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Politik

Last-Minute-Rüstungsgenehmigungen unter Merkel

25. Dezember 2021

Die ehemalige Bundesregierung aus Union und SPD hat in den letzten Tagen ihrer Amtszeit Rüstungslieferungen in Milliardenhöhe genehmigt. Beteiligt war der neue Kanzler Olaf Scholz. Hauptnutznießer ist Ägypten.

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Deutschland | Rüstungsexport nach Ägypten
Ein Küstenschutzboot für die ägyptische Marine läuft im Fährhafen Mukran auf Rügen ein (Archivbild)Bild: Jens Koehler/dpa/picture alliance

Die am 8. Dezember aus dem Amt geschiedene große Koalition aus Union und SPD hat in den letzten neun Tagen ihrer Amtszeit Rüstungsexporte in Höhe von fast fünf Milliarden Euro genehmigt. Damit steigt der Gesamtumfang der Exporterlaubnisse im laufenden Jahr auf den Rekordwert von 9,043 Milliarden Euro. Das geht aus einer Antwort des von Grünen-Chef Robert Habeck geleiteten Wirtschaftsministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Linken hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Konfliktregionen auf der Empfängerliste

Bemerkenswert ist, dass der größte Teil der Liefergenehmigungen an ein Land geht, das in gleich mehreren bewaffneten Konflikten mitmischt: Ägypten ist mit großem Abstand die Nummer eins unter den Empfängerländern. Das nordafrikanische Land steht in der Kritik wegen Menschenrechtsverletzungen sowie seiner Verwicklung in den Jemen-Krieg und in die Konflikte in Libyen.

Aus der Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums geht nun hervor, dass für Ägypten bis zum Regierungswechsel Kriegswaffen und andere Rüstungsgüter im Wert von 4,34 Milliarden Euro genehmigt wurden. Nach einer früheren Antwort des Ministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Linken waren es bis zum 29. November erst 0,18 Milliarden Euro. Das heißt, dass allein für Ägypten in den letzten Tagen der Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Rüstungsexporte für mehr als vier Milliarden Euro genehmigt wurden.

Politische Hypothek für Kanzler Scholz?

Insgesamt erlaubte die Regierung Merkel auf den letzten Drücker Ausfuhren im Umfang von 4,91 Milliarden Euro. Das ist mehr, als in den knapp neun Monaten zuvor zusammen bewilligt wurde. Und daran beteiligt war jemand, der heute in höchster Verantwortung ist, der neue Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), damals Finanzminister und Vizekanzler.

Vor wenigen Tagen war bereits bekannt geworden, dass die große Koalition kurz vor der Amtsübergabe den Verkauf von drei Kriegsschiffen und 16 Luftabwehrsystemen genehmigt hat. Der damals noch amtierende Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) unterrichtete den Bundestag erst einen Tag vor der Wahl von Scholz zum Kanzler darüber, ohne den Wert der Ausfuhren zu nennen.

Bundestag - Beginn der Haushaltswoche
Scholz und Merkel auf der Regierungsbank im Bundestag, noch vereint in der großen Koalition (Archivbild)Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Brisant an den Bewilligungen ist, dass die Regierung in dieser Zeit nur noch geschäftsführend im Amt war. Es ist gängige Praxis, dass in dieser Phase keine weitreichenden politischen Entscheidungen mehr getroffen werden - vor allem, wenn die Nachfolgeregierung anderer Meinung sein könnte. Der Export der Fregatten und Luftabwehrsysteme aus den Rüstungsschmieden Thyssenkrupp Marine Systems und Diehl Defence wurde vom Bundessicherheitsrat genehmigt, einem Kabinettsausschuss, dem neben Merkel sieben Minister angehören. Darunter ist auch der Finanzminister, der damals Olaf Scholz hieß.

Neue Bundesregierung will Rüstungsexporte deutlich limitieren

Die jetzige Bundesregierung, ein Bündnis aus Sozialdemokraten (SPD), Bündnis 90/Die Grünen und Freien Demokraten (FDP), hat sich eine restriktive Rüstungsexportpolitik auf die Fahnen geschrieben. Im Koalitionsvertrag ist festgeschrieben, dass die bisherigen Richtlinien dafür in ein Gesetz gegossen werden sollen. Ziel ist es, vor allem die Exporte in Länder außerhalb von EU und NATO zu beschränken.

Das für Rüstungsexportkontrolle zuständige Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ist jetzt in der Hand der Grünen, die Rüstungsexporten traditionell kritisch gegenüberstehen. Ressortchef Habeck, der auch Vizekanzler ist, distanzierte sich deutlich von den Exportgenehmigungen der Regierung Merkel/Scholz. Die Entscheidungen seien auf die Vorgängerregierung zurückzuführen, heißt es in einer Antwort seines Ministeriums auf die Anfrage der Linken. "Die Bundesregierung (…) wird entsprechend den im Koalitionsvertrag vereinbarten Leitplanken ein Rüstungsexportkontrollgesetz erarbeiten", heißt es in einem Schreiben von Habecks parlamentarischem Staatssekretär Sven Giegold.

qu/rb (dpa)