1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Grüner Bitcoin - geht das?

Sebastián Rodríguez
27. Februar 2022

Bitcoins sind das neue Geschäftsmodell eines ehemaligen Wasserkraftwerkes in Costa Rica. Statt Strom zu verkaufen, produziert es Kryptowährungen. Wird die Energiebilanz der Stromfresser Bitcoin und Co dadurch besser?

https://p.dw.com/p/47AvH
Ein Mann sitzt auf den Stufen eines Containers in dem eine Krypto-Mining-Anlage steht
Eduardo Kopper in seinem Krypto-Mining-Projekt Poas I in Costa Rica Bild: Eduardo Kopper

Ende 2020 war Schluss. Nach 30 Jahren musste Eduardo Kopper die Turbinen seines Wasserkraftwerkes Poas I, rund 35 Kilometer entfernt von Costa Ricas Hauptstadt San Jose, abschalten.

Die Stromversorgung ist in Costa Rica staatlich organisiert. Doch die Regierung wollte Kopper keinen Strom mehr abkaufen. Denn wegen des Ausbruchs der Corona-Pandemie im Land war auch hier das öffentliche Leben herunter gefahren worden und der Bedarf an Strom eingebrochen. "Wir konnten überhaupt nichts tun", erzählt Kopper. "Das war schlimm. Wir haben damals versucht, wenigstens unsere Arbeiter finanziell zu unterstützen."

Zu diesem Zeitpunkt hatte er vom Bitcoin gehört, und begann, sich näher damit zu beschäftigen. Bei der Kryptowährung handelt es sich ein künstliches, an Computersystemen erzeugtes Zahlungsmittel. Der Prozess des Generierens von Bitcoins, das sogenannte Mining, ist nur mit einer sehr aufwendigen Rechenleistung möglich und frisst Unmengen an Strom. Laut Bitcoin Energy Consumption Index, der den weltweiten Stromverbrauch für die Bitcoin-Produktion abbildet, ist der Kohlenstoff-Fußabdruck der Kryptowährung inzwischen so groß wie der des Ölstaats Kuwait.

Das Wasserkraftwerk Poas I in Costa Rica, das zum Krypto-Mining-Betrieb wurde
Eduardo Koppers Wasserkraftwerk Poas I generiert nun Strom zum Schürfen von BitcoinsBild: Eduardo Kopper

Warum also nicht den grünen Strom des Wasserkraftwerkes für die Produktion von Bitcoins nutzen und so wieder Geld verdienen? Im April 2021 war es so weit. Nach drei Monaten Betriebsstillstand war Poas I wieder da: Als Rechenzentrum für das Schürfen von Kryptowährungen, betrieben mit erneuerbarem Strom.

Eduardo Kopper ist längst nicht der Einzige, der das Zahlungsmittel mit CO2-neutralem Strom erschafft,in ganz Amerika, insbesondere in den Vereinigten Staaten, springen immer mehr Firmen auf den "grünen Bitcoin"-Zug auf.

Große US-amerikanische Krypto-Mining-Unternehmen, wie Bitfarms und Neptune Digital Assets, vermarkten ihr Geschäft mittlerweile als nachhaltig. In Brasilien beraten Politiker unterdessen über eine Steuerbefreiung für sogenanntes Green Mining, bei dem die Produktion der Kryptowährung mit erneuerbaren Energien betrieben wird.

Green Mining - Lösung oder Energieverschwendung?

Der enorme Stromverbrauch des Bitcoins ist untrennbar mit der Blockchain-Technologie verbunden. Neue Bitcoins werden - einfach ausgedrückt - durch das Lösen komplexer mathematischer Rätsel "geschürft". Die sogenannte Blockchain, eine verkettete Folge von Datenblöcken, wird dann um die neu geschürften Bitcoins fortgeschrieben. Sie wird dabei nicht zentral gespeichert, sondern als verteiltes Register geführt. Alle Beteiligten speichern eine eigene Kopie und schreiben diese fort - wie eine Art dezentrales Buchhaltungssystem.

Man spricht hier vom "Proof of Work"-Konzept. Das jedoch erfordert eine enorme Rechenleistung. Je teurer und damit wertvoller der Bitcoin wird, umso mehr "Schürfende" wetteifern darum, die mathematischen Probleme zuerst zu lösen. Das treibt den Energieverbrauch des Krypto-Minings immer weiter in die Höhe.

