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Politik

"Der Golan ist Israel, Punkt"

14. Dezember 2021

1981 hat Israel die Golanhöhen formal annektiert. Das Land hatte den Landstrich bereits 1967 im Sechstagekrieg von Syrien erobert. Beide Länder erheben weiterhin Anspruch auf das Hochplateau.

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Blick auf Syrien - Golan
Golanhöhen und See Genezareth - von Jordanien aus gesehen (Archiv)Bild: Tania Kraemer/DW

Am 14. Dezember 1981, berief der damalige israelische Ministerpräsident Menachem Begin überraschend sein Kabinett ein, um ein Gesetz auf den Weg zu bringen, israelisches Recht über die besetzten Golanhöhen auszuüben, eine de facto Annektierung. Begin begründete dies unter anderem mit der "extremen Haltung" der syrischen Regierung gegenüber Israel.

Noch am gleichen Tag wurde der Gesetzentwurf in der Knesset, dem israelischen Parlament, mit 63 Ja-Stimmen gegen 21 Nein-Stimmen in drei Lesungen verabschiedet. Aus israelischer Sicht wurden damit die Golanhöhen, die Israel im Sechstagekrieg 1967 von Syrien erobert hatte, Teil des Staates Israels.

Die Reaktionen folgten prompt: Die meisten Staaten verweigerten Israel die Anerkennung der Annektierung. Die damalige US-Regierung unter Präsident Ronald Reagan, äußerte "tiefe Besorgnis und Ablehnung des Schritts", berichtete die US-Zeitung Washington Post und suspendierte später ein militärisches Kooperationsabkommen mit Israel. Die Vereinten Nationen verabschiedeten Resolution 497, in der es hieß, dass "die israelische Entscheidung, ihre Gesetze, Gerichtsbarkeit und Verwaltung in den besetzten syrischen Golanhöhen durchzusetzen, null und nichtig seien und ohne internationale Rechtswirkung ist".

Infografik Karte Hermon-Berg DE

Historiker sehen zum einen innenpolitische Überlegungen hinter der Entscheidung des Ministerpräsidenten. Sowie Begins Überzeugung, dass der Golan israelisch bleiben würde. "Vom ideologischen Standpunkt aus hat Begin an das geglaubt was wir 'Groß-Israel' nennen," sagt Dan Orbach, Militärhistoriker an der Hebräischen Universität, in Referenz an eine Strategie, nach der alle Gebiete des "historischen Palästinas" zu Israel gehören sollten. "Einige Gebiete waren dabei wichtiger als andere, und die Golanhöhen waren wichtig aus sicherheitsstrategischen Gründen."

Wichtige strategische Lage

Vom Hochplateau der Golanhöhen reicht der Blick auf den See Genezareth im Norden Israels, dem Libanon und weit hinein nach Syrien. Die syrische Hauptstadt Damaskus ist nicht weit entfernt. Im Winter beherbergt der oft schneebedeckte Berg Hermon Israels einziges Ski-Gebiet. Die besetzten Golanhöhen mit dem See Genezareth gelten als wichtige Wasserressource.

Aber vor allem die aus militärischer Sicht strategische Lage machen die Höhen so wichtig. Davon zeugen auch heute noch die sichtbaren Spuren aus der Vergangenheit: An nicht wenigen Zäunen hängen gelbe Schilder, die vor Minenfeldern warnen. Rostige Panzer, alte syrische Militärposten und verfallene Häuser erinnern an die bewegte Geschichte der Golanhöhen, über die Israel und Syrien Krieg geführt haben.

Blick auf Syrien - Golan
Viele Felder auf den besetzten Golanhöhen sind noch vermint. Schilder warnen vor den MinenfeldernBild: Tania Kraemer/DW

Israel hat das Gebiet im Sechstagekrieg 1967 von Syrien erobert und besetzt. Die meisten syrischen Einwohner mussten damals fliehen oder wurden vertrieben. Nur wenige Dörfer sind geblieben, in denen bis heute arabische Drusen leben. 1973 scheiterte der Versuch syrischer Truppen, den Golan zurückzuerobern. Der Jom-Kippur Krieg, auch 4. Israelisch-Arabischer Krieg genannt, endete 1974 mit einem Waffenstillstandsabkommen zwischen Syrien und Israel und dem Stationieren einer Blauhelm-Mission der Vereinten Nationen. Bis heute sind mehrere Versuche gescheitert, ein Friedensabkommen zwischen den beiden Ländern zu verhandeln.

Die Sicherheitsdimension hat sich seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien in 2011 nochmal verstärkt. "Neben historischen und emotionalen Gründen liegt die Bedeutung [des Golan] darin, dass er eine Pufferzone ist. Noch immer herrscht Chaos in Syrien und wir sehen die Präsenz des Iran und der Hisbollah", sagt Eyal Zisser, Historiker und Syrien-Experte der Universität Tel Aviv. "Das Gebiet ist eine Barriere zwischen Israel und dem, was in Syrien passiert. Von einem strategischen Blickwinkel ist es besser für Israel, auf den Höhen zu sitzen als unten im Tal."

