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Fünf Fakes über Affenpocken

Simone Schirrmacher
3. Juni 2022

Wurde der Affenpocken-Ausbruch durch den Corona-Impfstoff von AstraZeneca verursacht? Stammt das Virus aus einem Labor? DW-Faktencheck hat die wichtigsten Verschwörungsmythen zu den Affenpocken überprüft.

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Affenpocken
Hautsymptome von Affenpocken auf einem vom Institute of Tropical Medicine Antwerp zur Verfügung gestellten BildBild: Institute of Tropical Medicine/dpa/picture alliance

Nur ein Medienfake?  

Behauptung: Affenpocken gebe es gar nicht, sie seien ein Hoax, glauben manche in den sozialen Netzwerken. In der Berichterstattung verwendete Fotos, die in Wirklichkeit alt sind oder andere Krankheiten wie etwa Gürtelrose zeigen, sollen das beweisen. Dazu kursieren zahlreiche Bildvergleiche etwa auf Twitter

DW-Faktencheck: Falsch.

Die Affenpocken sind real. Das Virus ist seit 1958 bekannt, seit 1970 weiß man, dass es auch auf den Menschen übertragbar ist. Es gibt immer wieder Ausbrüche, die bisher auf Länder in West- und Zentralafrika beschränkt waren. In Nigeria gibt es seit 2017 einen größeren Ausbruch mit über 500 Fällen, der bis heute andauert.

Die "alten" Bilder, die beweisen sollen, dass es sich bei den Berichten über Affenpocken um Falschmeldungen handelt, sind überwiegend Agenturbilder zu der Krankheit, die seit Jahren im Bildbestand der jeweiligen Anbieter sind. Und es ist nicht ungewöhnlich, dass bei medizinischen Themen die gleichen Bilder wiederholt zur Berichterstattung genutzt werden - weil die Auswahl insgesamt eher klein ist.  

Einige Twitter-Nutzer stellen Affenpocken- und Gürtelrose-Artikelbilder gegenüber - die anscheinend identischen Abbildungen für die zwei unterschiedlichen Krankheiten sollen beweisen, dass die Affenpocken-Berichterstattung ein Fake ist. 

Eine Suchmaschinen-Recherche zeigt: Zwar wurde der Infotext des Queensland Government über Gürtelrose tatsächlich mit dem Bild aus dem Tweet illustriert. Bei dem Artikel zu Affenpocken verhält es sich ein wenig komplizierter: Zumindest seit dem 19. Mai 2022 enthält der Text von "The Health Site" nicht das Bild aus dem Tweet, sondern ein anderes.

Eine ältere, archivierte Version des Artikels vom 17. Juli 2021 zeigte dagegen tatsächlich fälschlicherweise die Gürtelrosen-Abbildung als Illustration für Affenpocken - inzwischen ist dieser Fehler korrigiert und der Artikel überarbeitet worden. Ein redaktioneller Fehler auf einer Website ändert zudem nichts daran, dass es die Affenpocken tatsächlich gibt.

 

Affenpocken durch Corona-Impfung?

Behauptung: Das Corona-Vakzin von AstraZeneca enthält abgeschwächte Adenoviren von Schimpansen - als Träger für die DNA des Corona-Spike-Proteins. Für einige Nutzerinnen und Nutzer legt das nahe: Die Infektionen mit Affenpocken sind auf den Vektorimpfstoff zurückzuführen.  

DW-Faktencheck: Falsch. 

Affenpocken und Adenoviren aus Affen - auch wenn das Wort "Affen" auf den ersten Blick eine mögliche Verbindung nahelegen mag, haben die Viren nichts miteinander zu tun. Christine Falk, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, erklärt: "Affenpocken heißen so, weil sie 1958 zum ersten Mal in einer Affenkolonie nachgewiesen wurden. Sie kommen aber eigentlich aus den Nagetieren, Affen sind wahrscheinlich ein Zwischenwirt."  

