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Nachhaltigkeit: Schluss mit Greenwashing

22. Juni 2022

Wirklich grün oder nur geschönt? Die EU will große Unternehmen künftig verpflichten, über ihr Engagement für Nachhaltigkeit zu berichten. Kritiker lassen nicht lange auf sich warten.

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Spanien Barcelona | MWC Messe  2022 - Deutsche Telekom Nachhaltigkeit
Viele Firmen stellen sich gerne als nachhaltig da. Nicht bei allen ist grün drin, wo grün draufsteht.Bild: Wolfgang Bernert/DW

Viele Unternehmen werben gerne damit, dass sie nachhaltig sind und sich für Menschenrechte, Umwelt und Klima einsetzen. Glauben darf man diesen Aussagen aber nicht unbedingt. Immer wieder stellen sie sich als geschönt, übertrieben oder unrealistisch heraus. Andere Unternehmen schweigen lieber gleich über ihr (mangelndes) Engagement für Nachhaltigkeit.

Beides möchte die EU nun ändern. Künftig müssen große Unternehmen in der EU über die Nachhaltigkeit ihrer Aktivitäten informieren. Darauf haben sich am Dienstag Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments geeinigt. Sie sollen darüber berichten, wie sich ihre Geschäftstätigkeit unter anderem auf die Umwelt, die Menschenrechte und die Sozialstandards auswirkt. Darüber hinaus müssen diese Daten von unabhängiger Seite geprüft und zertifiziert werden.

Firmen aus der EU und anderen Staaten werden in die Pflicht genommen

Die neuen Berichtspflichten sollen ab 2024 gelten, wie das Parlament und der französische Vorsitz der EU-Staaten mitteilten. Beide Seiten müssen die Einigung noch formell bestätigen. Allerdings gibt es auch da wieder Einschränkungen, denn die neue Regelung gilt nur für große Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem Umsatz von 40 Millionen Euro. Auch Unternehmen von außerhalb der EU mit einem Jahresumsatz von mindestens 150 Millionen Euro müssten gleichwertige Vorschriften einhalten.

"Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung werden gleichberechtigt sein, und die Anleger werden endlich Zugang zu zuverlässigen, transparenten und vergleichbaren Daten haben", hieß es. Für kleinere und mittlere Unternehmen sollen in einer Übergangszeit bis 2028 nach Angaben des Rats der EU-Staaten Ausnahmen möglich sein.

Mehr Bürokratie, höhere Kosten für eine bessere Umwelt

Die CSU-Abgeordnete Angelika Niebler beklagte dennoch, die Einigung sei für den deutschen Mittelstand unbefriedigend. Dass an der Börse notierte kleine und mittlere Unternehmen "zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet werden sollen, kann die betroffenen Unternehmen vor riesige Herausforderungen stellen", teilte Niebler mit. "Sie müssen ihre Prozesse umstellen, zusätzliches Personal einstellen und die Einhaltung von Vorgaben streng kontrollieren. Das alles kostet unsere Unternehmen viel Zeit und Geld."

Deutschland Symbolbild Inflation und Lebensmittelpreise. Obst wird mit fünf Euro bezahlt.
Verbraucher schauen zur Zeit mehr auf die Preise der Lebensmittel als auf Nachhaltigkeit. Das ergab eine aktuelle Umfrage im Auftrag des DeutschenInstituts für Lebensmitteltechnik (DIL).Bild: Moritz Frankenberg/dpa/picture alliance

Langfristig eine Überlebensstrategie für Unternehmen

Die Wirtschaft auf Nachhaltigkeitsziele auszurichten wird dem Betriebswirtschaftsprofessor René Schmidpeter zufolge Jahre dauern und viele Kraftanstrengungen in Unternehmen erfordern. "Nachhaltigkeit darf kein Add-on mehr sein, sondern muss über alle Funktionen in die Unternehmenssteuerung integriert werden", so Schmidpeter.

"Das bisherige Nachhaltigkeitsverständnis in Firmen ist oft so: Ein bisschen Risikomanagement, ein bisschen PR, ein bisschen Grün." Das reiche nicht mehr. "Denn nicht nachhaltige Geschäftsmodelle wird es absehbar in einigen Jahren vielfach nicht mehr geben." Studien etwa der renommierten Harvard-Universität zeigten, dass nachhaltige Unternehmen langfristig mehr Gewinne
machten als weniger nachhaltige. Investoren würden schon heute mehr und mehr die Frage stellen, ob Unternehmen in zehn Jahren noch zukunftsfähig seien - und auch ihr Geld dahingehend investieren.

iw/hb (dpa)