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Blinde Raser

22. Juni 2009

Dürfen Blinde Auto fahren? Ja, allerdings nicht auf der Straße. 350 Blinde und Sehbehinderte trafen sich auf einem stillgelegten Militärflugplatz in Brandenburg, um in Begleitung von Fahrlehrern auf die Tube zu drücken.

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Blinder im Auto (Foto: DW)
Fahren mit eingeschränkter Sicht: möglich auf dem Blindenfahrtag in BrandenburgBild: DW/Tobias Kurfer

Die Frau in der neongelben Sicherheitsweste führt Stefanie Henner (20) und Mai Hien Le Thi (20) über die Rollbahn des Militärflugplatzes, dorthin wo Fahrschulautos warten. Die beiden fast blinden jungen Frauen werden sich heute zum ersten Mal hinter das Steuer eines silbernen Mittelklassewagens setzen und über die Rollbahn brettern. Bisher waren sie ruhig. Jetzt wächst die Aufregung.

Blinder und Fahrlehrer im Auto (Foto: DW)
Fahrlehrer sagen den Sehbehinderten, wo es lang gehtBild: DW/Tobias Kurfer

Fahrlehrer Winfried Sohns weist Stefanie Henner, seine erste Fahrschülerin, ein. Nach ein paar Minuten ist die junge Frau so weit. Sie dreht den Zündschlüssel und lässt die Kupplung kommen. Der silbergraue Wagen setzt sich in Bewegung. Mit zehn Stundenkilometern geht es in Richtung Landebahn. Dort wird die sehbehinderte Frau Vollgas geben.

Rund 330 Menschen mit Blindenstöcken, Armbinden oder dunklen Brillen stehen Schlange am Rollfeld, 20 hetzten bereits über die Piste. Alle paar Minuten setzt sich ein anderer Wagen in Bewegung, heult ein Motor auf.

Auch die Fahrlehrer profitieren

Der "Blindenfahrtag" von Groß Dölln in Brandenburg ist die deutschlandweit wahrscheinlich größte Veranstaltung ihrer Art. Ziel des Treffens ist es, möglichst vielen Blinden einen Herzenswunsch zu erfüllen, sagt Detlef Friedebold, stellvertretender Vorsitzender des Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenvereins Berlin, der den "Blindenfahrtag" seit 1993 organisiert. Außerdem wolle man die Fahrlehrer für die Probleme der Blinden im Straßenverkehr sensibilisieren. "Wir haben die Hoffnung, dass die Fahrlehrer das dann in ihrem theoretischen Unterricht an ihre Fahrschüler weitergeben." Der Straßenverkehr sei gefährlicher geworden für Menschen mit Sehbehinderung, sagt Friedebold. Vor allem, weil die Autos immer leiser würden.

Zurück auf der Rollbahn. Stefanie Henner saust inzwischen mit 80 Stundenkilometern über die Piste. Am Ende werden es 100 sein. Rechts taucht ein Golf auf, der wird erstmal überholt. Die junge Frau strahlt vor Freude.

Nach zehn Kilometern endet die Fahrt. Stefanie Henners ist seelig. So, wie fast alle, die ihre erste Runde gedreht und sich gleich wieder hinten in der Schlange angestellt haben.

Autor: Tobias Kurfer

Redaktion: Manfred Götzke