1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ukraine-Krieg verteuert Preise in Eurozone

1. April 2022

Im Euroraum hat sich der Höhenflug der Verbraucherpreise fortgesetzt und die Inflation auf ein Rekordhoch getrieben. Der deutsche Bundesbank-Präsident drängt deshalb auf eine geldpolitische Wende.

https://p.dw.com/p/49KQd
Verbraucherpreise steigen im Südwesten um über sechs Prozent
Bild: Marijan Murat/dpa/picture alliance

Die Statistiker von Eurostat blicken jeden Monat auf die Preisentwicklung. Seit dem vergangenen Sommer haben sich die Preise kontinuierlich gesteigert. Im März nun ist die Inflationsrate auf 7,5 gestiegen - soweit die ersten Schätzungen der Behörde. Sie war damit im Euroraum noch nie so hoch seit Einführung der Gemeinschaftswährung im Jahr 1999. Analysten wurden von der Stärke des Sprungs überrascht. Sie hatten im Schnitt nur einen Anstieg von 5,9 Prozent im Februar auf 6,7 Prozent erwartet. Die deutschen Statistiker hatten am Donnerstag für Deutschland eine Schätzung von 7,3 Prozent vorgelegt. 

Energiepreise um fast 45 Prozent gestiegen

Im Vergleich zum Vormonat Februar stiegen die Verbraucherpreise im März um 2,5 Prozent. Auch hier fiel der Preissprung deutlich stärker als erwartet aus. Getrieben wurde die Teuerung einmal mehr durch einen extrem starken Anstieg der Preise für Energie, die sich zum Vorjahresmonat um 44,7 Prozent verteuerte. Lebens- und Genussmittel waren im März 5,0 Prozent teurer als vor einem Jahr.

Symbolfoto Benzinpreis | Tankstelle Berlin
Haupttreiber der Inflation sind die gestiegenen EnergiepreiseBild: Sebastian Gabsch/Geisler/picture alliance

Ohne Energie, Lebens- und Genussmittel stieg die Kernrate der Verbraucherpreise im März auf 3,0 Prozent, nach 2,7 Prozent im Vormonat. Die Kerninflation ist weniger schwankungsanfällig und wird daher von vielen Ökonomen als verlässlicheres Maß für den Inflationstrend angesehen.

Das mittelfristige Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent wird deutlich überschritten. An den Märkten wird mittlerweile fest mit mindestens einer Leitzinserhöhung in diesem Jahr gerechnet. Mit höheren Leitzinsen kann eine steigende Inflation in der Eurozone bekämpft und Preisstabilität gewährleistet werden.

Wann kommt die Zinswende?

Die EZB stellt sich auf kurze Sicht auf noch weiter steigende Verbraucherpreise im Euroraum ein. EZB-Vizechef Luis de Guindos rechnet erst in einigen Monaten mit dem Höhepunkt der Inflationswelle. In der zweiten Jahreshälfte soll sie sich dann abflachen.

Zugleich dürfte die Wirtschaft nach dem Ukraine-Schock vorerst nur noch vor sich hindümpeln, wenn der Spanier mit seiner Prognose recht behält. Für das erste Quartal ist demnach nur ein geringes Wachstum zu erwarten und für das zweite Quartal ein Wert nahe null.

Die EZB will im dritten Quartal ihre milliardenschweren Anleihekäufe beenden, wenn es die Inflationsaussichten zulassen. Das Aus des Bond-Programms gilt als Vorstufe einer Zinserhöhung, die "einige Zeit" nach Ende der Anleihen-Zukäufe vollzogen werden soll. Einige Währungshüter dringen darauf, dass die Wende zügig eingeleitet wird. Der österreichische Notenbankchef Robert Holzmann brachte bereits den September als Termin für eine Zinswende ins Gespräch.

Forderungen an die EZB

Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hat angesichts der Rekordinflation im Euro-Raum davor gewarnt, die geldpolitische Kurswende hinauszuzögern. "Die Inflationsdaten sprechen eine deutliche Sprache. Die Geldpolitik darf nicht die Gelegenheit verpassen, rechtzeitig gegenzusteuern", erklärte Nagel am Freitag (01.04.2022) nach der Veröffentlichung neuer Inflationsdaten für die Euro-Zone. Die Inflationsrate sei erneut erheblich höher ausgefallen als erwartet. "Wir haben im EZB-Rat klar gesagt: Die geldpolitischen Maßnahmen hängen von der Datenlage ab", fügte er hinzu.

Corona in Deutschland Supermarkt Gemüseregal
Einkaufen im Supermarkt wird teurerBild: Sabine Kinkartz/DW

"Der Ukraine-Krieg und die Rückkehr der Corona-Pandemie in China werden den Preisdruck hochhalten, die Inflation wird zum Dauergast", prophezeit Chefökonom Alexander Krüger von der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe. Bei einem Handelsembargo im Streit des Westens mit Russland wegen der Ukraine-Invasion stünden ein Inflations-GAU und eine heftige Rezession bevor, meint er:  "Wegen trüber Konjunkturaussichten wird die EZB nicht mehr als Leitzinskosmetik wagen."

"Die EZB hat ein handfestes Inflationsproblem", sagt Thomas Gitzel, Chefvolkswirkt der VP-Bank. "Die Projektionen der EZB-Volkswirte sehen derweil bereits für das kommende Jahr wieder Inflationsraten im Bereich des EZB-Zielwertes von zwei Prozent vor. Doch dahinter dürfte sich mehr Wunsch als Wirklichkeit verbergen." Es handle sich beim Inflationsanstieg keineswegs nur um einen Einmaleffekt aufgrund des Energiepreisanstieges. "Die Inflationsrate wird zwar in den kommenden Monaten fallen, aber der Richtwert von zwei Prozent bleibt erst einmal noch in weiterer Entfernung."

Jörg Krämer, Chefökonom der Commerzbank, geht davon aus, dass die Kerninflation  wegen der Materialengpässe und des Festhaltens an Chinas Null-Corona-Politik noch lange anhalten dürfte. "Jetzt kommt es darauf an, dass die EZB endlich den Fuß vom Gas nimmt. Ansonsten steigen die Inflationserwartungen weiter, und die hohe Inflation setzt sich dauerhaft fest."

nm/hb (dpa, rtr)