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Warum sind die Börsen trotz Krisen gestiegen?

Brigitte Scholtes
24. August 2022

Die Stimmung in der Wirtschaft ist schlecht. Inflation, Lieferkettenprobleme, Energiekrise und Ukraine-Krieg trüben den Ausblick. Warum haben die Aktienmärkten im Sommer trotzdem zugelegt?

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Deutschland Symbolbild Aktienindex
Bild: Arne Dedert/dpa/picture alliance

"Das war eine Sommerrallye, da war viel Euphorie im Markt",  sagt Chris-Oliver Schickentanz, designierter oberster Investmentstratege der Capitell-Vermögens-Management AG in Frankfurt.

Nach "dem schlechtesten ersten Halbjahr an den Aktien- und Anleihemärkten seit langem" hätten die Anleger gesehen, dass die Unternehmen doch besser durch das zweite Quartal gekommen seien als zunächst befürchtet, sagt Schicketanz, der zuvor in gleicher Funktion bei der Commerzbank war.

Banger Blick auf Jackson Hole

Zu Wochenbeginn ging es an den Aktienmärkten dann aber doch wieder bergab. Denn inzwischen schauen die Anleger mit banger Erwartung auf die Notenbanktagung in Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming. Wird der Chef der amerikanischen Notenbank Fed, Jerome Powell, dort einen weiteren kräftigen Zinsschritt zur Bekämpfung der Inflation ankündigen?

Robert Halver, Chef-Anlagestratege der Baader Bank, ist davon überzeugt. Denn die Arbeitsmarktdaten in den USA seien gut, und auf die achtet die US-Notenbank neben der Preisentwicklung.

In den letzten Wochen waren die Kurse auch deshalb deutlich gestiegen, weil die Finanzmärkte gehofft hatten, dass die Zinsen mit Jahresbeginn sogar wieder sinken könnten.

Europa ist angeschlagen

Inzwischen aber unterscheiden die Börsenexperten sehr stark zwischen den europäischen und den globalen Aktienmärkten. Das liegt zum einen an der Geldpolitik: Selbst wenn die Fed zum Jahreswechsel die Zinsen nicht mehr weiter erhöhen sollte, könnte das bei der Europäischen Zentralbank (EZB) doch noch ganz anders aussehen. Sie werde, um glaubwürdig zu bleiben, die Zinsen länger erhöhen müssen, um die Inflation zu bekämpfen und die Stabilität des Euro zu bewahren.

Deutschland I Pressekonferenz der EZB - Christine Lagarde
EZB-Chefin Christine Lagarde: Wie es an den europäischen Börsen weitergeht, hängt auch vom Kurs der EZB abBild: Daniel Roland/AFP/Getty Images

Der Euro aber nähert sich wieder der Parität, könnte sogar auf 0,95 Cent gegenüber dem US-Dollar sinken, fürchtet Halver. "Das Geld fließt da hin, wo es die höchste Rendite bringt", sagt der Börsenexperte. Für ihn gibt es aktuell keinen Grund, im Euroraum zu investieren. Halver verweist auf die hohen Strom- und Gaspreise, die die Kosten für die Unternehmen weiter in die Höhe treiben würden.

"Das sind die Arbeitskosten der Zukunft", sagt Halver und bezeichnet Europa gar als "sinkenden Kontinent". Denn die Energiepreise seien in anderen Regionen eben deutlich günstiger. Außerdem ist der europäische Kontinentvon den Kriegsauswirkungen aktuell viel stärker belastet als andere.

Was taugt der DAX?

Auch Christian Kahler, Gründer der Investmentboutique Kahler Kurz Capital, ist pessimistisch, was die Kursentwicklung des Deutschen Aktienindex DAX in den kommenden Monaten angeht. "Ich bin weiter positiv für die amerikanischen und globalen Aktienmärkte", sagt er und verweist auf bessere Qualität der in den US-Indizes notierten Unternehmen. "Technologie, Telekommunikation, Öl - all diese Branchen sind da gut vertreten", sagt Kahler.

Allerdings sind nicht alle Experten so pessimistisch im Hinblick auf den DAX 40: "Da sind viele international operierende Unternehmen drin", sagt Robert Halver von der Baader Bank. Die könnten dann etwa auch von den günstigeren Energiepreisen außerhalb Europas profitieren.

Auch Kahler sagt, der DAX sei, wenn man nur die Kursentwicklung betrachte, noch sehr niedrig bewertet, er habe sich seit 2013/2014 eher seitwärts entwickelt. Der DAX wird jedoch anders als die anderen großen Indizes weltweit als Performance-Index berechnet, also inklusive der ausgeschütteten Dividenden.

Durch den Winter kommen

In den nächsten Monaten könnten die Aktienmärkte jedoch noch stark schwanken. "Das bleibt so, bis der weitere Kurs der Notenbanken klar ist", sagt Kahler.

Das Winterhalbjahr werde schwierig, meint auch Chris-Oliver Schickentanz von Capitell. Wenn der Winter erst einmal überstanden sei, dürfte man das Schlimmste hinter sich haben. "Dann ist die Angst vor Einschränkungen weg", stimmt ihm auch Robert Halver zu

In der Zwischenzeit solle man sehr vorsichtig sein bei der Auswahl der Aktien, die man sich ins Depot legt. "Wenn die Weltwirtschaft sich dann hoffentlich im kommenden Jahr erholt, kann man mit voller Kraft in die zyklischen Aktien investieren", rät er.