatischen humanitären Krise in Afghanistan habe Katar die Weltgemeinschaft wiederholt aufgerufen, "ein von jeglichem politischen Kalkül losgelöstes, humanitäres Hilfspaket zu entwickeln, um die Grundversorgung der afghanischen Bevölkerung zu sichern.“

Keine Zugeständnisse aus Kabul

Deutschlands designierter Botschafter für Kabul, Markus Potzel, nutzt Katars Hauptstadt Doha derzeit als Basis für seine Arbeit. Der Westen hofft, dass Katar dabei helfen kann, die fundamentalistischen Taliban zu Zugeständnissen zu bewegen. Bislang allerdings ist bei den radikalen Islamisten wenig Bewegung zu erkennen, was die Einhaltung von Menschenrechten, die Stellung der Frau oder nationale Versöhnung angeht.

Deutschlands Botschafter für Afghanistan, Markus Potzel, im Juli 2019 bei einer Afghanistan-Konferenz in Katars Hauptstadt Doha
Deutschlands Botschafter für Afghanistan arbeitet derzeit von Doha ausBild: Karim Jaafar/AFP/Getty Images

Entsprechend skeptisch auf die Rolle Katars gegenüber den Taliban blickt auch Bijan Djir-Sarai, Außenpolitiker der liberalen FDP, die künftig an der Regierung beteiligt ist. "Die Taliban brauchen Geld. Und sie wollen mit der Außenwelt sprechen“, analysiert Djir-Sarai. Daher sei es schon wichtig, was Katar sagt. "Aber in Afghanistan machen die Taliban trotzdem ihr Ding. Und je fester sie dort im Sattel sitzen, desto mehr werden sie ignorieren, was Katar sagt.“ Djir-Sarai ist sich sicher: Hinter dem Engagement Katars in Afghanistan stehen politische, aber auch wirtschaftliche Interessen. "Katar kann es sich nicht leisten, aus moralischen Gründen Weltpolizei zu spielen. Die werden nur da tätig, wo auch ein Benefit erkennbar ist.“

Aufwertung fürs Golfemirat

Fest steht: Im Moment läuft es prima für die diplomatischen Strategen in Katar. Der Fall Afghanistan hat das internationale Prestige des kleinen Wüstenstaats immens aufgewertet.

In diesem Sinne soll es weitergehen: 2022 erreicht die sogenannte "Sportdiplomatie“ Katars ihren bisherigen Höhepunkt: Die Fußball-Weltmeisterschaft wird Katar vermutlich über Wochen ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit katapultieren.

"Es gibt sogar eine Verbindung zwischen der Fußball-WM und der Afghanistan-Diplomatie. Hinter beidem ist das überwölbende Ziel nicht schöner Fußball, ist das überwölbende Ziel nicht ein schönes Afghanistan. Das überwölbende Ziel ist, Katar auf die Landkarte zu bringen.“ Und das, sagt Markus Kaim, machen sie sehr geschickt.

Aktueller Hinweis:
"Die geplante Reise von Bundespräsident Steinmeier in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach Katar wurde aufgrund der pandemischen Lage in Deutschland kurzfristig abgesagt."