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Großer Betrugsfall mit Cannabis

Andreas Becker | Nicolas Martin
12. August 2022

Bei einem Cannabis-Investment haben Tausende Anleger keinen Zugang mehr zu ihren Konten. Wer steckt dahinter, wie groß ist der Schaden? In einer Podcast-Serie arbeitet die DW den Krimi um die Firma JuicyFields auf.

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Juicy Fields Grafik
Bild: Juicy Fields

Die Dimensionen sind unklar, einige Schätzungen beziffern den Schaden auf Millionen, andere auf mehrere Milliarden Euro - so viel Geld könnten Kleinanleger rund um den Globus in ein windiges Angebot mit Cannabis-Pflanzen gesteckt haben. 

JuicyFields versprach gigantische Renditen

Die DW hat den Aufstieg der zweifelhaften Firma seit Ende 2021 immer wieder begleitet. In dem englischsprachigen und investigativen True Crime Podcast Cannabis-Cowboys erzählen DW-Reporter die Geschichte der Firma und recherchieren: Wo ist das Geld? Wer steckt dahinter?

Cannabis Cowboys Trailer

Die Firma mit dem Namen JuicyFields bot seit 2020 sogenanntes "E-Growing" an. Dabei konnten sich Investoren an Anbau, Ernte und Verkauf von medizinischen Cannabis-Pflanzen beteiligen. Die Renditen beliefen sich dabei auf deutlich über 100 Prozent im Jahr.  

"Die Menschen sind es einfach nicht mehr gewöhnt, gute Gewinne zu machen", verteidigte sich noch im Frühjahr der damalige Unternehmenssprecher und "Innovationsbeauftragte" von JuicyFields, Daniel Gauci, auf DW-Fragen nach dem Geschäftsmodell. Wie die Firma solche Renditen erwirtschaften könne, dazu wollte er sich nicht äußern.   

Eine Online-Plattform war das wichtigste Instrument der Firma. Dort konnten Nutzer Pflanzen kaufen, verkaufen, in virtuellen Gewächshäusern verwalten und sich ihr Geld auszahlen lassen. Ob die Pflanzen jemals existierten, ist nach den aktuellen Geschehnissen unklar. Denn seit Juli 2022 können sich Nutzer nicht mehr auf der Plattform einloggen. Kurz darauf verschwanden auch die Inhalte der Firma auf den Social-Media-Plattformen. Seitdem deutet sich an, was Branchenkenner schon lange geahnt haben: JuicyFields ist Betrug. Das Geld der Anleger ist weg. 

Chefs weisen Mitverantwortung zurück

Alan Glanse, lange CEO von JuicyFields, wies im DW-Interview Mitte 2022 noch jede Verantwortung zurück. Er sei in seiner Funktion weder für die Plattform nicht für das Finanzielle zuständig gewesen. "Die Leute haben mich benutzt", so Glanse. 

Er vermute, dass ein Machtkampf im zunehmend komplex gewordenen Firmengeflecht von JuicyFields entbrannt ist. "Die alten kämpfen gegen die neuen Eigentümer", so Glanse. "Und eine Seite hat entschieden, die Plattform zu schließen." 

Lamborghinis auf einem Messeparkplatz in Barcelona
Selbstbewusster Auftritt: Lamborghinis mit dem Logo von JuicyFields vor einer Branchen-Messe in BarcelonaBild: DW

Auch der Unternehmenssprecher Daniel Gauci distanzierte sich nach dem Zusammenbruch der Plattform von JuicyFields. Er sei betrogen und hingegangen worden, so Gauci in einem öffentlichen Brief. 

Der nächste große Exit Scam?  

500.000 Nutzer sollen laut Aussagen von JuicyFields auf der Plattform registriert gewesen sein. Diese kommen aus Europa, Asien, Afrika und auch Lateinamerika. Die Mindestgrenze eines Investments in eine virtuelle Cannabispflanze lag bei 50 Euro. Das Geld konnte per Banküberweisung oder über Kryptowährungen wie Bitcoin ein- und ausgezahlt werden.   

Die Auszahlungen der Gewinne liefen dabei lange reibungslos, wie Investoren der DW immer wieder versicherten. Viele Kleininvestoren prahlten mit ihren Renditen und pumpten dann häufig noch mehr Geld in das Unternehmen. Manche nahmen sogar Kredite auf. JuicyFields setzte auf Social Marketing, engagierte Influencer, war omnipräsent auf Messen und steckte viel Geld in Werbung. 

 Juicy Fields | Daniel Gaucci, Thomas Stieger
Der Pressebeauftragte von JuicyFields, Daniel Gauci (l.), mit dem Finanzbeauftragten des Unternehmens Thomas Stieger (r.) bei einer Messe im März 2022Bild: DW

In Foren wird spekuliert, ob der Fall JuicyFields ähnlich groß werden könnte wie der Betrug mit der Kryptowährung OneCoin - initiiert von Ruja Ignatova. Die "Kryptoqueen" wurde kürzlich von der US-Bundespolizei FBI auf die Liste der meistgesuchten Personen gesetzt. Auf vier Milliarden Dollar soll sich der Schaden durch OneCoin belaufen. 