Adenoviren, auch Schimpansen-Adenoviren, die die Basis für die Vektorimpfstoffe darstellen, seien eine ganz andere Virusklasse als Pockenviren - mit ganz anderen Eigenschaften. Mitunter würden diese Viren für erkältungsähnliche Infektionen sorgen. "Und da gibt es welche, die für die Verwendung in Impfstoffen aus Schimpansen isoliert und verändert wurden. Aus Schimpansen deshalb, damit unser Körper keine Vorimmunität hat, wie das bei humanen Adenoviren der Fall sein kann." Falk und andere Experten sehen deshalb keine Möglichkeit, wie COVID-Impfstoffe etwas mit dem Ausbruch von Affenpocken zu tun haben könnten.  

 

Virus in Wuhan im Labor entstanden? 

Behauptung: Das Wuhan Institute of Virology soll mit Affenpockenviren experimentiert haben - für manche ein klares Indiz, dass das der Ursprung des aktuellen Ausbruchs ist. Das Ganze erinnert an die "Labortheorie" des Coronavirus, die unter Wissenschaftlern mittlerweile als unwahrscheinlich, aber nicht ganz ausgeschlossen gilt. 

DW-Faktencheck: Irreführend.

Tatsächlich haben in Wuhan Experimente zur PCR-Testung von Affenpockenviren stattgefunden. Das ist unstrittig, eine im Februar 2022 vom Institut veröffentlichte Studie macht das auch transparent. Im Rahmen dieser Studie wurde jedoch nur mit einem Fragment des Virus experimentiert, das weniger als ein Drittel des Affenpockengenoms aufwies. Dieses Fragment sei absolut sicher, heißt es in der Studie, da jegliches Risiko, dass es sich in ein ansteckendes Virus zurück entwickeln könnte, ausgeschlossen sei.  

"Es gibt keine Beweise, die zeigen, dass die Affenpocken aus einem Labor entstammen. Das Virus existiert in freier Wildbahn in Tierbeständen in verschiedenen Ländern in West- und Zentralafrika. Fast jedes Jahr gibt es kleinere Ausbrüche bei Menschen", sagte Mark Slifka der DW. Er ist Immunologe und Professor am Oregon National Primate Research Center.

Slifka sagt zudem, dass Wissenschaftler in der Lage sind durch die Sequenzierung des Genoms verschiedene Virusstämme zu unterscheiden. Es lässt sich also erkennen, ob das Virus mit dem westafrikanischen oder mit dem zentralafrikanischen Stamm des Affenpockenvirus verwandt ist. "Soweit ich weiß, hat keiner der Primärfälle, von denen berichtet wird, vor der Diagnose China bereist", so Slifka.

 

Affenpocken Tests
PCR-Tests zur Erkennung des AffenpockenvirusBild: DADO RUVIC/REUTERS

Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bestätigt in Stellungnahmen, dass sämtliche aktuelle Fälle bisher mit einem Virenstamm der Affenpocken in Verbindung stehen, der aus Westafrika stammt. Dass derzeit vermehrt Fälle auch in Europa auftreten, liegt einem Paper des European Center for Disease Prevention (ECDC) zufolge wohl vor allem an sogenannten Spreader-Events in der internationalen MSM-Szene, da Affenpocken sich vor allem über direkten Schleimhautkontakt übertragen. 

Sind die Affenpocken eine "Plandemie"?  

Behauptung: In den sozialen Netzwerken verbreitet sich auch die Behauptung, der Ausbruch einer Affenpocken-Pandemie sei von langer Hand vorbereitet worden. Ein Planspiel bei der Münchener Sicherheitskonferenz, dem ein Affenpocken-Szenario zu Grunde lag, beweise das. Andere stellen eine direkte Verbindung zwischen Bill Gates und dem Ausbruch der Affenpocken her, da dieser wiederholt vor einem solchen Szenario gewarnt haben soll.    

DW-Faktencheck: Irreführend.  
 
