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Deutsch lernen mit der Bravo-Lovestory

Im kroatischen Städtchen Pula lernen Schüler mit Begeisterung Deutsch - an der Partnerschule des Goethe-Instituts. Eine Erfolgsstory aus einem Touristenort mit großer Geschichte, an dem Sprachenlernen ein Muss ist.

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Bravo-Hefte von oben, Mädchen mit lackierten Fingenägeln lesen darin (Overshoulder) / Foto: Aya Bach
Bild: DW

Abendstimmung liegt über der kleinen Stadt an der Adria. Durch die römische Arena schwirren Fledermäuse, haarscharf vorbei am sonnensatten Gemäuer. So war es wohl schon in der Antike, wenn abends die Gladiatorenkämpfe ihr blutiges Ende gefunden hatten. Heute schnurren beim Blick durch die steinernen Bögen die Jahrtausende zusammen. Draußen im Meer liegen im letzten Abendlicht die Kräne der Werft: Schiffsindustrie und Tourismus sind heute die wichtigsten Wirtschaftszweige. Jetzt ist die Hauptsaison vorbei, aber noch immer schlendern Touristen durch die Stadt und bewundern römische Ruinen und Prachtbauten der k.u.k.-Zeit, ein letzter Fotoapparat blitzt in die Dämmerung.

Am nächsten Morgen bin ich mit der Schülerin Sarah Kim samt zwei Freunden zur Stadtführung verabredet, die Deutschlehrerin hat sie vom Unterricht befreit. Treffpunkt ist die imposante Arena, kaum kleiner als das Colosseum in Rom. Blut floss auch in Pula, erzählt Sarah, und es muss furchtbar gestunken haben: "Von dem ganzen Schweiß! Aber es gab große Amphoren mit Duftwasser, das hat man dann versprüht!"

Sara (15) und zwei Mitschüler in der bestens erhaltenen römischen Arena / Foto: Aya Bach
Stadtführung für die deutsche Journalistin als Unterrichts-Alternative: Sarah mit Freunden in der ArenaBild: DW

Deutschunterricht ganz anders

Sarah erzählt noch mehr Details, die wohl nicht jeder Fremdenführer seinem Publikum zumutet. Sie ist fünfzehn und will später im Fremdenverkehr arbeiten wie so viele junge Leute hier. Noch besucht sie die Schule für Tourismus, die Partnerschule des Goethe-Instituts. Obwohl sie ihre ersten zehn Lebensjahre in Aachen verbracht hat, findet sie den Deutschunterricht spannend. Denn der ist ganz anders als die restlichen Fächer: Sarah und ihre Mitschüler dürfen nicht nur der deutschen Journalistin die Stadt zeigen, sondern immer wieder an Projekten teilnehmen. So wie zuletzt zum Thema Mauerfall: "Da habe ich die europäische Hymne gesungen, auf Deutsch. Wir haben eine Ausstellung gemacht und Flyer in der Stadt verteilt. Das war toll!".

Die beiden freundlich lächelnden Lehrerinnen mit Unterrichtsmaterial in der Hand, im Hintergrund ganze Zeitschriften-Sätze von 'Stern', 'Spiegel', 'Bravo' / Foto: Aya Bach
Das PASCH-Team: Marina Bojanić (l.), Vesna PavletićBild: DW

Unterricht mitten im Leben - für das Projekt, von dem Sarah erzählt, sind die Deutschlehrerinnen Marina Bojanić und Vesna Pavletić verantwortlich. Die Ausstellung ist professionell gemacht: An Bilderschienen wie im Museum hängen Arbeiten des Fotografen Stefan Koppelkamm, der ostdeutsche Orte kurz nach dem Mauerfall und noch einmal rund zehn Jahre später fotografiert hat. Das Material kommt vom Goethe-Institut, das Geld für die noble Präsentation auch. All das ist Teil der Partnerschaft mit dem Goethe-Institut, kurz "PASCH".

James Bond und der Mauerfall

Doch zu dem Projekt gehört auch eine Menge Eigenleistung: Die Schüler sind in die Stadt gegangen und haben Touristen etwas über deutsche Geschichte erzählt. So wie Marco (18), der aus der Gegend von Pula stammt. "Ich hatte einen schicken Anzug an, wie James Bond", sagt er und grinst. "Erst war es komisch, aber dann haben wir gemerkt, dass es gut klappt, und die Leute haben gesagt, es war toll." Marco will nach dem Abitur Germanistik studieren. Deutsch hat er schon früh gelernt, denn seine Eltern haben eine Marina, daher ist er es – wie viele Mitschüler – gewohnt, mit Touristen Deutsch zu sprechen.

