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Der globale Müllhandel

Steffen Leidel 12. September 2006

Der Giftmüllskandal in der Elfenbeinküste ist ein dramatischer Einzelfall. Die Entsorgung giftiger Chemikalien in armen Ländern ist inzwischen die Ausnahme. Dagegen blüht der Handel mit Elektroschrott und Schiffswracks.

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Giftiges Grün - an einer der Abladestellen des Giftmülls in AbidjanBild: picture-alliance/dpa

Andreas Bernstorff weiß viele schmutzige Geschichten zu erzählen. Mehr als 80 Giftmüllskandale in Afrika hat er während seiner Tätigkeit für Greenpeace dokumentiert, die meisten stammen aus dem 1980er Jahren. Dass Industrieländer ihre giftigen Chemikalien in Entwicklungsländern im großen Stile abladen, das dachte Bernstorff, sei Vergangenheit. Als er von dem aktuellen Giftmüllskandal in der Elfenbeinküste erfuhr, war er sehr überrascht. "Es ist der größte bekannt gewordene Giftmüllskandal in Afrika seit 1988", sagt Bernstorff.

Nach offiziellen Angaben sind inzwischen sechs Menschen nach dem Einatmen giftiger Dämpfe gestorben, etwa 9000 ließen sich wegen Atembeschwerden und anderer Vergiftungssymptome behandeln. Anfang September waren die ersten Vergiftungserscheinungen bei Bewohner der Hauptstadt Abidjan bekannt geworden.

Ein großer Teil des Giftmülls in der Elfenbeinküste ist nach Angaben der Vereinten Nationen auch ins Meer und in die Lagune vor Abidjan geleitet worden. Sichere Quellen deuteten darauf hin, dass der Giftmüll auch in die Nähe von Gemüseanbauflächen gelangt sei, teilte der humanitäre Beauftragte der UNO für die Elfenbeinküste, Youssouf Omar, am Dienstag (12.9.2006) mit.

Schleimige, dampfende Masse

Nach bisherigen Erkenntnissen waren rund 400 Tonnen Giftmüll in der Nacht vom 19. auf den 20. August 2006 auf mehreren Deponien der Vier-Millionen Stadt abgeladen worden. Die giftigen Substanzen waren an Bord eines zu einer griechischen Firma gehörenden Frachtschiffes unter panamesischer Flagge ins Land gekommen. Das Container-Schiff "Probo Koala" war von dem niederländischen Unternehmen Trafigura Beheer BV gechartert worden.

Nach wie vor rätseln Experten über die Zusammensetzung der giftigen Substanzen, die Symptome wie Atemnot, Nasenbluten, Durchfall und Kopfschmerzen auslösen. Die schwarze, schleimige Masse soll Chlorverbindungen und Schwefelwasserstoffe enthalten. "Meine Hypothese ist: Es handelt sich um Reste einer Tankreinigung. Tankschiffe oder Tanks einer Raffinerie müssen regelmäßig gereinigt werden, da sich am Grund eine Teerschicht bildet, die gelöst werden muss. Das macht man mit chlorhaltigen Lösemitteln und mit Schwefelsäure", sagt Bernstorff.

Niederländisches Unternehmen rechtfertigt sich

In der Elfenbeinküste verursachte der Skandal ein politisches Erdbeben, die Regierung trat zurück. In den Niederlanden wird nun gegen die Firma ermittelt, die das Schiff gechartet hat. Behauptungen von Trafigura, das Unternehmen habe Genehmigungen zum Deponieren des Mülls gehabt, nennt Bernstorff substanzlos. Sie habe gleich gegen drei internationale Abkommen verstoßen, die als Folge der Giftmüllskandale in den 1980er Jahren auf den Weg gebracht worden waren.

So verbiete die Baseler Konvention von 1989, die inzwischen von 170 Staaten unterzeichnet worden ist, grundsätzlich den Export von gefährlichen Abfällen in Entwicklungsländer. "Afrika hat der EU außerdem das Abkommen von Lomé abgetrotzt, in dem sich die EU verpflichtet, keinen Müll nach Afrika zu transportieren", so Bernstorff. "Und 1991 gab es dann noch die Konvention von Bamako, wo alle afrikanischen Staaten beschlossen haben, keinen Abfall zu importieren."

Belastung durch Elektroschrott und alte Schiffe

Auch für Michael Dreyer von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), der Entwicklungsländer bei der Anwendung der internationalen Konventionen berät, ist der Giftmüllskandal von diesem Ausmaß ein bedauerlicher Ausreißer, aber nicht mehr die Regel. "Die Basel-Konvention funktioniert relativ gut", weiß er aus Erfahrung. Für die Experten Dreyer und Bernstorff ist nicht mehr so sehr der globale Handel mit giftigen Chemikalien das Problem, sondern die rasant wachsende Menge an Elektroschrott sowie die Abwrackung von Schiffen.

Elektroschrott
Elektronikbauteile: oft nur Schrott und nicht mehr zu verwendenBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

So würden alte Computer oft nicht als Müll deklariert, sondern zur Reparatur oder zum Recycling für den Export fertig gemacht. "Dadurch, dass Hersteller verpflichtet sind, die Geräte zurückzunehmen, müssen die irgendwie sehen, was sie machen. Ein echtes Recycling ist sicher teurer als eine 'graue Entsorgung'", sagt Dreyer. "Im Hamburger Hafen werden Container voll geladen mit unverpackten Computern, die, wenn sie entladen werden, sicher nicht mehr ganz heil sind. Hier sind die Industrieländer gefordert, die Deklarierung dieses Schrotts als Nutzware zu verhindern." Elektroschrott wird vor allem nach Asien oder Westafrika exportiert. "In Nigeria landen 85 Prozent der Elektroteile, die aus Westeuropa oder Nordamerika kommen, auf der Müllkippe und werden dort verbrannt", sagt Bernstorff.

Schiffe versenken am Sonnenstrand

Ein Giftmüll der besonderen Art, der viel Geld einbringt, sind ausrangierte Schiffe. "Kein Hochseeschiff in der Welt wird in irgendeinem Industriestaat verschrottet", sagt Bernstorff. China oder Indien sind die Hauptabnehmer der Schiffe, die meist mit Asbest verseucht und deren Farben giftig sind. "Die werden mitten auf dem Strand zerlegt." Das Geschäft machen dann vor allem die, die ihren Müll loswerden wollen. "Oft sind es indische Unternehmer, die die alten Schiffe je nach Stahlpreis aufkaufen. Wenn sie ein Standardschiff mit 10.000 Tonnen Stahl nach Indien verkaufen, dann können sie schon mal vier Millionen Dollar einstecken."