Blick auf Syrien - Golan
Golan - Blick auf israelischen Grenzzaun zu Syrien (Archivbild)Bild: Tania Kraemer/DW

Israel will verhindern, dass Iran und die libanesische Hisbollah, die das Regime in Damaskus unterstützen, im Nachbarland eine nahe Front gegen Israel bilden und ihre Präsenz verfestigen. Die israelische Luftwaffe hat in den letzten Jahren zahlreiche, wenn auch offiziell meist unbestätigte Angriffe auf mögliche Waffenkonvois und militärische Stellungen in Syrien geflogen.

US-Anerkennung per Tweet

Arik Golandsky ist 2008 mit seiner Familie von Tel Aviv auf den Golan gezogen. Es gab keine politischen Beweggründe dafür, sondern er wollte seine Kinder lieber auf dem Land aufwachsen sehen, sagt der Familienvater am Telefon. "Ich denke, wenn man die Leute heute zu dem Gesetz [von 1981] befragt, dann werden sich nur wenige daran erinnern - bis auf die ältere Generation, die hier lebt und dafür gekämpft hat. Für mich steht außer Frage, dass der Golan zu Israel gehört," sagt Golandsky, der sich hier sehr sicher fühlt trotz des Krieges im Nachbarland. "Aber woran wir uns alle heute erinnern, ist 2019, als Donald Trump sagte, dass der Golan offiziell Teil Israels ist und die USA dies anerkennen."

USA Washington | Benjamin Netanjahu und Donald Trump
Der ehemalige israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Ex-US-Präsident Donald Trump (Archiv)Bild: Pablo Martinez Monsivais/AP Photo/picture alliance

Im März 2019, kurz vor erneuten israelischen Parlamentswahlen, veränderte ein Tweet um die Mittagszeit jahrzehntelange US-amerikanische Außenpolitik: Der damalige US-Präsident Donald Trump erklärte darin, dass die USA von nun an die Souveränität Israels über die Golanhöhen anerkennen.

Die jetzige amerikanische Regierung unter Präsident Joe Biden hat die Entscheidung bislang nicht rückgängig gemacht. Aber man scheint es offen lassen zu wollen, wie dies in Zukunft sein könnte. In einem Interview mit dem US-amerikanischen Sender CNN sagte der US-amerikanische Außenminister Antony Blinken im Februar, die Kontrolle des Golan sei in der derzeitigen Situation nach wie vor von "enormer Wichtigkeit" für Israels Sicherheit. Sollte sich die Situation in Syrien verändern, werde man dies neu bewerten, aber davon sei man momentan "weit entfernt".

Israel will an Golanhöhen festhalten

Im Oktober erinnerte der israelische Ministerpräsident Naftali Bennett an die Entscheidung seines Vorgängers Menachem Begin in einer Rede. "Vor 40 Jahren hat Israels Regierung unter Menachem Begin eine unglaublich mutige und wichtige Entscheidung getroffen: Israelische Gesetzgebung auf den Golanhöhen anzuwenden", sagte Bennett. Er kündigte gleichzeitig an, die Einwohnerzahl in den nächsten Jahren mindestens verdoppeln zu wollen und dafür zwei neue Siedlungen zu bauen. Im Dezember soll dazu eine Kabinettsitzung auf dem Golan stattfinden.

Israel Naftali Bennett Premierminister
Israels Ministerpräsident Naftali Bennett: "Die Golanhöhen sind Israel, Punkt"Bild: Gil Cohen-Magen/AP/picture alliance

Der Golan gilt auch heute noch mit seinen rund 50.000 Einwohnern als dünn besiedelt. Mehr als die Hälfte der Einwohner sind jüdische Siedler. Daneben leben dort noch arabische Drusen, von denen sich viele noch mit Syrien verbunden fühlen und dort Familie haben. Nur ein Teil hat sich für eine israelische Staatsbürgerschaft entschieden.

Ministerpräsident Bennett wiederum lässt keinen Zweifel daran, dass Israel an den Golanhöhen festhalten wird, auch wenn sich die internationale Sicht auf Syrien in Zukunft ändern könnte. "Selbst in einer Situation - und das könnte passieren - in der die Welt eine andere Richtung in Sachen Syrien einschlägt, oder in Bezug auf das Assad Regime, hat diese keine Auswirkungen auf die Golanhöhen. Die Golanhöhen sind Israel, Punkt."

Porträt einer Frau mit dunklen Haaren
Tania Krämer DW-Korrespondentin, Autorin, Reporterin