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Reise

Mallorca-Urlaub soll nachhaltiger werden

Jonas Martiny
11. Februar 2022

Nicht nur die natürlichen Ressourcen soll der Tourismus auf der Insel künftig schonen, auch die Arbeitsbedingungen von Servicekräften will die Balearen-Regierung verbessern. Nichts als ein Marketing-Gag, finden Kritiker.

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Einheimische und Touristen liegen am Strand Cala Major in Palma de Mallorca
Weg vom Ballermann-Image - die Balearen-Regierung will im Tourismus auf Nachhaltigkeit setzenBild: Clara Margais/dpa/picture alliance

Ihr Job macht Antonina Ricaurte krank: Zwei Schulteroperationen hat die 51-Jährige schon hinter sich, ein Karpaltunnelsyndrom und eine Plantarfasziitis. "Meine Gesundheit ist ziemlich ruiniert", sagt die gebürtige Ecuadorianerin, die seit 20 Jahren auf Mallorca Hotelzimmer putzt und auch Sprecherin der Servicekraft-Vereinigung "Las Kellys" ist.

Wie ihr geht es vielen der etwa 60.000 Frauen auf den Balearen-Inseln, die in der Hauptsaison diesen Knochenjob erledigen. Wegen der immergleichen Bewegungsabläufe, dem vielen Bücken und Heben, leiden viele von ihnen unter körperlichen Beschwerden. Das soll sich nun ändern.

Nur noch höhenverstellbare Betten in den Hotels

Die Balearen-Regierung hat jetzt ein neues Tourismus-Gesetz beschlossen, das die gesamte Branche nachhaltiger machen soll. Die Neuerungen betreffen unter anderem die Themen Energieeffizienz und CO2-Reduzierung in den Hotels. Aber nicht nur in Sachen Umweltschutz soll der Mallorca-Urlaub nachhaltiger werden, sondern auch was die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Tourismussektor angeht.

Also werden die Hoteliers zum Beispiel dazu verpflichtet, höhenverstellbare Betten anzuschaffen, damit sich die Servicekräfte beim Wechseln der Bettlaken nicht mehr ihre Rücken ramponieren. "Die Balearen werden internationaler Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit sein", versprach Ministerpräsidentin Francina Armengol, als sie das Gesetz am Freitagvormittag in Palma vorstellte.

Antonina Ricaurte
Antonina Ricaurte arbeitet seit 20 Jahren als ServicekraftBild: Jonas Martiny/DW

Nach zwei Jahren Corona-Pandemie und enormen Einnahmeverlusten durch ausbleibende Touristen, versucht die Balearen-Regierung derzeit, die Inseln im Wettbewerb mit anderen Mittelmeerdestinationen neu zu positionieren. Dass immer mehr Urlauber bei der Wahl ihres Reiseziels auf Nachhaltigkeit achten, hat man längst auch auf Mallorca erkannt. "Auf einer Insel wie dieser sind die natürlichen Ressourcen begrenzt", räumt auch Maria Frontera ein, die Vorsitzende des Hotelverbandes. Daher sei man seit Jahren schon darum bemüht, den Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit voranzutreiben.

"Das ist doch alles Augenwischerei"

Wie das aussehen kann, zeigt sich derzeit in Palmas Innenstadt. Dort lässt die Kette HM Hotels ein neues Hotel bauen, das als besonders ressourcenschonend und umweltfreundlich angepriesen wird. Eine eigene Photovoltaikanlage ist ebenso geplant, wie die Nutzung von Duschwasser für die Klospülung. Auf Einwegprodukte werde verzichtet und auf Plastikverpackungen ebenfalls, so die Ankündigung. Außerdem soll es - wie im Tourismus-Gesetz gefordert - höhenverstellbare Betten geben.

Francina Armengol (l.) bei einem Besuch Anfang Februar in einem Hotel
Francina Armengol (l.) bei einem Besuch Anfang Februar in einem HotelBild: Goib

"Das ist doch alles Augenwischerei", sagt Jaume Adrover. Der Landwirt ist Sprecher der Umweltschutzorganisation Terraferida, die seit Jahren unter anderem die Auswüchse des Massentourismus auf Mallorca anprangert. "Angesichts von 14 Millionen Touristen pro Jahr brauchen wir nicht von Nachhaltigkeit zu sprechen." Die Insel stoße Sommer für Sommer an ihre natürlichen Grenzen. Weder beim Wasser-, noch beim Energieverbrauch oder bei der anfallenden Müllmenge sei eine Verbesserung zu bemerken. Deshalb gebe es nur einen einzigen Weg, den Tourismus auf Mallorca nachhaltiger zu gestalten: die Reduzierung der Bettenzahl in touristischen Unterkünften.

Nur noch drei Kreuzfahrtschiffe pro Tag

Laut Terraferida gibt es auf Mallorca derzeit 410.500 Betten in legalen Beherbergungsbetrieben. Allein in den vergangenen sechs Jahren seien fast 94.000 hinzugekommen - allesamt genehmigt von der Balearen-Regierung. Dazu kämen noch Zehntausende illegale Unterkünfte, wie etwa Ferienapartments oder -zimmer.

Grün und fair – Mallorca-Urlaub soll nachhaltiger werden
Landwirt Jaume Adrover: Befürworter einer Begrenzung des MassentourismusBild: privat

"Wir brauchen einen Plan dafür, wie wir die Zahl der Touristen senken können", fordert Adrover. Das neue Tourismus-Gesetz sei ganz gewiss nicht der erhoffte große Wurf. "Das ist nichts als grünes Marketing. Ich kann nirgends einen entscheidenden Schritt in Richtung Nachhaltigkeit erkennen."

Zumindest einen Teilerfolg können die Kritiker des ungebremsten Massentourismus allerdings vorweisen. Nachdem die Forderungen nach einer Begrenzung der Zahl der Kreuzfahrtschiffe zuletzt immer vehementer geworden waren, rang die Balearen-Regierung dem Verband der Reedereien nun das Zugeständnis ab, dass künftig nur noch maximal drei Schiffe gleichzeitig in Palmas Hafen festmachen sollen. Zuvor gab es keinerlei Einschränkungen. Auf diese Weise sinke die Gesamtzahl der Schiffe, die die Insel anlaufen, im Jahr 2022 um 14,5 Prozent auf 460, so das balearische Tourismus-Ministerium.

Bis zu 35 Zimmer pro Schicht

Dass sich die Lage der Servicekräfte in nächster Zukunft grundlegend verbessern wird, glaubt derweil Antonina Ricaurte nicht. "Das mit den höhenverstellbaren Betten ist zwar ganz nett, löst aber unser eigentliches Problem nicht", sagt sie. Bis zu 35 Zimmer müssten manche Kolleginnen pro Schicht säubern. Das sei auf Dauer schlicht unmöglich, ohne krank zu werden. Was ihnen wirklich weiterhelfen würde, wären unabhängige Kontrollen und eine Begrenzung der Arbeitsbelastung. "Die Pläne der Regierung gehen an der Realität vorbei."

Für Ricaurte selbst kommt das neue Gesetz ohnehin zu spät. Sie will den Job im Hotel nun endgültig aufgeben und hat sich zur Sanitätsassistentin umschulen lassen. "Bis zur Rente kann ich unmöglich als Servicekraft weitermachen", sagt sie - ob nun mit oder ohne höhenverstellbare Betten.

 

Jonas Martiny -  Travel Online-Autor
Jonas Martiny Reporter, Korrespondent