Marco und Kristi im blauen "PASCH"-T-Shirt mit schwarz-rot-goldenen Schlüsselbändern um den Hals sitzen strahlend am Infostand. Die Deko zeigt das Logo der PASCH-Projekts 'Schulen - Partner der Zukunft' und ein Plakat von Pula. Auf dem Infotisch liegen Prospekte für Touristen / Foto: Aya Bach
Deutschstunde mal anders: Marco und Kristi beraten Touristen am InfostandBild: DW

Wer so viel mit ausländischen Gästen umgeht wie die Jugendlichen hier, weiß, wie wichtig Fremdsprachen sind - auch und gerade Deutsch. Denn deutschsprachige Touristen sind die größte Gruppe in Pula: "Das sind voll, voll viele, da musst du einfach Deutsch können", sagt Dennis (18), der später das Restaurant seiner Familie übernehmen will.

Doch was für viele Schüler selbstverständlich ist, hat sich in der Bildungspolitik noch nicht herumgesprochen, klagt Deutschlehrerin Marina Bojanić: "Wir konnten jedes Jahr eine Schule, an der Deutsch unterrichtet wird, von der Liste streichen!"

Da kommt der Rückenwind durch die Goethe-Partnerschaft gerade richtig. Und die beiden Lehrerinnen, die sich schon als "PASCH-Team" bezeichnen, sorgen für die Sprachpraxis, die ihre Schüler später im Beruf brauchen werden. Darum findet der Deutschunterricht auch schon mal draußen statt: Die Schüler bauen einen Infostand für Touristen auf, verteilen Prospekte, beantworten Fragen. Jetzt, in der Nebensaison, sind oft Jugendliche auf Studienreise unterwegs, die wissen wollen, wo der McDonald's ist oder in welchem Club es die beste Musik gibt – das wissen die Schüler mindestens so gut wie die Profis im Tourismusbüro.

Chillen im Treffpunkt.de

Ein heller Raum mit freundlichen hellgrünen Schränken und schwarzen schwarzen Sofas, darin sitzen Schüler und gucken TV auf einem riesigen Flachbildschirm. Außerdem zu sehen: Teile der Fotoausstellung / Foto: Aya Bach
Chillen in der Schule: der 'Treffpunkt.de'Bild: DW

Inzwischen sind die Schüler, die andere Fremdsprachen gewählt haben, schon neidisch auf die Deutsch-Klassen. Denn die Partnerschaft mit "Goethe" ermöglicht Dinge, die vorher undenkbar waren. Da ist nicht nur der ungewöhnliche Unterricht, sondern auch eine Lounge, die alle Deutsch-Schüler in Freistunden nutzen dürfen: Der "Treffpunkt.de" lädt zum Chillen ein, mit schicken schwarzen Sofas, Internet und einem riesigen Flachbildschirm-TV. Bücher und Zeitschriften gibt es auch - sogar die "Bravo", das begehrte Teenie-Magazin, bei dem bildungsbeflissene Eltern in Deutschland schon mal die Nase rümpfen. Aber für das PASCH-Team in Pula ist die Bravo-Lovestory kein Tabu. "Erst dachten wir, wenn die Eltern mitkriegen, dass da nackte Jungs und Mädchen zu sehen sind, protestieren sie vielleicht", erzählt Marina Bojanić, "bei uns in Istrien ist man ziemlich streng katholisch." Aber bisher hat sich niemand beschwert.

Internationale Freundschaften

Und dann ist da noch der Clou, der für alle PASCH-Schulen weltweit gilt: Wer sich im Unterricht besonders engagiert, kann ein dreiwöchiges Stipendium in Deutschland bekommen. Marco war in der Nähe von Weimar und hat dort PASCH-Schüler aus 60 anderen Ländern kennengelernt. "Wir haben alle unser Deutsch verbessert", sagt er. Aber noch wichtiger sind ihm die Freundschaften mit Gleichaltrigen, die dort entstanden sind: "Ich war traurig, als wir zurückgekommen sind. Ich brauchte zwei Tage, bis ich wieder in Kroatien leben konnte".

Sara und Mitschülerinnen im Deutschunterricht, im Hintergrund hellgrüne Regale mit Büchern und allerlei Unterrichtsmaterial / Foto: Aya Bach
'Richtigen' Unterricht gibt es auch...Bild: DW

Sarah fühlt sich ohnehin in Kroatien noch nicht so ganz zu Hause. Aber auch sie profitiert von den PASCH-Projekten, bei denen es weniger um Grammatik geht als um Sprachfähigkeit, Teamarbeit, Selbständigkeit. Vielleicht wird sie später ja wirklich Stadtführerin. Die Geschichte Pulas jedenfalls ist ihr schon ans Herz gewachsen: Gegenüber ihrer Schule soll ein Parkhaus entstehen, aber beim Baggern fand man römische Relikte: "Über 3000 Amphoren, Schmuck und Teller!" Für Sara ist klar: Das Parkhaus kann woanders hin!

Die Touristen würden es ihr danken. Und ich habe bei ihrer Führung nicht nur viel über Pulas Geschichte erfahren, sondern weiß jetzt auch, wo es das beste Eis der Stadt gibt. Wenn Schule doch immer so viel Spaß machen würde…

Autorin: Aya Bach

Redaktion: Ramón García-Ziemsen