Mehr als 200 Unternehmen und Einzelpersonen aus der Branche haben sich deswegen im vergangenen Jahr für den Crypto Climate Accord zusammen getan. In dieser Klimavereinbarung verpflichten sie sich bis 2030 zu Netto-Null-Emissionen beim Krypto-Mining, vor allem durch den Wechsel hin zu erneuerbaren Energiequellen.

Doch nicht jeder sieht im Green Mining die Lösung des Problems. So findet es der Wirtschaftswissenschaftler und Bitcoin-Experte Alex de Vries bedenklich, dass wertvolle erneuerbare Energie in so großen Mengen für Krypto-Berechnungen verwendet wird. Wichtiger wäre deren Einsatz in Branchen, die der Volkswirtschaft Arbeitsplätze und andere wirtschaftliche Vorteile böten, so de Vries.

Tatsächlich spielen erneuerbare Energien schon länger eine wichtige Rolle beim Krypto-Mining. Denn sie sind in der Regel die billigste Stromquelle überhaupt. Eine Studie des auf Kryptowährungen spezialisierten FinanzdienstleistersCoinShares schätzt, dass 2019 mindestens 74 Prozent des weltweiten Bitcoin-Energieverbrauchs aus erneuerbaren Energien stammten, ein Großteil davon aus billiger chinesischer Wasserkraft.

Stromfresser Bitcoin

I

Im vergangenen Jahr hat die chinesische Regierung jedoch allen Aktivitäten im Zusammenhang mit Kryptowährungen einen Riegel vorgeschoben. Grund sei der enorme Energieverbrauch, heißt es.

Schweden hat unterdessen die Europäische Union aufgefordert, das Krypto-Mining zu verbieten, da es erneuerbare Energien verbraucht, die für die Dekarbonisierung anderer Branchen genutzt werden könnten. Die Klimaziele könnten anderenfalls nicht erreicht werden, heißt es aus Stockholm.

"Bitcon-Sonderfall" Costa Rica?

José Daniel Lara stammt aus Costa Rica und forscht an der University of California Berkeley aktuell zum Thema Stromversorgung. Er sieht eine gewisse Logik darin, dass sich sein Heimatland dem grünen Krypto-Mining zuwendet. Idealerweise würde Costa Rica seinen überschüssigen Strom exportieren erklärt Lara. Das sei momentan aber gar nicht möglich. Theoretisch könnte zwar das energiearme Nikaragua vom Strom seines Nachbarn profitieren, doch das Land habe gar keine Infrastruktur für einen Stromimport.

Das Bitcoin-Mining hat es Eduardo Kopper möglich gemacht, zwei seiner stillgelegten 1-Megawatt-Wasserkraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen. Was er nun mit dem Strom daraus produziert, braucht keine physischen Stromnetze für den Export. "Wir haben hier einen Weg gefunden, Energie in digitale Token, also digitale Vermögenswerte, umzuwandeln", erklärt er.

Ein mit Wasser gefülltes Speicherbecken von Poas I in Costa Rica
Andere Art von "Grubenwasser": Die Speicherbecken von Poas I dienen zur Stromgewinnung für den Betrieb von mehr als 600 Computern Bild: Eduardo Kopper

Dafür hat er auf dem Gelände besondere Container aufgestellt, sie gegen Feuchtigkeit versiegelt, und spezielle Lüftungen eingebaut. In den Containern brummen heute mehr als 650 Rechner von etwa 150 Kunden aus aller Welt und schürfen Bitcoins. Auch er selbst schürft inzwischen Bitcoins. Seine 25 Mitarbeiter musste Kopper so nicht entlassen. In den nächsten Monaten will er sogar ein weiteres seiner stillgelegten Wasserkraftwerke auf dem Gelände wieder hochfahren.

Das Krypto-Mining-Zentrum Poas I ist das erste seiner Art in Costa Rica. Aber längst haben sich andere private Stromproduzenten aus dem Land bei Kopper gemeldet. Auch sie wollen in das lukrative Geschäft einsteigen. Anderswo behaupten Unternehmen unterdessen, dass das Krypto-Mining helfen kann, die Herausforderungen der Energiewende, weg von den fossilen Energieträgern, zu bewältigen.

Krypto-Mining für stabile Stromnetze

So baut das Technologieunternehmen Lancium in Texas Anlagen zum Bitcoin-Mining, die mit erneuerbarer Energie betrieben werden. Das Unternehmen sieht sich jedoch nicht als Konkurrent zu den anderen Stromverbrauchern. Vielmehr sieht es sich als Partner zur Stabilisierung des Stromnetzes. 

