Größtes Teleskop geht auf Galaxien-Jagd
24. Juli 2009Nach fast zweijährigem Probelauf hat das derzeit größte Spiegelteleskop der Welt am Freitag (24.07.2009) auf der Kanaren-Insel La Palma offiziell den Betrieb aufgenommen. Das rund 130 Millionen teure Teleskop steht in 2400 Metern Höhe auf dem "Roque de los Muchachos", dem höchsten Gipfel der Insel. Mit der "Grantecan" (Gran Telescopio Canarias) genannten Anlage wollen die Wissenschaftler in bisher unerreichte Tiefen des Universums vordringen - fast bis zum Urknall vor rund 14 Milliarden Jahren.
"Heute ist ein großer Tag für die Forschung in Spanien", sagte Wissenschaftsministerin Cristina Garmendia bei der feierlichen Zeremonie auf La Palma, an der auch König Juan Carlos und Königin Sofía teilnahmen. Das "Grantecan" sei das größte wissenschaftliche Projekt, das bislang in Spanien umgesetzt worden sei, so Garmendia. Ähnliche Riesenfernrohre gab es bisher nur in den USA und in Südafrika.
Suche nach einem der Erde ähnlichen Planeten
Betrieben wird die Sternwarte von dem Astrophysikalischen Institut der Kanaren (IAC). "Es ist wie ein Wunder", schwärmte IAC-Direktor Francisco Sánchez. Das Institut rief das Projekt 1987 ins Leben. Vor zehn Jahren begannen dann die Bauarbeiten. "Es herrschte damals große Skepsis" erinnerte sich Projektleiter Pedro Alvarez. "Und auch Angst, uns lächerlich zu machen", räumte er ein. Nun aber zählt Spanien in diesem Wissenschaftsbereich zur internationalen Elite.
"Wir wollen sehr weit entfernte Galaxien und Planeten beobachten und die Enstehung der ersten Sterne studieren", erläuterte Chefastronom René Rutten. Eine weitere Herausforderung sei die Beobachtung von Planeten jenseits unseres Sonnensystems, die als Exoplaneten bezeichnet werden. Projektleiter Alvarez ergänzt: "Es wäre natürlich wunderbar, wenn dieses Teleskop uns dabei helfen könnte, einen Planeten zu entdecken, der unserem ähnelt. Ich bin nämlich überzeugt, dass es auch anderswo im Universum Leben geben kann."
Die Kathedrale der Astronomie
Herzstück des Teleskops ist ein Parabolspiegel unter der großen Kuppel des Observatoriums. Er bündelt das Licht aus dem All. Der Riesenspiegel hat einen Durchmesser von 10,4 Metern und wurde vom Mainzer Technologiekonzern Schott gefertigt. Es ist aus 36 sechseckigen Segmenten zusammengesetzt. Sie haben in der Diagonalen jeweils eine Länge von 1,90 Metern, sind 8,5 Zentimeter dick und wiegen pro Stück 500 Kilogramm. Zur Positionierung des Riesenfernrohrs kommen Winkel-Messgeräte der Firma Heidenhain aus dem bayerischen Traunreut zum Einsatz.
Obwohl das Teleskop insgesamt 400 Tonnen schwer ist, lässt es sich dennoch mühelos mit der Hand bewegen, da es auf einer dünnen Ölschicht "schwimmt." Die "Kathedrale der Astronomie", wie die imposanten Konstruktion auch genannt wird, ist 45 Meter hoch. Das entspricht einem 14-stöckigen Hochhaus.
Teleskop kann Teller mit Linsen auf dem Mond erkennen
Um die Spiegelkrümmung auszugleichen, die beim Schwenken eines solchen Riesenfernrohrs angesichts des Eigengewichts entsteht, arbeitet die Anlage mit aktiver Optik. Dazu sind die Spiegel auf so genannten Aktoren gelagert, die die Krümmung ausgleichen. Andernfalls würden Abbildungsfehler entstehen. Für glasklare Optik soll auch die so genannte adaptive Optik sorgen. Sie gleicht 200 Mal pro Sekunde die Verzerrungen des Lichts auf seinem Weg durch die Atmosphäre aus.
Das Spiegelteleskop ist so präzise, dass es einen Teller Linsen auf dem Mond erkennen - oder, wenn die Erde eine Scheibe wäre, die Scheinwerfer eines fahrenden Autos in Australien auseinanderhalten könnte.
Noch stärkere Teleskope sind bereits in Planung: So wollen die USA und Kanada ein Teleskop mit einem Durchmesser von 30 Metern bauen, die europäische Südsternwarte ESO plant sogar eines mit 42 Metern. (kis/sams/dpa/afp)