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Klimaschützer wegen deutscher Gas-Pläne im Senegal alarmiert

Daniel Pelz
1. August 2022

Deutschland braucht Gas, um von Russland unabhängig zu werden. Senegal hat Gas, braucht aber Hilfe bei der Förderung. Die Bundesregierung plant ein gemeinsames Projekt, aber Umweltschützer sind entsetzt.

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Senegal 2022 | LNG-Tanker
Ein LNG-Tanker vor Dakar - aktuell lässt der Senegal noch Flüssiggas liefern, demnächst will das Land exportierenBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Für Yero Sarr ist die Sache klar: "Die Bundesrepublik Deutschland darf sich nicht an diesem Projekt beteiligen", sagt der senegalesische Aktivist. Seine Regierung und die Bundesrepublik sehen das dagegen ganz anders. Denn es ist nicht irgendein Projekt, von dem Sarr spricht. Es geht um riesige Gasvorkommen vor Senegals Küste, um Deutschlands Energieversorgung und um die deutsch-afrikanischen Beziehungen.  

Ab Dezember 2023 soll das erste Gas aus dem Greater Tortue Ahmeyim Feld fließen. Für den Anfang rechnet Senegals Regierung mit 2,5 Millionen Tonnen im Jahr. Die nötigen Arbeiten laufen, unter anderem ist ein schwimmendes Terminal für Flüssiggas (LNG) im Bau. Ab 2030 könnten sogar 10 Millionen Tonnen Gas gefördert werden. Doch dafür braucht Senegals Regierung Partner. "Deswegen habe ich Bundeskanzler Scholz darum gebeten, uns dabei zu begleiten, den Export von Gas- und LNG-Ressourcen nach Europa zu unterstützen, und dabei, dass wir dieses Gas für unsere Kraftwerke nutzen können", sagte Staatspräsident Macky Sall nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz im Mai.

Infografik Karte Gasvorkommen vor Senegal und Mauretanien DE

Deutschlands Interesse liegt auf der Hand, schließlich sucht die Bundesregierung seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine händeringend neue Lieferanten. "Wir werden das im Anschluss an diese Gespräche sehr intensiv auf Fachebene fortsetzen, weil das einfach eine Sache ist, bei der es Sinn macht, sie intensiv zu verfolgen", sagte Bundeskanzler Scholz nach dem Treffen mit Sall.

Umwelthilfe: "Verstößt gegen den Geist des Pariser Klimaschutzabkommens"

Umweltschützer können der rosigen Vision einer gemeinsamen Gas-Partnerschaft dagegen überhaupt nichts abgewinnen. "Es kann überhaupt nicht sein, dass die Bundesregierung in andere Länder reist und dort gemeinsame neue fossile Projekte anschiebt. Das verstößt gegen den Geist des Pariser Klimaschutzabkommens", sagt Sascha Müller-Kraenner von der Deutschen Umwelthilfe zur DW. Eigentlich hatten sich Deutschland und die anderen G7-Industriestaaten verpflichtet, kein öffentliches Geld mehr in fossile Energiequellen zu stecken. Doch angesichts der Ukraine-Krise ist der Beschluss aufgeweicht worden.

Senegal | Fischerdorf in Bargny
In der Fischerstadt Bargny stellt der gestiegene Meeresspiegel durch den Klimawandel bereits heute eine Gefahr dar - auf Meer und Fischer kämen infolge der Gasförderung noch weitere Probleme zuBild: John Wessels/AFP/Getty Images

Ein riesiger Rückschlag für die internationalen Klimaziele, sagt die Umwelthilfe und befürchtet noch mehr: "Die Gasbohrungen vor der Küste des Senegal und Mauretaniens haben massive Auswirkungen auf die lokale Fischerei-Industrie, auf die Menschen dort, auf deren Arbeitsplätze und natürlich auch auf die Natur", befürchtet Müller-Kraenner. Vor der senegalesischen Küste liegen unter anderem ein Meereskröten-Schutzgebiet mit UNESCO-Welterbestatus und das größte Kaltwasserkorallenriff der Welt. Umweltschützer fürchten, dass Förderplattformen, Pipelines, ein geplanter Wellenbrecher und andere Infrastruktur die empfindlichen Gebiete erheblich beschädigen könnten. 

Bundesregierung: "absolut richtige Option"

Die Bundesregierung steht trotzdem hinter dem Projekt. Deutschland wolle nur so lange Gas nutzen, bis es seinen Energiebedarf vollständig aus erneuerbaren Quellen decken könne. Es sei eine "absolut richtige Option", wenn der Senegal seine Gasfelder für den eigenen Übergang zu erneuerbaren Energien nutze, aber auch als Lieferant für andere zur Verfügung stehe, sagte der Staatssekretär im Entwicklungsministerium, Joachim Flasbarth, Ende Juni. Bei seinem Besuch versprach auch Bundeskanzler Scholz, die Zusammenarbeit bei den erneuerbaren Energien auszubauen - zum Beispiel mit einer sogenannten "Klimapartnerschaft".

Senegal Olaf Scholz und der Senegalesischer Präsident Macky Sall beimBesuch einer Solaranlage in Dakar
"Klimapartner" und Gas-Freunde? - Senegals Präsident Macky Sall zeigte seinem Gast Olaf Scholz im Mai einen SolarparkBild: Robert Adé/DW

Bereits jetzt fördert die Kreditanstalt für Wiederaufbau ein Solarkraftwerk nahe der Hauptstadt Dakar. Perspektivisch will Senegal 30 Prozent seines Strombedarfs mit erneuerbaren Energien decken. Doch ohne Gas geht es nicht, glaubt auch Präsident Macky Sall. Auf dem afrikanischen Kontinent lebten 1,3 Milliarden Menschen, von denen 600 Millionen keinen Zugang zu Elektrizität hätten. "Man muss auch die Industrialisierung unterstützen", forderte Sall beim Scholz-Besuch im Mai.

Afrikaverein: "ein wesentlicher Schritt"

Auch Wirtschaftsvertreter sind für das Gasprojekt. "Es ist ein wesentlicher Schritt, die Energiekooperation mit dem afrikanischen Kontinent insgesamt zu verstärken und zu vertiefen. Es ist etwas bedauerlich, dass wir das jetzt erst tun, wo wir wegen der ausfallenden Gaslieferungen aus Russland akute Probleme haben", sagt Christoph Kannengießer vom Afrikaverein der deutschen Wirtschaft zur DW. Noch sei Deutschland von Gasimporten abhängig und könnte nicht den gesamten Energiebedarf aus nachhaltigen Quellen decken.

Senegal | Kohlekraftwerk in Bargny
Dieses Kohlekraftwerk liefert Strom für den Senegal - und überzieht die Umgebung mit einer feinen StaubschichtBild: Katrin Gänsler

Unklar aber ist, was am Ende von den schönen Perspektiven der gemeinsamen deutsch-senegalesischen Zusammenarbeit bleibt. Denn es ist nicht klar, was die vom Bundeskanzler angekündigten Gespräche erbracht haben. Eine DW-Anfrage an das Bundeswirtschaftsministerium blieb unbeantwortet.