Denn das Problem bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ist nach wie vor die Wetterabhängigkeit. In Texas ist der Ausbau der Windkraft in vollem Gange. Ist der Wind zu stark, kann es zu schnell zu einem Stromüberangebot kommen. Für die Stromnetze ist das ein Problem und kann zu Stromausfällen führen. Deshalb werden in Stromversorgungssystemen mit einem hohen Anteil an erneuerbaren Energien häufig auch fossil befeuerte Kraftwerke betrieben. Denn die können bei Bedarf schnell hoch- und wieder heruntergefahren werden.

Das könnten Mining-Unternehmen auch, heißt es von Lancium. Ähnlich wie ein Kohlekraftwerk könne man die Mining-Aktivitäten jederzeit hoch- und wieder runterfahren, je nachdem, wie viel überschüssige Energie verfügbar sei.

Projekte wie das von Lancium könnten auf diese Weise den Ausbau der erneuerbaren Energien unterstützen und den Bedarf an fossilen Brennstoffen reduzieren, meint auch Energie-Experte Lara.

Mining-Unternehmen suchen billigen Strom

Bitcoin-Experte Alex de Vries glaubt nicht, dass die grüne Krypto-Welle einen großen Einfluss auf den kolossalen Kohlenstoff-Fußabdruck der Blockchain-Technologie hat.

Nachdem China das Krypto-Mining verboten hatte, wanderte das Geschäft schnell ab, insbesondere in das ölreiche Kasachstan und in die USA. "Die neuen Standorte bieten einfach nicht die gleiche Menge an erneuerbaren Energien, wie China", sagt de Vries.

Bitcoin-Mining und die Umwelt?

Noch im August 2020 fanden fünf Prozent des weltweiten Bitcoin-Minings in den USA statt. Ein Jahr später war diese Zahl nach Angaben der University of Cambridge auf mehr als ein Drittel gestiegen. Vor allem Texas positioniert sich als Krypto-Hochburg. Doch trotz Projekten wie dem von Lancium, wird der Energiebedarf des Bundesstaates noch immer größtenteils durch Kohle und Gas gedeckt.

"Proof of Stake" - energieeffizienteres Kryptomodell

Eduardo Kopper dagegen ist sich sicher, dass mit einer globalen Verlagerung hin zu erneuerbaren Energien, grünes Mining den CO2-Fußabdruck des Bitcoin langfristig verbessern könnte. "Wir bemühen uns, den schmutzigen Bitcoin von unserem sauberen deutlich abzugrenzen", sagt er. "Es könnte noch etwas dauern, bis die Verbraucher das erkennen. Aber ich denke, es ist nur eine Frage der Zeit."

Eine bessere Lösung wäre hingegen, die Kryptowährungen energieeffizienter zu machen, meint de Vries. Einige Währungen, wie Cardano und Binance, verwenden bereits ein anderes Modell namens "Proof of Stake". Beim Schürfen setzten sie ihre eigenen Münzen ein, um Transaktionen durchzuführen, statt Berechnungen zu lösen. Das verbrauche viel weniger Strom.

Hydraulische Pumpen in einem Rechencenter der Krypto-Mining-Anlage des Wasserkraftwerks Poas I in Costa Rica
Wasserkraft treibt die Rechner in Poas I an - aber reicht das aus, um Bitcoins wirklich nachhaltig zu machen?Bild: Eduardo Kopper

"Wenn Sie den "Proof of Stake" verwenden, brauchen Sie keinen Hardware-Wettbewerb mehr", sagt De Vries. "Man braucht nur ein Gerät mit Internetanschluss. Die für "Proof of Stake" benötigte Energie ist um den Faktor 10.000 niedriger als beim Proof-of-Work-Verfahren."

Ethereum, nach dem Bitcoin die zweitgrößte Kryptowährung der Welt, plant noch in diesem Jahr, auf "Proof of Stake" umzustellen. Die Technologie ist noch neu. Aber de Vries glaubt, wenn sie für Ethereum funktioniere, könnten andere Währungen folgen.

Für Eduardo Kopper bleibt das rechenintensive "Proof of work" die Geschäftsgrundlage seines neuen Betriebs. Er hat keineswegs vor, künftig wieder als Wasserkraftwerk Poas I Strom zu verkaufen. "Wir lernen ja gerade, wie wir das Mining optimieren können. Damit erhöhen wir auch die Rentabilität", sagt er. "Heute würde ich sagen, dass wir nicht wieder zurückkehren werden. Wir haben einen neuen Markt für unseren Strom gefunden."

Redaktion: Ruby Russell

Adaptiert aus dem Englischen von Tabea Mergenthaler