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Airbags für Fußgänger

Ingo Wagner20. Dezember 2006

Zum Schutz von Fahrer und Beifahrer sind Airbags heute in fast allen Autos zu finden. Und die Fußgänger? Auch für sie entwickeln Sicherheitsprofis Airbag-Lösungen. Nur die Auto-Hersteller zögern noch – wegen der Kosten.

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Grafik, die einen Personenunfall mit mehreren Fahrzeugtypen erklärt, Quelle: Institut für Kraftfahrwesen Aachen
Unfall mit Fußgänger: Lebensgefährliche Verletzungen durch Aufprall des KopfesBild: RWTH

Mit 40 Stundenkilometern prallt der Testkörper auf die Windschutzscheibe des Wagens. 40 Stundenkilometer sind genau die Geschwindigkeit, mit der der Kopf eines Fußgängers nach einer Kollision mit einem Auto auf die Windschutzscheibe stößt. Am Aachener Institut für Kraftfahrwesen testet Diplomingenieur Jens Bovenkerk die unterschiedlichsten Verfahren, die die Sicherheit von Fußgängern im Straßenverkehr erhöhen können. Zu den neuesten und wirksamsten Methoden gehört ein Airbag für Fußgänger. Das neue Verfahren kommentiert Bovenkerk zuversichtlich: "Der Airbag könnte zwischen der Motorhaube und der Windschutzscheibe eingebaut werden und würde sich dann wie bei einem Fahrzeuginsassen bei einem Aufprall des Fußgängers entfalten."

Lebensgefährlicher Aufprall auf die Windschutzscheibe

Ausgelöst wird dieser Airbag durch Sensoren in der Stoßstange des Wagens. Unmittelbar nach dem Zusammenprall des Fahrzeugs mit den Beinen des Unfallopfers lösen sie unter der Motorhaube eine kleine Explosion aus. Wie bei einem herkömmlichen Airbag schießt ein blitzschnell entflammtes Gas in einen Textilbeutel, der sich zwischen Frontscheibe und Motorhaube entfaltet – und sich dann mit etwa 300 Stundenkilometern auf den auf die Windschutzscheibe zufliegenden Fußgänger zu bewegt. Dann bremst der Luftsack den menschlichen Körper vollständig, bevor der Kopf die Frontscheibe durchbricht.

Bei den ersten Modellen gab es noch das Problem, dass der Airbag die Windschutzscheibe vollständig bedeckte und der Fahrer dadurch praktisch blind wurde. Inzwischen gibt es aber schon Prototypen mit kleinen Löchern, die die Sicht auch nach einem Crash gewährleisten. Ein solches Modell hat zum Beispiel der japanische Autokonzern Toyota entwickelt. Andere Hersteller sind noch skeptisch. Das liegt auch an den hohen Kosten, die ein serienmäßiger Einbau solcher Airbags verursachen würde. Viele Autohersteller bevorzugen daher eine so genannte aktive Motorhaube. "Unter einer aktiven Haube versteht man das Anheben der Motorhaube an Fahrzeugen, so dass eine Knautschzone für den Fußgänger geschaffen wird und der Aufprall somit weicher wird für den Fußgänger", erklärt Bovenkerk.

Doch so eine Knautschzone reicht vielen Verkehrsexperten längst nicht mehr aus. Zudem würde durch sie auch der lebensgefährliche Aufprall des Kopfes auf die Windschutzscheibe nicht gebremst. Dadurch sterben aber über 80 Prozent der Menschen, die jährlich in Europa im Straßenverkehr ums Leben kommen. Denn das Hauptproblem der Kollision von Autos mit Fußgängern ist der so genannte Hebeleffekt: Der Aufprall mit der Stoßstange zieht dem Betroffenen die Füße weg, der Oberkörper wird in die Luft geschleudert und prallt gegen die Motorhaube, der Kopf gegen die Windschutzscheibe.

EU will Zahl der Verkehrstoten bis 2010 halbieren

Crashtest mit Dummies,
Airbags schützen bislang nur die AutoinsassenBild: AP

Für Jens Bovenkerk ist daher der Airbag für Fußgänger derzeit das beste Mittel, um die Zahl der Verkehrstoten deutlich zu verringern. Doch ein Allheilmittel ist der Airbag nicht. Für Fußgänger, die bei einem Zusammenstoß in die Luft geschleudert werden und nicht auf dem Auto, sondern hart auf dem Asphalt landen, ist er natürlich nutzlos. Fußgänger würden immer die schwächsten Verkehrsteilnehmer bleiben, räumt Bovenkerk ein. Ziel der Maßnahme sei aber auch lediglich, die Zahl der Verkehrstoten um einen gewissen Prozentsatz zu senken.

Und dieser Prozentsatz wäre ziemlich hoch. Experten gehen davon aus, dass durch den Airbag für Fußgänger Kopfverletzungen um 90 Prozent und Verletzungen am Oberkörper um die Hälfte reduziert werden können. Doch freiwillig werden die großen Fahrzeughersteller diese Sicherheitstechnik wohl nicht einbauen. Wegen der Kosten. Deswegen fordert Bovenkerk Gesetze, damit diese Maßnahmen auch seitens der Hersteller umgesetzt würden.

Und hier ist die Europäische Union gefordert. Die hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2010 will sie die Zahl der Verkehrstoten in Europa halbieren. Im Oktober des vergangenen Jahres trat die erste Phase der neuen Fußgänger-Sicherheitsdirektive in Kraft. Danach müssen alle Neuwagen größere und tiefere Stoßstangen haben, die die Wucht eines Aufpralls stärker absorbieren können. Es kann nicht mehr lange dauern, bis auch Airbags für Fußgänger zur Pflicht werden. Experten gehen davon aus, dass es pätestens 2008 so weit sein wird. Zurzeit sterben europaweit jährlich noch 4600 Fußgänger bei Unfällen im Straßenverkehr.