Doch über die Dimensionen des Betrugs bei JuicyFields kann bisher nur spekuliert werden. Die Schätzungen schwanken zwischen einer dreistelligen Millionenhöhe bis hin zu Beträgen, die in die Milliarden gehen.

Der Schwede Lars Olofsson arbeitet bereits an juristischen Klagen der JuicyFields-Opfer. "Im Schnitt haben meine Klienten mehr als 30.000 Euro investiert. Und viele haben alles reingesteckt, was sie hatten." 

Die Opfer kommen aus ganz Europa, außerdem aus vielen Ländern Asiens, Nord- und Südamerika, Australien und Neuseeland, sagt der Anwalt. "Es ist auf jeden Fall ein weltweiter Betrug." Der Gesamtschaden könnte die Milliardengrenze überschreiten, glaubt Olofsson. 

Betreiber der Webseite schüren weiter Hoffnung 

Auf der Webseite JuicyFields.io werden gelegentlich wieder neue Inhalte veröffentlicht. Wie zum Beispiel ein kurioses Video von Männern mit Anonymous-Masken. Darin behauptet eine elektronische Stimme, JuicyFields arbeite an einer Neuauflage der Investmentplattform und wolle Verluste erstatten.  

Screenshot Website JuicyFields - Maskierte Männer
Maskierte Männer versprechen Erstattungen und eine Neuauflage der PlattformBild: JuicyFields

In zahlreichen Telegram-Gruppen äußern sich deshalb auch mehr als ein halbes Jahr nach dem Ende der Plattform noch Kleininvestoren, die darauf hoffen, ihre Einlagen zurückzubekommen. Dass dies geschieht, ist allerdings unwahrscheinlich. So gibt es Gerüchte, dass die Hintermänner versuchen, Investoren ein weiteres Mal zu hintergehen. 

Ein Betrugsfall wie im Krimi 

Ähnlich wie im Fall OneCoin zeichnet sich ab, dass auch JuicyFields zumindest in Teilen auf ein Schneeballsystem gesetzt hat. Dabei werden Einzahlungen von Neukunden für anfallende Auszahlungen verwendet. Auch Teile des sogenannten Multi-Level-Marketings kamen zum Einsatz. Investoren bekommen dabei Prämien, wenn sie andere vom Produkt überzeugen können. Offenbar vermuteten viele Menschen im Cannabis-Bereich besonders hohe Gewinnmargen.  

Die Branche gilt als Wachstumsindustrie, seit Cannabis in vielen Ländern als Medizinprodukt zugelassen wurde. In Kanada und einigen US-Bundesstaaten ist die Droge sogar für den Freizeitkonsum legal. Auch die deutsche Bundesregierung plant eine komplette Legalisierung. 

In Europa hat die spanische Aufsichtsbehörde schon früh vor JuicyFields gewarnt. Die deutsche Aufsichtsbehörde Bafin hat im März 2022 das erste Mal auf Unstimmigkeiten hingewiesen. Im Juni hat sie JuicyFields verboten, weitere Cannabis-Pflanzen auf ihrer Plattform in Deutschland zu verkaufen Dem ist das Unternehmen nicht nachgekommen.

Wer steckt dahinter?  

Im Internet kursieren mehrere Versionen der Geschehnisse: Die am häufigsten verbreitete ist die von russischen Hintermännern, die von Anfang an einen Betrug geplant haben sollen. In einer weiteren Version werden Teile der Führungsriege verdächtigt, mit dem Geld durchgebrannt zu sein.   

Screenshot Juicy Fields
Unterschiedliche Sorten Cannabis versprachen mehr als 100 Prozent RenditeBild: Screenshot Juicy Fields

Auch der Name einer Firma mit Sitz in Berlin fällt immer wieder. Diese unterhält gute Verbindungen in die Schweiz, nach Liechtenstein und in die Niederlande. JuicyFields hat in Berlin angefangen. Es waren wohl Ermittlungen des Landeskriminalamts und der zunehmende Druck der Finanzaufsicht, die dazu führten, dass die Firma ihren Sitz um den Jahreswechsel 2022 dann in die Niederlande verlegte. 

Eine Podcast-Serie der DW 

In dem investigativen Podcast der DW geht es um Gier, Geldwäsche, Geheimdienst - und den ewigen Traum vom schnellen Reichtum. Die Suche führt die Reporter auf Partys in Luxushotels, zu einem Schloss in der Schweiz und zu Whistleblowern an den Grenzen Europas. Die Folgen gibt es hier und überall,wo es Podcasts gibt. 

Dieser Artikel erschien am 21.07.2022 und wird fortlaufend aktualisiert

Andreas Becker
Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.