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Glaube

Sie war anwesend

12. August 2022

Wenn Worte passen und das Abschiednehmen stimmt, ist das ein Segen. Es kann sogar geschehen, dass man mit einer Beerdigung das Leben feiert. Das wünscht sich die Autorin im Blick auf ihre eigene.

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Geusenfriedhof in Köln
Bild: Rainer Hackenberg/picture alliance

Ich war froh, dass es nicht regnete. Dass meine Großmutter Helene tot war, war traurig genug. Sie hatte immer so gut gerochen und war warm und weich, und nun sollten wir sie nachher in die womöglich kalte, nasse Erde legen – das war für mich eine schreckliche Vorstellung. Wie sie wohl werden würde, ihre Beerdigung? Am meisten sorgte ich mich um meine Mutter. Ich hoffte, sie würde nicht zusammenbrechen.
Niemand brach zusammen, im Gegenteil: Es war eine so schöne Beerdigung. Klingt merkwürdig, aber alle haben es so empfunden: wir Enkelkinder, die Geschwister meiner Mutter, Mutti selbst. Schön war es. Denn die Beerdigung passte zu meiner Großmutter: was der Pastor über sie gesagt hat, die Lieder, die Predigt, einfach alles.
 

Egal, ob es regnet
Am Ende der Trauerfeier nannte uns der Pastor das Geheimnis: „Die Lieder hatte Helene ausgesucht, ebenso den Predigttext, es war ihr Konfirmationsspruch.“ Kein Wunder, dachte ich und musste schlucken. Ich schaute mich um, die Trauergemeinde aus Christen und „Nicht-so-sehr-Christen“ war ebenso beeindruckt wie ich. „Lasst uns nun Helene in Gottes Acker legen!“, so lud der Pastor uns zum Grab. Das war für mich die stärkste Formulierung. Nun wäre es mir sogar egal gewesen, wenn es geregnet hätte. So oder so: Auch diese dunkle Seite des Lebens hält Gott in seiner Hand.
Getröstet gingen wir anschließend ins Haus von Großmutter. Ich war beeindruckt und froh, wie sie sich auf ihr Sterben vorbereitet hatte. Beim Beerdigungskaffee unterhielten wir uns. „Dass der Pastor so vieles von Großmutter wusste, obwohl er doch erst seit Kurzem hier in der Gemeinde ist“, wunderte ich mich. Mein Onkel weihte mich in ein weiteres Geheimnis ein: „Großmutter hat einen Lebenslauf geschrieben. Damals, als Großvater starb, hat sie damit begonnen. Den konnte ich dem Pastor nach dem Trauergespräch in die Hand drücken.“
 

Mehr als ein Testament
Während ich meinen Kaffee trank, dachte ich über meine weise Großmutter nach. Den eigenen Tod und das Abschiednehmen vom Leben nicht ausklammern, sondern hineinlassen ins Denken, das finde ich weise. Dass sie ein Testament gemacht hatte, das wusste ich. Ich selbst habe auch schon eins verfasst. Es beruhigt mich zu wissen, dass mein Nachlass geregelt ist, dass bestimmte Menschen bestimmte Dinge von mir bekommen. Die Lieder für die Beerdigung und den Spruch auf dem Grabstein habe ich mir dann ausgesucht. Womöglich beerdigen mich Menschen, die mich nicht kennen, und schreiben dann irgendetwas in die Anzeige oder aufs Grab. Nein, das möchte ich nicht. Schließlich bin ich es, die beerdigt wird, es ist ein Abschied von meinem Leben, es ist, ja, mein Fest. Auch da möchte ich von meiner Hoffnung über den Tod hinaus erzählen. Dass Gott mich empfangen wird und ich bei ihm gut aufgehoben sein werde. Jesus hat dafür alles schon vorbereitet, lese ich in der Bibel (Johannes 14, 1-3). Und das glaube ich. Wie genau das aussieht, das weiß ich nicht. Aber das ist auch egal. Wichtig ist: Ich werde nach Hause kommen – so wie Großmutter. Dass sie auch ihre Beerdigung lange schon vorbereitet hatte, das habe ich nun dankbar erlebt. Die Beerdigung hat ihr Leben, ihren Glauben geatmet. Sie war anwesend. Das hat uns alle – egal welcher Glaubensüberzeugung – angerührt.