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Kyoto geht nicht weit genug

Jens Thurau, zurzeit Buenos Aires14. Dezember 2004

In Buenos Aires wird gefeiert - so lauteten viele Schlagzeilen vor Beginn der UN-Klimakonferenz. Denn endlich kann das Kyoto-Protokoll in Kraft treten. Für Kritiker ist die Vereinbarung aber längst nicht perfekt.

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Bei der Klimakonferenz kommen neue Ideen auf den TischBild: AP

Rückschau und Ausblick sind die Stichworte in Buenos Aires. Angesichts der Ausmaße des Klimawandels ist das Abkommen nach Ansicht vieler Forscher ein Tropfen auf dem heißen Stein - mehr nicht.

Der renommierte Wirtschaftswissenschaftler Lutz Wicke war früher im Berliner Umweltsenat und im Umweltbundesamt tätig - jetzt fordert er, den internationalen Klimaschutz auf ganz neue Füße zu stellen: Das Kyoto-System, so wichtig es sei, versage auf ganzer Linie. "Wir werden weiterhin drastisch Kohlenstoffdioxid emittieren. Deshalb muss Kyoto reformiert werden, und zwar ganz kräftig. Und die Weltgemeinschaft muss sich mal darüber klar werden, wie viele Treibhausgase wir der Atmosphäre nun zumuten wollen."

Emissionsrechte pro Kopf

Die Zahlen geben Wicke Recht. Statt wie im Vertrag vorgeschrieben ihre Emissionen zwischen 1990 und 2012 um fünf Prozent zu senken, haben die reichen Staaten eher noch an Emissionen zugelegt, ihre Ziele scheinen kaum erreichbar. Rund neun Milliarden Tonnen Kohlendioxid werden nach Schätzungen um das Jahr 2012 mehr in die Luft geblasen als zwanzig Jahre zuvor - fast 28 Milliarden Tonnen.

Hohes Verkehrsaufkommen auf einem Highway in Atlanta, Georgia Smog Abgase Klima Klimaschutz Ozonloch Treibhausgas
Statt einzusparen, haben die reichen Staaten ihre Emissionen eher noch erhöhtBild: AP

Das reicht – findet Wicke. In seinem neuen Buch "Beyond Kyoto" ("über Kyoto hinaus" also) fordert er, rund 30 Milliarden Tonnen als absolute Obergrenze des Ausstoßes festzusetzen - und jedem Land Emissionsrechte pro Kopf auf dieser Grundlage zuzuteilen.

"Wir dürfen nicht mehr als 30 Milliarden Tonnen CO2 emittieren ab 2013", erklärt Wicke. "Weltweit gelten für alle Menschen die gleichen Rechte, etwa fünf Tonnen pro Klimazertifikat." Am Ende könnten diese Zertifikate gehandelt werden, "und wir könnten unsere Klimaziele erreichen, ohne die Weltwirtschaft zu gefährden".

Die Vorreiter sind keine

Wicke stört vor allem die Philosophie des Kyoto-Protokolls, die er heuchlerisch nennt: Die reichen Länder seien ihrer Rolle als Vorreiter nie gerecht geworden, so Wicke. Tatsächlich haben etwa die USA ein Vielfaches an Pro-Kopf-Ausstoß als etwa Indien oder China. Deshalb müssten die USA in Wickes System auch Milliarden ausgeben für Ausstoßrechte, die sie woanders kaufen müssten.

"Das würde auch für die USA selbst sehr wohltuend wirken, weil sie dann ein Interesse an Energieeinsparung hätten", sagt Wicke. "Und auch für die anderen Länder wäre es attraktiv, sich klimafreundlich zu entwickeln."

Ideen für Neues nach Kyoto

2005 startet zumindest in der EU der Emissionshandel - nach mühsamen Verhandlungen und nur für ganz bestimmte Industrien. Und die Vorstellungen, die USA könnten sich mit einem globalen Handel anfreunden, wirkt naiv. Aber Vorschläge wie die von Wicke gibt es
viele in Buenos Aires - nach Kyoto ist wieder Platz dafür in den Köpfen.