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Kommentar zu Bischof Mixas Rücktritt

22. April 2010

Die Vorwürfe gegen den Augsburger Bischof Walter Mixa, Kinder verprügelt und Geld veruntreut zu haben, haben den Bischof zum Rücktritt veranlasst. Ein richtiger Schritt? Bernd Riegert kommentiert.

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Bild: DW

Der angebotene Rücktritt eines Bischofs wegen Mißhandlung und finanzieller Unregelmäßigkeiten ist für die Katholische Kirche in Deutschland ein einmaliger Vorgang, geradezu eine Sensation. Anders in der Weltkirche: In Irland zum Beispiel hat es wegen eines Missbrauchskandals bereits einen Rücktritt gegeben. Welche Unruhe und welcher Druck in der Kirche entstanden sind, zeigt die beispiellose Aufforderung des Vorsitzenden der Bischofskonferenz an Walter Mixa, seine Bischofsämter in Augsburg und als Militärseelsorger ruhen zu lassen. Auf diese Idee sind die katholischen Bischöfe nicht alleine gekommen. Das Rücktrittsgesuch Mixas wurde mit Hilfe des Vatikans inszeniert. Daran, dass der Papst es annehmen wird, besteht deshalb kein Zweifel.

Bischof Mixa hat sich durch das anfängliche Leugnen von Verfehlungen selbst in die Sackgasse manövriert. Seinen Amtsverzicht wird er dennoch nicht als Schuldeingeständnis sehen wollen. Der streitbare und unbequeme Bischof sieht sich zu Unrecht als Opfer einer Kampagne. Die Katholische Kirche in Deutschland hofft nun darauf, dass Mixas Abgang als Befreiungsschlag wirkt. Sie beweist, dass sie eben doch handeln kann und Verfehlungen aus der Vergangenheit nicht deckt. Der heftige Streit im Bistum Augsburg und die rasant steigenden Kirchenaustritte zwangen die Kirchenführung zu einem fast schon revolutionären Schritt.

In der öffentlichen Meinung könnte die katholische Kirche, die durch Missbrauchsfälle schwer unter Druck steht, mit dem Mixa-Opfer, bei dem es allerdings nicht um sexuellen Missbrauch geht, punkten. Doch ist der erzwungene Rücktritt wirklich gerechtfertigt? Die Kirchenfürsten und viele andere Amtsträger wie Schulleiter, Heimleiter, Jugendamtsleiter, aber auch Eltern müssen sich fragen, wie sie Kinder vor 30 oder 40 Jahren behandelt, erzogen und körperlich gezüchtigt haben. Gab es Ohrfeigen und vielleicht auch eine Tracht Prügel? Man kann es auch mit der Bibel sagen: "Wer von Euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein."

Die Maßstäbe, die nun für Walter Mixa gelten, werden auch an andere Amtsträger der Kirche angelegt werden müssen. Wer hat sich persönlich schuldig gemacht? Wer hat, wie Joseph Ratzinger als Erzbischof von München, vor drei Jahrzehnten die Beschäftigung pädophiler Priester nicht verhindern können oder wollen? Mixas Rücktritt war der erste, aber vielleicht nicht der letzte.

Die Maßstäbe, die jetzt an die Kirche angelegt werden, müssten aber auch für den Rest der Gesellschaft gelten. Würde man so vorgehen, dürfte Franck Ribéry nie wieder als Fußballstar Geld verdienen. Er hat offenbar mit einer minderjährigen Prostituierten geschlafen. Würde man so vorgehen, dürfte Roman Polanski nie wieder einen Film drehen. Er hat eine Minderjährige vergewaltigt und sich der Strafe entzogen. Beide sind in ihren Metiers Vorbilder.

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Silke Wünsch