Das als Beweis für eine angeblich geplante Affenpocken-Pandemie herangezogene Planspiel bei der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) 2021 gibt es tatsächlich - auch mit dem Szenario eines fiktiven Affenpockenausbruchs im Mai 2022. Das Planspiel wurde von der Nuclear Threat Initiative (NTI) im Rahmen der MSC initiiert, um auf Lücken in der weltweiten Pandemie-Koordination aufmerksam zu machen

Planspiele werden in vielen Zusammenhängen genutzt, um sich auf komplexe Szenarien/Sicherheitsrisiken vorzubereiten und Abläufe zu proben beziehungsweise zu überprüfen. Dass nun ein solches durchgespieltes Szenario tatsächlich eintritt, spricht für die Realitätsnähe der Szenarien, aber es beweist keine Kausalität.

Das Szenario ist zudem nah dran, aber es deckt sich nicht mit der Realität. So ist der reale Erreger zum Beispiel weniger infektiös und die Übertragungswege unterscheiden sich vom Szenario auf der MSC. Das stellte die NTI in einem Statement kürzlich noch einmal klar: "Das fiktive Szenario in unserer Übung bezog sich auf einen hypothetischen manipulierten Stamm des Affenpockenvirus, der übertragbarer und gefährlicher war als natürliche Stämme und sich weltweit ausbreitete und schließlich innerhalb von 18 Monaten mehr als drei Milliarden Fälle und 270 Millionen Todesfälle verursachte." 

Bei dem aktuellen Ausbruch gebe es keinen Grund zu der Annahme, dass es sich um einen manipulierten Erreger handle. Man glaube auch nicht, dass der aktuelle Erreger das Potenzial habe, sich so schnell zu verbreiten wie das fiktive Gegenstück im Planspiel, oder eine so hohe Sterblichkeitsrate verursachen könne, so die Nichtregierungsorganisation.

Münchner Sicherheitskonferenz
Microsoft-Gründer Bill Gates bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2022 Bild: Sven Hoppe/dpa/picture alliance

Bezüglich der Behauptungen zu Bill Gates ist zu sagen: Der Milliardär und Philanthrop engagiert sich mit seiner Stiftung schon lange in der Prävention von Krankheiten und warnt seit Jahren vor Gefahren durch Bioterrorismus und Pandemien - zum Beispiel auch durch einen Pockenausbruch. Die Möglichkeit eines solchen Ausbruchs beziehungsweise eines Bioterror-Anschlags mit Pockenviren wird aber auch unabhängig von Gates in diversen Forschungsartikeln diskutiert. Und die Affenpocken selbst hat Gates in seinen Äußerungen nie besonders erwähnt.

Kann US-Chefvirologe Fauci hellsehen?    

Behauptung: US-Chefimmunologe Anthony Fauci soll bereits vor dem aktuellen Affenpockenausbruch Forschungsgelder zur Erforschung von Behandlungsmöglichkeiten gegen die Krankheit vergeben haben - für manche ein starker Hinweis, dass dieser Ausbruch von langer Hand geplant wurde.   
 
DW-Faktencheck: Irreführend.  

Die Forschungsförderung gibt es tatsächlich. Da das Affenpockenvirus seit 1958 entdeckt und auch seit über 50 Jahren bekannt ist, dass Menschen sich infizieren können, wird auch schon entsprechend lange an Behandlungsmöglichkeiten geforscht. Die Tatsache, dass solche Forschungsprojekte existieren, stellt deshalb an sich keine große Überraschung dar. Eine Suche nach "Monkeypox" ("Affenpocken") auf den Seiten der Forschungsprojekte der US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH) zeigt, dass über die Jahre regelmäßig Forschungsprojekte zu diesem Virus und der Behandlung der Affenpocken finanziert wurden. In Fachkreisen wird vielmehr kritisiert, dass solche gefährlichen Viren und die von ihnen verursachten Erkrankungen noch immer zu wenig Beachtung finden, solange die industrialisierte Welt nicht unmittelbar darunter leidet. 

Mitarbeit: Ines Eisele